Re: "Stars" im Dschungel

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gudrun

Registriert seit: 14.06.2003

Beiträge: 350

Ich gebe offen zu: ich habe die Sendung ab dem zweiten Drittel regelmäßig gesehen und fand sie unterhaltsam. Die Aufregung um die angebliche Verblödung des Fernsehens allgemein und die Niveaulosigkeit dieser Sendung im Speziellen verstehe ich nicht, bzw. finde ich in weiten Strecken sogar doppelmoralinsauer (aber von euch kommt jetzt keiner auf die Idee, dass ich ihn oder sie persönlich meine, bitte!).

Bereits seit Jahren tourt Rüdiger Nehberg durch die deutschen Lande mit seiner Show, in der es u.a. auch um den Verzehr uns ungewohnter Nahrung geht. Survival-Camps in der Eifel oder dem Taunus sind gerade in Managerkreisen ebenfalls seit Jahren ein Renner. Die Thematik, ganz grob gesprochen, ist also weder wirklich neu noch wirklich spektakulär. Aber unterhaltsam und interessant. Abgesehen davon behaupte ich, dass jeder was verpasst hat, der nicht im Laufe seiner Kindheit mal einen Regenwurm essen musste als Mutprobe oder mit einem Seil um den Bauch irgendwo heruntergelassen wurde etc.

Ebenfalls unterhaltsam und interessant ist die Beobachtung gruppendynamischer Abläufe unter ungewohnten Bedingungen, insbesondere Verzicht auf gewohnten Luxus und (den Luxus) individueller Rückzugsmöglichkeit. Eine Situation, der brutale Eltern jedes Jahr tausende von Teenagern, manchmal sogar Kindern aussetzen, indem sie sie in Zeltlager und auf Freizeiten des CVJM, der Kirchengemeinde oder ähnliche Einrichtungen schickten.

Was tritt bei der Sendung noch hinzu? Der Kick des „real life“. Okay, darüber konnte man schon bei Big Brother geteilter Meinung sein und ich persönlich bin auch nicht der Mensch, der es unbedingt notwendig findet, zwecks Unterhaltung von Fernsehzuschauern einem Menschen jegliche Privatsphäre zu rauben. Wobei ich noch einen Unterschied zwischen Privatsphärenverlust durch das enge Zusammenleben mit anderen für kurze Zeit (in einem Jungel-Camp oder auch einer schweizer Berghütte) und dem Privatsphärenverlust durch die potentielle Übertragbarkeit jeglicher Lebenssituation via Bildschirm sehe. Allerdings muss ich da hinsichtlich der Umsetzung sagen: keine Probleme. Aus meiner Sicht. Auch die Tränen und emotionalen Ausbrüche der Teilnehmer gehören dazu, weil sie die Situation real wiederspiegeln. Genauso wie die Lästereien. Will wirklich ganz Deutschland behaupten, soetwas nie selber auf einer Freizeit mit 12 -16 Jahren erlebt zu haben?! „Armes Deutschland, ihr habt was verpasst!“ möchte ich da fast sagen.

Einziger kritisierter Punkt von mir: manche Jungel-Prüfungen. Wobei ich nicht die Idee an sich schlecht finde, im Gegenteil. Die Kinder müssen ja beschäftigt werden den ganzen Tag. *g* Auch die Herausforderung, die Konfrontation mit Tieren ungeliebter Art finde ich nicht so problematisch, dass es einer Aufregung wert wäre. Allerdings fand ich persönlich alles, was eindeutig und ausschließlich die Ekelgrenzen austesten sollte, namentlich Aalschleim und Fischinnereien, schlicht unnötig. Daraus zieht weder der Teilnehmer noch der Zuschauer einen besonderen Lustgewinn und das ist aus meiner Sicht auch das, was die ganze Sache letztendlich manchmal grenzwertig machte.

Ansonsten war offensichtlich, dass die „Natur“, in der das ganze spielte, künstlich angelegt war. Zudem gehe ich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon aus, dass die Teilnehmer zu keinem Zeitpunkt einer abschätzbaren Lebensgefahr ausgesetzt waren, sprich: die Tiere nicht ernsthaft giftig waren (und die Teilnehmer auf eventuelle Allergien getestet) etc.

Alles in allem: man kann geteilter Meinung darüber sein, ohne Zweifel. Aber ich sehe keinen Grund, in dieser Sendung den Bodensatz der deutschen Fernseh- Unkultur zu erblicken. Mich hat’s jedenfalls unterhalten, ich stehe dazu und ich würde es wieder tun.

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Offline bin ich viel netter.