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Julian Cannonball Adderley (as,ss) besitzt für mich eine besondere Bedeutung.
So um 1983 rum habe ich zum erstenmal den 1966 produzierten Titel Mercy, Mercy, Mercy gehört, der sich als Single in USA 800.000 mal verkaufte. Von da an bekam ich über verschiedene Wege erst den richtigen Zugang zu Jazz. Deshalb will ich mal diesen Thread aufmachen (auch auf Anregung von atom), um auf diesen Menschen (geb. 1928, verstorben 1975) aufmerksam zu machen.
Es begann Mitte der 50er als Cannonball nach New York kam und schon bald ab 1955 einige Alben aufnehmen konnte. Ziemlich zügig wurde er von Miles Davis entdeckt, der ihn unbedingt in seiner Band haben wollte und Cannonball war auch bei den Referenzalben Milestones und Kind Of Blue dabei. Parallel dazu gründete er sein Quintet zum zweitenmal und Miles Davis revanchierte sich, indem er auf der SOMETHIN’ ELSE mitwirkte, dem einzigen Blue Note Album von Cannonball.
Die Zeit vor 1958 war die Anlaufphase, in der Cannonball hin und wieder mit Charlie Parker verglichen wurde.
Seine beste Zeit, in der er mit Quintet und Sextet durchgängig 5 Sterne Hardbop ablieferte war sicherlich von 1958 bis 1962.
Ich habe rückwärts neben anderen folgende Alben nachgekauft, mit denen ein Einsteiger in nahezu beliebiger Auswahl feststellen kann, ob er mit Cannonball etwas anfangen kann. Da sie als Reissues derzeit günstig oft zwischen 6 und 7 Euro zu erhalten sind, nenne ich sie mal (alle zwischen 1958 und 1962)
· Somethin’ Else (58) DER Klassiker für Interessierte, die aus der Richtung Miles Davis / Coltrane zu Cannonball stossen. Miles Davis in Topform. Meisterwerk.
· Things Are Getting Better (58) Statt einem 2. Bläser ist hier Milt Jackson (vibes) dabei. Funktioniert auch und gibt dem Ganzen eine individualistische Note. Aber ein Album zusammen mit Milt Jackson reicht wohl und Cannonball hat es wohl genauso gesehen.
·· Takes Charge (59) Nach der Anschubunterstützung von Miles Davis und Milt Jackson, nun ohne diese Stars in Quartetbesetzung. Aufgrund des hier fehlenden zweiten Quintetbläsers geht’s musikalisch eher wieder einen Schritt zurück Richtung Bebop. Das Besondere, Eigene fehlt mir etwas. Aber natürlich hohe Qualität und es wird durch die ausgeprägten Soli klar, warum Miles Davis ihn unbedingt in seiner Band haben wollte.
·Quintet in San Fransicso (59) Hier taucht zum 1. Mal der geniale Piano-Hardbopper Bobby Timmons an den Tasten auf. Das von ihm komponierte „This Here“ (12 min) ist schon klasse. Egal ob in dieser Version oder in Späteren.
· Them Dirty Blues (60) Meine Empfehlung Nr. 1 ! Das erste Studio-Album in der legendären Quintet-Besetzung und mit seinem Bruder Nat. Und dann auch noch aus der Feder von Nat der zeitlose HardBop Hit Work Song als Opener. Das ist DER Cannonball, der mich packt. Cornet und as im treibenden harmonischen Zusammenspiel und zugleich improvisierend.
· The Poll Winners (60) Nachdem Cannonball und seine Sidemen bei den alljährlichen Jazz-Polls ordentlich abgesahnt haben, nahm er sich diesmal noch einen Poll-Winner als 5. Mann rein – Wes Montgomery (guitar). Wes Montgomery geht dabei meines Erachtens etwas unter. Er ist doch eher der verspielte Typ, der sich hier im Kontext von 4 Kraftprotzen behaupten muss. Aber trotzdem absolute Empfehlung auch dieses Album
· Quintet At Lighthouse (60) Wer ein Live Album in Betracht zieht, ist mit diesem bestens bedient. Bei 4 Titeln von 7 erhält man zudem einen Eindruck der Magie der Conferencier-Präsenz von Cannonball. Er soll ja teilweise bis zu 3 Minuten die einzelnen Titel angesagt haben. Hier sind natürlich jeweils nur bis zu 20 Sekunden-Ansage drauf. Beste Soundqualität in einem kleinen Live-Club. Meines Erachtens mit knappen Vorsprung das beste Live-Album vor ihm (häufig wird jedoch Nippon Soul = The Japanese Concerts genannt – soll nicht verschwiegen werden)
· What Is This Thing Called Soul (60) Aufgenommen in live Paris, Götheburg und Stockholm. 6 Hardbop-Kracher von Cannonball sind drauf. Ist meines Erachtens nicht ganz so homogen wie andere Live-Alben. Aber als „Einstiegs-Live-Album“ ganz passend, weil eben keine Füller drauf sind. Quasi ein Best Of Live.
