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@ Jan Wölfer
Ich kann was dafür. Was Deine Ratlosigkeit betrifft, kann ich Dir freilich nicht helfen. Die Beurteilungskriterien dafür, was einen Gitarristen ausmacht, liegen halt meilenweit auseinander.
Zu Deiner „Begründung“: gute Güte! Im „letzten Jahr“ hast Du Lloyd/Verlaine gesehen und letzterer habe „nur sehr mittelmäßig agiert“. Nun, ich selbst habe Verlaine ein halbes Dutzend mal beim mittelmäßigen Agieren erlebt. Und zweimal war er völlig unpäßlich, kaum präsent, fahrig und unkonzentriert. Eigentlich war er bei den letzten drei Okkasionen (alle in jüngerer Zeit) immer recht schwach, während der wackere Lloyd den Löwenanteil der Spielerei übernahm. Das war ihm sogar so peinlich, daß er (Lloyd) den gesamten Auftritt mit dem Rücken zum Publikum bestritt. Wiewohl diese Leute keinen Schimmer hatten, wer dort oben auf der Bühne stand und immerfort Buuuuh! riefen, derweil sie auf Willy DeVille warteten. Ich schweife ab.
Was ich sagen will, ist dieses: man kann einen Künstler unmöglich danach beurteilen, was er zu einem x-beliebigen Zeitpunkt zu leisten imstande ist, schon gar nicht, wenn dieser Zeitpunkt ein Vierteljahrhundert zu spät kommt und dazu noch einmalig ist, also nur eine Momentaufnahme. Wie anmaßend!
Würde ich das tun, würde wohl kein Gitarrist vor mir bestehen. Ich habe Hendrix lausig erlebt, Keef einige Dutzend mal unter Niveau, ja selbst den einzigartigen James Burton an einem lustlosen, launigen Abend. Pete Townshend übrigens auch und zwar mehr als einmal. Daran würde ich den guten Pete (der übrigens in besagter Liste nicht weit abgeschlagen war) aber niemals messen. Zum Glück habe ich ihn auch anders erlebt. Und James. Und Jimi. Und Keef.
Und, hier schließt sich der Kreis, Tom Verlaine. Bei diversen Gelegenheiten. Im New Yorker Max’s Kansas City, 1977. Und im Londoner Lyceum Ballroom, das muß 1978 gewesen sein: Lloyd brillant, auf seine solide, disziplinierte Art. Verlaine aber grandios, von überwältigender Präsenz, fiebrig, fulminant. Fuckin‘ unforgettable. Dafür und für „Marquee Moon“ und für „Call Mr.Lee“ und etliches andere schätze ich ihn, dafür habe ich ihn gelistet. Das Erratische in seinem Spiel/Oevre nehme ich da gern in Kauf, für mich ist das allzeitige, berechenbare Funktionieren für einen Künstler zweitrangig. Nein, drittrangig.
Kurzum, ich bewerte Verlaines Glanztaten als Gitarrist höher als die von Pete Townshend. Und sämtliche Verlaine-Aufnahmen höher als „Tommy“ (das aber nur nebenbei).
@ Otis
Er hat öfter solche Spirenzchen gemacht, an seiner Seite meist Leute wie Campbell, Russell und Nitzsche. Was in diesem speziellen Fall dahintersteckte, weiß ich nicht (werde ich aber eruieren). Mein Verdacht: der Ronettes-Take war im Kasten und sollte schnell auf 45 raus, ein weiterer Track war aber gerade nicht zur Hand. Weshalb man dieses seltsam tapernde Stück Musik bannte, morgens um vier. Und um halb zehn war das fertig gemixte Tape bereits auf dem weg zu Philles. Immerhin fielen die Mechanicals für beide Seiten an und wer die Publishing-Rechte hielt, muß ich nicht erläutern. Es war ja leider öfter so, daß die Rückseiten von Philles-Singles einen, sagen wir, nachhaltig B-seitigen Charakter hatten. Nicht schlecht, mind you, nur abseitig.
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