Re: Die besten Forumszitate

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go1
Gang of One

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Zu den interessantesten Beiträgen der letzten Tage gehören die ethnologischen, aus teilnehmender Beobachtung und Befragung gewonnenen Einblicke in das Denken und Treiben jener eigenartigen Ethnie der „Fußballfans“, die sich in den letzten hundert Jahren weit verbreitet hat (die bedeutendsten ihrer Verbände siedeln auf dem europäischen und dem südamerikanischen Kontinent). Die folgenden Zitate von zwei einheimischen Gewährsleuten stehen exemplarisch für die bisherigen Ergebnisse:

bullschuetzIm Fußball schreien zivilisierte Menschen Schimpfworte Richtung Schiri, die sie eben noch ihren Kindern verboten haben – dennoch ist die christlich-humanistische Kulturtradition nicht in Gefahr.
Im Fußball geben vernünftige Menschen den Jubeldeppen bei einem deutschen Tor – deshalb wollen sie aber noch lange nicht nach dem Abpfiff gleich in Polen einmarschieren!
Im Fußball zelebrieren argumentationsfeste Atheisten inbrünstig irgendwelche Aberglaubensrituale, um den Fußballgott zu beeinflussen – das heißt aber nicht, dass sie auch im restlichen Leben gleich eine Kirche gründen und Bundestagshochrechnungen durch strategisch kluges Zigarettenrauchen oder Aufs-Klo-Gehen im richtigen Moment zu manipulieren versuchen.

Ja, Fußball hat was Regressives, ja, auch ich regrediere beim Fußball. Ich bekenne!

gollum@bullschuetz: Ich habe kein Problem damit, auf einen Titel „meiner“ Nationalmannschaft stolz zu sein oder sogar Friedrichs Grätsche als taktisch richtig abzunicken, bei der anderen Mannschaft dafür aber lautstark die rote Karte zu fordern – solange mir im Hinterkopf die platte Widersprüchlichkeit bewusst bleibt. Das bewahrt vor falschen Schlussfolgerungen der Überlegenheit ohne mir die Begeisterung zu nehmen. Grenzwertig wird es für mich, wenn wider die Regeln Friedrichs Rote dem Gefoulten angekreidet oder dumpf der Schiri beschimpft wird, er würde „uns“ benachteiligen.

Der „Schiri“ ist ein besonderer Rollenträger, der bei rituellen Wettkämpfen auf die Einhaltung der Regeln achtet; die „Rote“ zählt zu den Zeichen der Missbilligung bei Regelverstößen (die genaue Bedeutung dieser und anderer Konzepte wird im Abschlussbericht des Forschungsteams erläutert werden). Das erste Zitat macht deutlich, dass in der Zeit der Wettspiele besondere Normen gelten und magische Rituale praktiziert werden; im zweiten werden die Grenzen des moralisch gebilligten Verhaltens angedeutet. Faszinierend ist der Umstand, dass die Befragten sich der Widersprüche ihres Tuns bewusst sind.

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To Hell with Poverty