Re: Hang the DJ

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wolfgang-doebeling
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KICKS ON 45 & 33

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@ Jan Wölfer

Die Single-Version von „Fooled“ hat alles, was ich an The Who immer geliebt habe: Aggressivität, Prägnanz, Rasanz, Dynamik, Pop-Sensibilität, Powerchords, the works.
Die LP-Version von „Fooled“ hat nichts von alledem, dafür vieles von dem, was ich an The Who dann nicht mehr gemocht habe: das Breitgetretene, Aufgeblasene, Monumentale und Prätenziöse.
Anders ausgedrückt: Auf 45 ist „Fooled“ noch Pop, auf „Who’s Next“ bereits Rock. Will sagen:
Dreieinhalb Minuten konzentrierte Wut gegen achteinhalb Minuten ambitionierte Grandezza. Ein zwölfsekündiges Gitarren-Intro gegen ein viermal so langes aus Synth-Gestammel. Ein letzter Urschrei, unvermittelt und überfallartig, dann ein paar Schluß-Akkorde, gegen eine eher torpide Dramaturgie mit etlichen Längen. Da fällt mir die Wahl leicht.
Erst recht – da vermutest Du richtig – weil die 45-Version für uns Who-Fans immer die erste, die definitive, die wahre war. Die Version, die wir hundertmal gehört hatten, lange bevor die LP herauskam. Dazwischen lagen 8 volle Wochen, eine Ewigkeit. Den ganzen Sommer über sickerte die Single in unsere DNA, schon deshalb, weil sie so überraschend fokussiert war, so überaus Song-dienlich und ohne Spirenzchen. Ich hatte ehrlich gesagt nicht mehr damit gerechnet, nachdem „Tommy“ außer „Pinball Wizard“ nur Mumpitz zu bieten hatte. Kannst Du Dir vorstellen, wie befreiend die „Fooled“-Single für einen Who-Fan war, der die Band für „Substitute“ liebte und für den ganzen „See Me, Feel Me“-Quatsch zu hassen begann? Wohl nicht, denn Du schreibst von einem „Edit“, was ja nur technisch und im Nachhinein stimmt. Historisch bestimmt nicht. Höchstens für Leute, die Singles ignorieren und ihre Musikwahrnehmung auf Alben reduzieren. Dumme Menschen mithin, die nicht begriffen haben, daß Pop im Flux ist, daß die Faszination in der Entwicklung liegt, Woche für Woche, und daß diese Lebendigkeit auf der Strecke bleibt, wenn man statisch hört, will sagen: nur einmal im Jahr (so war es früher, inzwischen vergehen zwischen Alben nicht selten mehrerer Jahre, ein Umstand, der eine Menge über den Zustand der heutigen Musiklandschaft aussagt).
Kurzum, so gut „Fooled“ in seiner Rock-Statik auf dieses Rock-Album paßt, so perfekt war es auf dieser Single, nur eben ganz anders.
Ich will nicht verhehlen, daß „Who’s Next“ damals nicht zuletzt deshalb eher eine Enttäuschung für mich war, besonders unter Berücksichtigung des Umstands, daß ihnen auch live der Pop verlorenging zu dieser Zeit und sie plötzlich nur noch Rock zu sein schienen. Meiner Treu, ich kannte Led-Zeppelin-Fans, die anerkennend nickten, wenn der Name The Who fiel. The kiss of death, as far as I was concerned. Der Feind.
Und was „Sympathy“ betrifft: no comparison. Es geht nicht um die Länge/Spieldauer, sondern darum, wozu sie genutzt wird.

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