Re: Hang the DJ

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wolfgang-doebeling
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KICKS ON 45 & 33

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Hörenswert im Sinne von kaufenswert und von einiger musikalischer Bedeutung: keine.

Ist aber ein wenig komplizierter. Ich habe vor etlichen Jahren ein Album von ihr besprochen, das mir ihre Mutter geschickt hatte. Mit einem sehr persönlichen Anschreiben, in dem sie das tragische Schicksal ihrer Tochter beschrieb und erklärte, sie wolle alles tun, um das musikalische Vermächtnis Evas einem größeren Publikum zugänglich zu machen, weil es doch die Musik gewesen sei, die Eva in ihren letzten Monaten so viel Kraft gegeben habe.
Wie gesagt, ich schrieb ein kurzes Review, ein paar Zeilen nur, in dem ich auf die Umstände hinwies, Eva eine gute Stimme attestierte, die Aufnahmen aber als ansonsten nicht erwähnenswert bezeichnete. Darauf erhielt ich von ihrer Mutter, die in USA lebt, einen mehrseitigen Dankesbrief, handgeschrieben, tränenreich. In die Frage mündend, ob ich denn bereit wäre, ein Gespräch mit dem Mann zu führen, der sich Evas Aufnahmen angenommen hätte, über Fragen von Produktion und Marketing. Es handele sich dabei um einen „celebrity rock star“. Ich verspürte nicht die geringste Lust dazu, mochte Evas Mutter diesen Wunsch aber nicht abschlagen.
Ein paar Nächte später, so um 4 Uhr früh, klingelte mein Telefon und eine Stimme am anderen Ende fragte, ob es schon zu spät sei „in Germany“ für ein Gespräch über Eva Cassidy. Es war Mick Fleetwood. Er gab sich als Cassidy-Fan zu erkennen und erwartete in mir einen Gleichgesinnten zu finden. Und war entsprechend enttäuscht, als ich ihm meine zwar durch Sympathie für die Künstlerin gefilterte, am Ende aber doch wenig begeisterte Sicht der Dinge schilderte. Meine Bedenken hinsichtlich des faden Backings der mir bekannten Aufnahmen verstand er nicht. Es stellte sich heraus, daß ein mit ihm befreundeter Produzent daran herumgefeilt hatte. Goodnight, Mick.
Der Rest ist Geschichte. Zwei Jahre später kam der große Durchbruch für Eva im UK, bewerkstelligt mit einem TV-Special, das die Nation so rührte, daß „Songbird“ eine viertel Million mal verkauft wurde. Und seither werden Evas alte Tapes gemolken, indem man sie aufmotzt und mit scheußlicher Musik unterlegt. Für eine mittlerweile internationale Fangemeinde, die für riesige Auflagen sorgt. Es sei Evas Mutter gegönnt.
Wahr ist freilich, daß niemand, der etwas von Musik und vom Singen versteht, mit diesen Platten viel anfangen kann. Eva Cassidy war als Sängerin nur Mittelmaß, sie chargierte, überbetonte, sang oft am Wesen des Songs vorbei, ganz in der Emphase für das Material gefangen, nachempfindend, gefühlig. Entsprechend erreichen/begeistern ihre Platten auch nur Leute, die sonst gern Phil Collins und Chris De Burgh hören und sich von Celine Dion zum Weinen bringen lassen. Kurzum, zum Weinen.

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