· Know What I Mean (60) Ein eher relaxtes, balladeskes Album. In klassischer 4er Besetzung incl Bill Evans. Diesmal ausser Cannonball kein weiterer Bläser. So bleibt viel Raum, dass auch der ausgezeichnete Bill Evans am Piano Akzente setzen kann.
·Quintet Plus (61) Wieder Hardbop. Bruder Nat ist wieder am cornet dabei. Victor Feldman nach meiner Chronologie erstmals (?) an den Tasten. Hervorragend.
· Sextet in New York (62) Hier erweiterte er sein Qunitet zum Sextet. Die finanziellen Spielräume wurden größer ? Zusätzlich dabei Lateef an fl, ts, der Wiener Joe Zawinul taucht auch zum ersten Mal am Piano auf und gibt schon ganz latent die Richtung für die späteren Jazz-Soul Sachen vor. Im direkten Vergleich ist für mich die Lighthouse (2 Jahre zuvor einnehmender). Sehr schön ist die 2-minütige Eingangsansage von Cannonball, in der er dem Publikum in ruhigen Worten erklärt, warum sie jetzt gerade in New York ein Live Album aufnehmen.
Daneben gibt es noch besondere Alben im genannten Zeitraum, von denen ich vor allem folgende Beiden schätze:
· Cannonball Adderley Quintet & Nancy Wilson (62)
· Bossa Nova (62)Direkt nach 1962 gibt schon auch noch formidable Alben, z.B. The Japanese Concerts = Nippon Soul. Aber alles jetzt durchzuhecheln wird zuviel.
Mitte der sechziger bewegte sich Cannonball zunehmend hin zu neuen Einflüssen. Und manche sagen auch, dass er ab Mitte der 60er dann SoulJazz machte, der im eingangs genannten „Hit“ Mercy, Mercy, Mercy (1966) gipfelte. Manche kritisierten auch, dass er damit popularisierender wurde. Die gleiche Diskussion wie man sie 40 Jahre später auch immer wieder im Rockbereich hört. Ich teile diese harsche Kritik nicht, konsistiere aber, dass die Phase von 58 bis 62 wohl die kreativste war.
Die 2. Anregung für einen Einsteiger wäre somit: Man suche sich einen Sampler oder Compilation, auf denen Mercy, Mercy, Mercy enthalten ist. Falls man nichts damit anfangen kann UND sonst auch wenig Bezug zu Jazz besitzt: GO TO bisherigen Hörgewohnheiten.
Die Sachen, die dann zwischen 1967 und 1975 und posthum veröffentlicht wurden, wenden sich wohl eher an den Komplettisten. Ich hab aus dieser Zeit schon auch 7 Alben, aber diese sind samt und sonders etwas stärker an Nicht-Jazz-Puristen gerichtet, aber beileibe kein grausamer Fusion-Jazz. Eben halt B-Ware eines Markenproduktes.
Also wer einen Jazzer dicht hinter den Größen der ersten Reihe kennenlernen möchte, schnappe sich eines der genannten Alben oder mindestens eine Compi, auf der eine Version von Work Song, This Here, Sack’o Woe oder Mercy Mercy Mercy drauf ist. Qualität ist damit gegeben. Es müsste sich an sich ein erster fundierter Eindruck mit dieser Vorgehensweise gewinnen lassen.
Das Gesamtwerk ist ziemlich unübersichtlich. Nach den mir vorliegenden Infos, gibt es Veröffentlichungen auf 20 ! verschiedenen Labels. Von den dabei genannten 76 Alben besitze ich 26 und darüber hinaus noch weitere 12. Ob diese 12 Bootlegs , Compis oder wegen Verwertungsrechten nur unterschiedliche Titel sind, ist mir an dieser Stelle im Forum zu aufwendig zu hinterfragen und anhand von Aufnahmedaten zu vergleichen.
