Re: Prince

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bullschuetz

Registriert seit: 16.12.2008

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Ich habe jetzt nochmal in Dave Hill, Prince – A Pop Life nachgelesen. Den Wahrheitsgehalt der genannten Details kann ich nicht prüfen, aber ich stelle es hier einfach mal zur Debatte – Hill schreibt über die formative Phase um 1981: „Dann kam die Frage seiner Rassenzugehörigkeit. Prince scheint die relativ helle Haut seiner leiblichen Eltern geerbt zu haben, und dadurch wurde ihm nicht sofort der Stempel des ‚Schwarzen‘ aufgepresst. Sowohl Mrs Shaw als auch Mr Nelson sehen sich erwiesenermaßen als Schwarze an, und so werden sie auch von den Menschen betrachtet, die sie kennen. Vor diesem Hintergrund ist es aufschlussreich zu beobachten, wie eine Reihe von Zeitungsreprotern ein Bild von Prince als eine Art exotischer Mulatte entstehen ließen.“ Hill zitiert dann unter anderem aus dem „Rolling Stone“-Bericht vom Februar 1981: „Der Sohn eines halbschwarzen Vaters und einer italienischen Mutter.“ Hill weist auch darauf hin, dass Prince selber dieser Verrätselung mit eigenen Äußerungen Vorschub leistete.

Um ein für alle Mal Missverständnissen vorzubeugen: Mir ist die Hautfarbe eines Menschen egal, und es geht mir nicht im geringsten darum, irgendjemandem irgendwelche Vorwürfe zu machen. Aber es ist doch ein wirkungsgeschichtlich wichtiges Phänomen, wie Künstler mit ihrer Blackness umgehen, wie sie der Gefahr, allein aufgrund ihrer Hautfarbe und Herkunft sofort in Schubladen gestopft und mit Klischee-Etiketten beklebt zu werden, zu entkommen suchen, wie sie andererseits um Authentizität, um Bewahrung ihres Herkunftserbes ringen – das ist ein spezifisches Set von Problemen, das sich da regelmäßig ergibt, mit dem „weiße“ Künstler nun mal in der Regel nicht umzugehen haben, das sind Spannungsfelder, in denen sich „weiße“ Musiker schlicht nicht bewegen müssen. Das möchte ich einfach mal als schlichte Tatsachen-Feststellung fixiert haben, ohne dass das jemand „merkwürdig“ findet oder Rassismus wittert.

Viele Künstler haben das auch selbst immer wieder thematisiert. „Am I black enough for you“, sang Billy Paul, nachdem vielen in der Community “Me and Mrs Jones” eben genau das gewesen war: nicht schwarz genug, ein Verrat, eine Anbiederung. Im selben Spannungsfeld hatte sich Jahre davor Sam Cooke zu bewegen (und man vergleiche einfach mal eine Gospel-Aufnahme wie „Were you there“ mit „You send me“ oder die Aufnahme aus dem Harlem Square Club vor schwarzem Publikum mit der aus dem „weißen“ Nachtclub Copa, das sind zwei extrem verschiedene Sets). Und an ähnlichen Fragen arbeiteten sich später MJ und Prince ab, jeder rang da mit seinen spezifischen Positionsbestimmungen. MJ beharrte nach dem maximalen Crossover-Erfolg von Thriller darauf, „bad“ zu sein, Prince ließ den Jahren des maximalen Crossovers eine ziemlich sortenreine Funk-Platte folgen, das „Black Album“ (das dann warum auch immer aber nicht veröffentlicht wurde). Ich meine, das ist doch ein großes Thema durch die ganze amerikanische Musikgeschichte hindurch, und jeder einzelne große Künstler gab darauf seine spezielle Antwort: Miles Davis betonte seine Blackness und verurteilte ziemlich harsch Annäherungsbereitschaft als Anbiederungsstrategie („Onkel Tom“), James Brown betonte, er sei stolz, schwarz zu sein, und kombinierte das mit einer Überidentifikation mit der weißen Oberschicht (Nixon etc pp) und ihren marktwirtschaftlichen Ideologien , Motown war all black, vermarktete seine Produkte aber sehr betont als „Sound of Young America“ und eben nicht „Black America“, ergänzt um Präsentations- und Benimmtechniken, die den blütenweißen Stil-, Kultur-, Bekleidungs- und Höflichkeitstraditionen der europäischen Aristokratie abgeschaut waren. Und und und.

Ich lese Princes anfängliches Verunklärungsspiel um seine Herkunft als Strategie des Nicht-festlegbar-sein-wollens, genauso wie er in seiner sexuellen Selbstinszenierung aufs permanente Schillern setzte und in der Musik bei aller Verwurzelung in der schwarzen Tradition einen sehr umfassenden Eklektizismus pflegte. Sprich, ich glaube, es ging ganz sicher nicht darum, „harmlos“ zu sein, sondern ums Gegenteil: um eine bisweilen bewusst schrille Selbstermächtigung, ums radikale Beharren auf Eigenheit, Eigenwillen, Eigentümlichkeit; darum, sich konsequent jeder Vereinnahmung, Vorfestlegung und Einengung auf ein bestimmtes Genre, ein bestimmtes Set von Klischees zu entziehen.

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