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Y: The Last Man
lathoWieso „darf“ man das nicht gut finden?
nail75@latho: Das habe ich den kleinen Bären auch schon gefragt und er konnte mir keine wirkliche Antwort darauf geben. :angel:
Darf man das gutfinden? Bah pfui, das ist Mainstream, das finden plötzlich alle gut. Der eingefleischte Independent-Comic-Leser schreit natürlich gleich „sell out“ und wendet sich lieber den obskureren Werken zu. Was allen gefällt, hat ohnehin zu wenig Ecken und Kanten und kann daher per se gar nicht gut sein.
Aber abgesehen davon, ist Y natürlich auch absolut uncool. Der „Held“ ist ein Weichei. Und die Zeichnerin eine Frau. Und hinzu kommt auch noch das:
Punkt 1: der Stil
Okay, es ist eine Katastrophe passiert. 48 % der Menschheit sind tot. Hört sich das nach Apokalypse an? Ja, irgendwie schon. Aber wo sind sie denn nun, die Endzeit-Szenarien? Die dunklen Gestalten, die düsteren Ecken, die Abgründe der menschlichen Psyche? Jedenfalls nicht in Y: The Last Man. Sehen wir Sin-City-mäßige Schwarzweißmalerei? Sehen wir harte Kanten und Ecken, viel Schwarz, viel Dreck, viel Schatten, wenig Licht, viele Tote, viel Blut, viel Leid? Nein, die Zeichnungen sind lieb, nett und freundlich und tun keinem weh. Höre ich da Friede, Freude, Eierkuchen? Genau das vermittelt der Zeichenstil: Friede, Freude, Eierkuchen.
Punkt 2:
Es ist eine Katastrophe passiert. 48 % der Menschheit sind tot, geschätzte 80 bis 90 % der Führungskräfte. Hört sich das nach Endzeitstimmung an? Nach Chaos? Oder vielleicht nach einem Neuanfang? Nach einer Utopie? Jawohl, Frauen an die Macht! Jetzt, wo die Männer alle tot sind, können die Frauen zeigen, dass sie in Wahrheit das starke Geschlecht sind. Und die Frauen kriegen das eigentlich auch ganz gut hin. Warum erst alle Männer verschwinden mussten, damit die Frauen mal ihr eigenes Schicksal in die Hand nehmen? Na, lassen wir das. Die Prämisse der Serie ist, dass alle Männer tot sind, und die muss man so akzeptieren. Also, Zeit für Utopien. Aber zieht Vaughan seine Utopie bis ins Letzte durch? Nein, die Feministinnen sind alle irre/wurden einer Gehirnwäsche unterzogen. Die Wissenschaftlerin will sich eigentlich nur an ihrem Vater rächen. 711, die große alte Dame dieser Government Organization, deren Namen ich vergessen habe, trauert eigentlich immer noch ihrem Mentor 1451 hinterher. Der Held der Geschichte ist und bleibt ein Mann. Ein Weichei, aber ein Mann. Und so gut sich die Frauen auch schlagen, so tough sie auch sind (ich denke mit Schaudern an 355s Fieberphantasien), es zeigt sich doch bald: Ist nicht im Grunde alles, was Frauen wollen, ein Mann? Und seien wir ehrlich: Ist nicht alles, was Männer wollen, eine Frau? Beth? Yorick? *heul* Zum Teufel mit der Utopie. Letztlich läuft die Serie doch auf folgende Message raus: Geben wir doch zu, dass es ohne die anderen nicht geht. Seien wir doch froh, dass mehr als nur ein Mann auf der Erde übrig ist.
Fühlt sich vielleicht irgendjemand an eine Soap Opera erinnert?
Ich mag’s trotzdem. Ich finde die Serie witzig und die Charaktere sehr gut augestaltet. Ich finde auch nicht, dass es langweilig ist. Außerdem gibt’s ’ne Menge Anspielungen an Filme und Musik.
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C'mon Granddad!