Es scheint jedenfalls auch eine komplizierte Zeit hinsichtlich Rechte gewesen zu sein, denn in Einzelfällen taucht Cannonball als Sideman auch unter anderem Namen auf: Spider Johnson, Buckshot La Funque, Ronnie Peters , Jud Brotherly, Blockbuster. Oder war das nur eine humorvolle Spielerei ? Man weiss es nicht.
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Werbungtoller eingangspost, doug.
frage: ist es das mercy merc von don covay?
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FAVOURITESOriginally posted by otis@20 Feb 2004, 18:34
frage: ist es das mercy merc von don covay?Nein ist es nicht.
Mercy Mercy Mercy ist eine Joe Zawinul – Nummer, auf die man inzwischen in Duzenden Versionen stossen kann (von Marianne Mendt bis zu den Ventures :) , wenn meine Quelle verlässlich sind)
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Originally posted by dougsahm@20 Feb 2004, 21:33
Nein ist es nicht.Mercy Mercy Mercy ist eine Joe Zawinul – Nummer, auf die man inzwischen in Duzenden Versionen stossen kann (von Marianne Mendt bis zu den Ventures :) , wenn meine Quelle verlässlich sind)
ebenfalls danke für deinen ausführlichen u. interessanten eingangspost, lieber dougsham.
kleine schlaumeierei von mir:
mercy, mercy ist von don covay und wurde unter anderem von den stones und den 13th floor elevators gecovert.mercy, mercy, mercy ist von zawinul. gecovert wurde es unter anderem von count basie, buddy rich und jaco pastorius.
es scheint da noch ein drittes m.m.m. zu geben von einem gewißen watson. ist das johnny guitar watson?- u.a. gecovert von den creation.--
Mercy Mercy Mercy – Exkurs
@ starship: Ja, es ist wirklich kompliziert mit dieser Nummer.
1. Mercy Mercy Mercy
Die Versionen von Johnny Guitar Watson und Creation kenne ich. Und die haben die „Melodie“ der Zawinul-Komposition, nur eben mit nachträglich hinzugefügtem Text. Wobei es mir unklar ist von wem der Text kommt.
Einerseits ist auf einer Creation-CD in den Liner-Notes zu lesen, dass der Text von Johnny Guitar Watson kommt. Zusammen mit einem gewissen Williams (Vorname unbekannt).
Andererseits ging ich bisher davon, dass Eddie Jefferson derjenige war, der als erster einen Text hinzufügte. Von ihm habe ich eine LP von 1968, bei der er sich selbst als Textautor angibt.
Wahrscheinlich wieder ein Fall für urheberrechtliche Hintergründe. Es kann ja jeder mal probieren, sich selbst als Textautor anzugeben.
Jedenfalls ist der von Dir angeführte Watson = Johnny Guitar Watson.
Aber die Nummer ist die Gleiche.
2. Verwechslungsgefahr Nummer 1
Mercy Mercy (die Don Covay – Nummer). Ist beim Hören aber auseinanderzuhalten, denn diese Nummer beginnt textlich immer mit “ Have Mercy”.
3, Verwechslungsgefahr Nummer 2
Mercy Mercy Me (The Ecology) von Marvin Gaye und diverse Cover davon
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@:
die von dir angeführten aufnahmen aus dem jahr 1962 mit nancy wilson kenne ich leider nicht. zur zeit höre ich gerne female-voice jazz. die muß ich mir unbedingt einmal zulegen.
ich weiß, man sollte keine amazonbilder posten, aber dieses hübsche, chicke, safrangelbe kleid von nancy sollte man niemandem vorbehalten: :)wie sagte cannonball adderley mal: Hipness ist not a state of mind, it’s a fact of life
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Originally posted by starship@22 Feb 2004, 11:24
wie sagte cannonball adderley mal: Hipness ist not a state of mind, it’s a fact of lifeExakt … So hat er die New Yorker auf seiner Eingangsansage des obigen Live Albums (In New York) eingewickelt. Sehr schön.
Exkurs: Nancy Wilson
Das ist ein sehr schönes, aber zugleich ungewöhnliches Album. Es sind 12 Titel drauf.
Titel 1-7: Nancy Wilson in Topform, wie wenn sie die Leaderin des Quintets wäre. Der Rest hält sich unterstützend dezent zurück. Damit waren aber nur ca. 21 Minuten voll (7xca.3 Minuten)
Titel 8-12: Von Nancy ist kein Ton zu hören und das Quintet trumpft in Studio-Bestform auf.
Ich glaub der Cannonball wollte der Nancy einfach unter die Arme greifen und sie in die Öffentlichkeit rücken. Und zu mehr als diesen 7 Titeln hats vom Material oder von der Zeit her nicht gereicht.
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das war sicher eine gute idee von ihm.
was ich weiß, hat ja zawinul bei ihm angefangen. gab es da noch andere musiker die durch ihn bekannt wurden?--
Originally posted by starship@22 Feb 2004, 15:32
gab es da noch andere musiker die durch ihn bekannt wurden?So richtig breit ausgeprägt war das nicht. Vielleicht könnte man noch Blue Mitchell und Wes Montgomery nennen, die am Anfang ihre Bekanntwerdens aber auch nur wenig mit ihm machten (machen durften/konnten/wollten ?). Ansonsten wars meistens die gleiche Clique Hardbopper, wenn auch unterschiedliche Besetzungen.
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Nachtrag:
Ich persönlich hab mir in den 80ern viel auf LP's gekauft und die letzten Jahre im Prinzip die identischen besten Alben zusätzlich auf CD – fast immer bei 2001, wo regelmässig was anderes reinschneite.Gerade wollte ich schauen, was derzeit 2001 führt.
Überraschung: Keine CD aber 3 x Vinyl und zwar sehr gute reguläre Alben.
To whom in may concern:
LP Adderley Quintet, Cannonball „PLUS“
Mit Nat Adderley, Sam Jones, Louis Hayes, Victor Feldman & guest artist Wynton Kelly. Riverside. LP 4,99 EUR. Nr. 75149.LP Adderley Sextet, Cannonball „IN NEW YORK“
Featuring Nat Adderley and Yusef Lateef. Recorded live at the Village Vanguard January 1962. Riverside. LP 4,99 EUR. Nr. 75150.LP Adderley Sextet, Cannonball „NIPPON SOUL: recorded in concert in Tokyo.“
Featuring Nat Adderley and Yusef Lateef. Riverside. LP 4,99 EUR. Nr. 75695.--
spielt yusef lateef auf diesem album tenorsaxofon oder flöte bzw. oboe?
lateef war ja einer der ersten worldmusiker lange bevor es dieses wort gab. mir persönlich gefällt er auf der flöte besser, die hat was orientalisches.--
Originally posted by starship@23 Feb 2004, 08:32
@dougsahmspielt yusef lateef auf diesem album tenorsaxofon oder flöte bzw. oboe?
lateef war ja einer der ersten worldmusiker lange bevor es dieses wort gab. mir persönlich gefällt er auf der flöte besser, die hat was orientalisches.Laut Liner-Notes spielt er alle 3 Instrumente.
Mit seinen kulturübergreifenden Sachen kenn ich mich nicht so aus. Aber ich habe u.a. eine wohl vergriffene LP von 1957 – Jazz for the Thinkers – , die nur wegen dem Cover so heisst und nicht weil wie kopflastig wäre. Falls die mal jemand second Hand über den Weg läuft. Mitnehmen.
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was manche leute eigentlich so gegen kopflastige musik haben…?
heutzutage hört man eher aus dem bauch raus. ich hab da bei mir noch kein ohr entdeckt. ;)der tip mit nancy u. cannonball war 1a. hab sie mir gerade angehört. sehr elegant.
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Vielen Dank an dougsahm für diesen Thread und für die sehr schöne Einleitung.
Mein Einstieg in das Cannonball Universum war das Stück Nardis, welches Miles Davis für die Aufnahmesession des Albums Portrait Of Cannonball schrieb. Eine der wenigen Kompositionen, welche Davis im Übrigen nie selbst aufgenommen hat. Es folgten Somethin' Else, Know What I Mean? und einige weitere Riverside Einspielungen.
Einen ganz besonderen, für mich absolut neuen Klang bei Adderley eröffnete mir das Album Experience In E. Ein Werk, welches Adderley im Quintett und großem Orechester unter der Leitung von David Axelrod einspielte und fast schon Bitches Brew Züge annimmt.
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Hey man, why don't we make a tune... just playin' the melody, not play the solos... -
Schlagwörter: Cannonball Adderley, Hard Bop, James Clay, Jazz, Nat Adderley, Soul Jazz
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