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Beim Tatort-Gucken hat sich bei mir im Laufe der letzten Jahre eine Art Zwangshandlung eingestellt – immer ungefähr geschätzt zur Halbzeit gucke ich zur Uhr, meistens mit dem zarten Hintergedanken: “ Wie lange geht das denn noch?“ Als ich gestern das erste Mal auf die Uhr schaute mit dem Gedanken im Kopf: „Das soll jetzt aber noch möglichst lange gehen!“, da war es erstaunlicherweise schon 21:25 Uhr statt der erwarteten 20:50 Uhr – also der kurzweiligste Tatort seit Ewigkeiten! Und warum? Weil er unernst war, ohne klamottig zu sein! Weil er frisch und frech Zitate benutzte, die man gar nicht in den Originalkontext zu stellen brauchte, um sie als Zitate zu erkennen! Zu schmähen, es sei bei Tarrantino geklaut – die Coen-Brüder könnte man auch anführen – merkwürdig, dass sie noch keiner erwähnte – ist besonders komisch, denn Tarrantino ist doch einfach der bekennende Verwurster von alles und jedem! Er hätte einen Riesenspaß gehabt, da bin ich sicher.
Und dann die Bildsprache! Klar, der Dschungel war ein Palmenhaus und der Friedhof stammte aus einer Heimatfilmkulisse, aber genau das war so großartig! Diese Sehschablonen, die man da vor die Augen geklatscht bekam. Und die gekidnappte Frau Wächter sitzt erotisch zerrupft in schweren Ketten mit zerzaustem Haar und zerrissenem Kleid aus einem Theaterthron – hatte was aus einem heroischen Gemälde des 19. Jahrhunderts, aber Theater und Gemälde waren ja auch die Klammer für alles.
Ach, gibt uns mehr davon! Denn der Tatort hat sich in seiner klassischen Form leider langsam dank Masse totgelaufen… Und wenn ich um 20:40 Uhr auf die Uhr gucke, um zu sehen, wie lange der Tatort noch braucht – kommt durchaus vor – dann hat die Folge keine Chance mehr.
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Say yes, at least say hello.