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Ich hab gestern was von Rendezvous mit Archie Shepp im Kino erwähnt … da geht es um die Filme von Sarah Maldoror (1929-2020), von denen einige gerade in Zürich gezeigt werden. Ich hatte die Regisseurin letztes Jahr beim Il Cinema Ritrovato in Bologna mit der „Karneval-Trilogie“ entdeckt, drei Dokumentarfilmen, vor dem Coup 1980 in Guinea-Bissau gedreht und teils auch schon mit jazzigen Klängen unterlegt (Infos z.B. hier).
Die erste Begegnung mit Jazz bei Maldoror war mir im Voraus schon klar: als sie 1967 in Algerien ihren ersten Kurzfilm drehte, Monangambééé, und danach mit dem Material nach Paris zurückkehrte, traf sie dort das Art Ensemble (of Chicago inzwischen, aber noch ohne Don Moye) und die erklärten sich bereit, den Film ohne dafür bezahlt zu werden, zu vertonen. 17 Minuten, die meisten davon mit freier Improvisation unterlegt – leider mit schlechter Qualität, da im Gegensatz zum Bild keine Elemente mehr vorhanden waren, von der aus eine neue digitale Version erstellt werden konnte – der Ton musste wohl von den (wie es scheint nicht sehr gut) erhaltenen Filmrollen übertragen werden. Eine Geschichte über die Folter von Menschen, die sich gegen die portugiesische Kolonialmacht in Angola auflehnen (wo natürlich kein Dreh stattfinden konnte). Ein eindringlicher Film, für den Maldorors Mann, der Politiker und Dichter Mário Pinto de Andrade, mit ihr und Serge Michel zusammen das Drehbuch schrieb. Dieses beruhte wie auch ihres 1972 entstandenen, dasselbe Thema in den Mittelpunkt stellenden, Langfilms „Sambizanga“ (der Name eines Viertels von Luanda), auf einem Drehbuch von José Luandino Vieira (Der Film wurde in Kongo-Brazzaville gedreht, mit vielen angolanischen Rebellen und überhaupt nur Laiendarsteller*innen und auch hier was die Musik anbelangt alles sehr eindringlich, aber kein Jazz). Das Art Ensemble taucht im Film nicht auf, aber die spätere Version der Band war letztes Jahr in Paris zur Maldoror-Ausstellung im Palais de Tokyo und Junius Paul hat auf Instagram ein Gruppenfoto geteilt, auf dem auch Annouchka de Andrade zu sehen ist, die eine der beiden Töchter, sie sich seit einigen Jahren um das Werk ihrer Mutter bemühen (ich hab sie letztes Jahr in Bologna bei der Einführung der Trilogie erlebt, letzten Montag, bei „Monogambééé“ und „Zambizanga“, war die andere Tochter anwesend, Henda Ducados, nicht nur für eine kurze Einleitung sondern danach auch noch zum Gespräch).
Gestern kam dann noch Archie Shepp dazu, in einem sehr tollen Kurzfilm, der 2003 in Paris und Mailand (und in der Oper von Cremona, in die Scala durften sie wohl nicht) auf Super 8 (oder Super 16? siehe folgende Posts) gedreht wurde (man konnte auf der Kinoleinwand fast die Pixel zählen), Scala Milan AC. Eine Schulklasse aus dem 20. Arrondissement in Paris beteiligt sich an einem Wettbewerb, bei dem eine Reise nach Mailand zu gewinnen ist – und eine Clique, die gemeinsam eine Art Musik/Rap/Tanzgruppe bildet, gewinnt diesen Preis (wobei die beiden Mädchen, die auch dazu gehören, beim Dreh in Italien dann fehlen, da sind nur noch die vier Jungs … eine der jungen Frauen wird in den Credits aber auch extra genannt, vermutlich neben Shepp die einzige unter den Mitwirkenden, die ein wenig bekannt war? Die Gruppe gehörte wohl auch nicht zur Klasse, wird jedenfalls auch separat als Gruppe genannt). Die jungen Leute drehen jedenfalls ein kreatives Portrait ihres Viertels, sind selbst als Vögel immer wieder im Bild, bewegen sich z.B. mit den typischen Kopfbewegungen von Tauben als Tatzelwurm durch den Markt, erkunden allerlei Winkel und begegnen auf dem Cimetière du Père-Lachaise einem älteren Mann, der dort sitzt und Saxophon spielt. Sie bewundern ihn und fragen, wer er denn sei („Achie Shepp, bien sûr!“), und ob er ihnen bei ihrem Projekt helfe. Das tut er dann auch tatsächlich und bringt ihnen erstmal Swing bei … ein wunderbares Kleinod! (Die Fotos, die ich im Netz finden konnte, sind nur ein wenig schlechter in der Auflösung als der Film selbst – der wurde halt wirklich so ähnlich (siehe folgende Posts) gedreht, wie die Kids das im Film selbst tun, mit kleinsten digitalen Handkameras – und klar passt es da, dass man sich in den Credits am Ende bei Agnès Varda für ihre Unterstützung bedankt.)
(kursiv: nachträglich ergänzt, siehe unten)
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #165: Johnny Dyani (1945–1986) - 9.9., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba