Re: Der "Tatort"

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minos

Registriert seit: 02.06.2008

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pipe-bowlDie Thematik der privaten Geschichten sehe ich ein wenig anders. Sie geben dem Dortmunder Tatort Würze. Und es ist einfach eine andere Herangehensweise gegenüber den Hauptdarstellern ohne jegliche eigene Geschichte und bedeutet damit eine Abwechslung. Und dass diese Probleme in den Beziehungen oder aus der Historie der Personen nicht sofort einer endgültigen Lösung zugeführt werden, ist doch auch irgendwie realistisch oder ist es eher so, dass ein Vater, der Frau und Kind verloren hat, mal eben schnell therapiert werden kann und alles geht wieder seinen normalen Gang? Da steckt für die Zukunft doch noch Potential drin. Auch die Beziehung zwischen den beiden Youngstern wird doch entwickelt. Das neueste Thema ist z.b. die offensichtliche Alkoholsucht des jungen Kollegen Kossik.

Ich fand die Dortmunder eigentlich immer gut. Es darf nur nicht over the top gehen und die Fälle, die ja nun nicht nur Staffage sind, müssen halt auch etwas bieten. Und da fand ich die ersten Fälle ansprechender als jene aus dem letzten Jahr. Gestern passte es für mich auch wieder. Und wenn dann noch die Rollen gut besetzt sind, wie gestern mit Eggert, Ratte-Polle (welch ein Name!), Borchardt und Kukulies, dann fühle ich mich eben gut unterhalten.

Prinzipiell habe ich nichts dagegen, wenn auch etwas zum Privatleben von Ermittlern in Krimis bekannt wird. Ein vollkommen „steriler“ Oberinspektor Derrick, über dessen Privatleben man auch nach dwölfhundert Folgen ;-) so gut wie nichts erfährt, ist auch nicht grade mein Ideal.
Solange es nicht (hauptsächlich) Bettszenen sind, die wohl aus reiner Effekthascherei im Drehbuch stehen (z. B. bei diesem halbglatzigen Ermittler mit kurzen Haaren im ZDF), ist das für mich OK. Aber auch nur, wenn das Privatleben nebenher läuft und nicht zu breiten Raum einnimmt und im Extremfall die ohnehin beklemmende Atmosphäre weiter verdüstert (so dass man danach fast geneigt ist, sich die Pulsadern aufzuschneiden). Bei den Tatorten aus Dortmund (ich schäme mich übrigens, dass so ein Mist aus meiner Heimatstadt gesendet wird!) stehen die Probleme der Ermittler leider meist im Vordergrund, der Fall selbst ist – vor allem in der letzten Folge – Nebensache. Ein Kommissar, der den tragischen Verlust seiner Familie – verständlicherweise – nicht überwunden hat, des öfteren deshalb ausrastet und offenbar (zumindest latent) suizidgefährdet ist, wäre in der Realität vom Dienst suspendiert (zumindest bis sich sein Zustand bessert). Im Tatort kann er aber munter weiter ermitteln. Hinzu kommt, dass Fabers Probleme und auch die der anderen Ermittler (z. B. der mir von Anfang an unsympathischen Hauptkommissarin Bönisch) sich über alle bisherigen Folgen erstrecken. Guckt man irgendeinen Tatort aus Dortmund, erschließt sich einem daher nicht, weshalb die Hauptdarsteller Probleme haben. Genau so sollte es nicht sein! Das ist viel eher ein Merkmal von Seifenopern wie Dallas oder der Lindenstraße, bei denen am Ende – wie in der vorletzten Folge des dortmunder Tatorts – noch mal Spannung aufgebaut wird (Dienstaufsichtsbeschwerde), damit der Zuschauer beim nächsten Mal wieder einschaltet. Eine Tatortfolge sollte in sich geschlossen sein! Fall gelöst und eventuelle Probleme der Hauptdarsteller (vorerst) abgeschlossen.

Meiner bald 90-jährigen Mutter gefiel der letzte Tatort übrigens auch gar nicht und sie sagte sinngemäß etwas, dem ich nicht widersprechen konnte: „Balko war dagegen richtig gut!“ „Balko“ war eine Krimiserie, die ebenfalls in DO spielte, und in den 1990ern in RTL ausgestrahlt wurde. Zwar war das Drehbuch nicht immer ganz logisch, aber immerhin hatte die Serie (auch wenn ich jetzt gesteinigt werde ;-)) einen gewissen Charme, speziell als Jochen Horst noch die Hauptrolle spielte (Ludger Pistol war in seiner Rolle eh überragend!). (Eine Begründung dazu erfolgt erst, wenn massiver Widerspruch erfolgen sollte ;-))
Auch mir wäre – offen gestanden – ein (aus heutiger Sicht sicherlich etwas fades) Balko-Remake als dortmunder Tatort lieber, als der ganz überwiegende Mist (bis auf eine einigermaßen akzeptablen Folge), den man seit September 2012 als in DO spielenden Tatort (einige Aufnahmen wurden übrigens in Kön gedreht!) aufgetischt bekommt.

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