Antwort auf: Jazz aus Südafrika: Jazz Epistles, Moeketsi, McGregor, Dyani, Pukwana, Feza, Masekela etc.

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Blue Notes – Blue Notes for Johnny | Am 18. August 1987 führen die Blue Notes eine traurige Tradition weiter: sie kommen zusammen, um einen Verstorbenen zu ehren. Dieses Mal ist das Johnny Dyani. Im Gegensatz zu den langen, freien Stücken für Mongezi Feza gibt es dieses Mal acht Stücke (sechs Tracks), auf der CD noch drei Alternate Takes als Beigabe. Mit „Funk Dem Dudu“ von Dyani geht es los, das nahtlos in „To Erico“ (Pukwana) übergeht (zwei Stücke, ein Track, davon am Ende ein Alternate, nachdem schon eins von nur „Funk Dem Dudu“ und danach noch eins von „Eyomzi“ zu hören war. Dieses ist das zweite Stück des Albums, auch von Dyani und eins dieser typischen mitreissendn Riff-Tunes, wie es auch bei der Brotherhood gut ins Repertoire gepasst hätte (warum Dyani dort lange nicht zugegen war, was der Streit war, der dazu führte, habe ich bisher nicht herausgekriegt, vielleicht steht ja im Dyani-Buch irgendwo was dazu). Das Stück ist auf dem Album von „Together“ von Witchdoctor’s Son als „Johnny’s Kwela“ zu hören. Es folgt Dyanis Arrangement vom Traditional „Ntyilo Ntyilo“ mit einem schönen Piano-Intro von McGregor und ein paar gesprochenen Worten (eine Art Ansage, nachdem direkt davor am Ende von „Eyomzi“ Dyanis Name gerufen wurde). Pukwana spielt hier ein Sopransax mit breitem Ton à la Bechet (oder ein wenig Lacy – völlig anders als der stets eng gehaltene, kontrollierte – sehr, sehr schöne! – Ton von Stabbins).

Die zweite Hälfte beginnt mit Bop-Riffs von Pukwana, die in den „Blues for Nick“ (Pukwana) münden, bei dem ich auch heute wieder an Sonny Clark denke (wie als ich das Duo-Album von Joe Bonner mit Dyani hörte – ich hörte ja die Tage gerade wieder einmal die ersten beiden Alben von Clark an). Man hält Rückschau und hat ja längst viel mehr verloren als Dyani. Nick Moyake, der in der Zeit in Südafrika zur Band gehörte, lebte von ca. 1933 bis ca. 1966. Er war der älteste in der Band, wurde in Europa krank und litt unter Heimweh. 1965, als die Gruppe nach London weiterzog, kehrte er zurück – und starb nach ein oder zwei Jahren an einem Hirntumor (alles laut Wikipedia – die Soul Giants mit Dennis Mpale und Barney Rachabane widmeten ihm ca. 1968 das Album I Remember Nick). „Monks & Mbizo“ ist dann eine doppelte Hommage von McGregor/Moholo – ich nehme an „Monks“ ist „Mongs“, also Feza, nicht der 1982 verstorbene US-Pianist Monk), hier gibt es zwischen Piano-Tupfern, Beckenschlägen und kaum hörbaren Besen auf der Snare geflüsterte Beschwörungen, bis das Stück nach zweieinhalb Minuten – weiterhin ohne Saxophon – allmählich Form annimmt. Mit dem packenden Groove von „Ithi Gqi“ (Dyani, auch „Appear“ und „Pukwana“, zu hören auf „Blue Notes in Concert Vol. 1“, „Rejoice“ mit Feza und Temiz, „African Bass“, „Afrika“ sowie Moholos „Spirits Rejoice“ – Links zu allen Alben im Index im ersten Post) läuft die Band nochmal zu Hochform auf, Pukwana spielt ein wildes Solo und wechselt dann nochmal an Sopransax, bevor das Stück am Ende in „Nkosi Sikelele l’Afrika“ übergeht. Ein jubilierender Abschluss, der einmal mehr diese Mischung aus Trauer und Freude bietet, die die Musik der südafrikanischen Exil-Musiker so besonders macht.

Der erste Bonustrack ist „Funk Dem Dudu“ überschrieben und es klingt ein wenig so, als würde Pukwana hier nach einem Stück des Second Quintet von Miles Davis suchen – am Sopransaxophon und über eine tollen Groove von McGregor/Moholo, der anders aufgebaut ist als auf dem Opener des Albums. Der Groove ist auch im zweiten Take von „Eyomzi“ toll – wie der ersten Bonustrack wirkt auch dieser freier, spontaner, weniger poliert … vielleicht etwas gar zu roh für auf das Album. Dann nochmal „Funk Dem Dudu“ (inkl. „To Erico“ dieses Mal) – und hier kann man quasi der Bandwerkstatt bewohnen. Pukwana spielt jetzt Altsax, der Groove ist aber noch näher am ersten Take (#7 der CD, ohne „To Erico“). Für meine Ohren sind diese 19 Minuten Extra-Material sehr aufschlussreich, um das etwas kontrollierte Album in die richtige Perspektive zu rücken: die relative Verhaltenheit und Kontrolliertheit ist nicht Produkt der Trauer sondern war wohl genau das, was die drei Musiker, die durchaus auch ruppigere, offenere Musik spielten an diesem Tag, auf dem Album haben wollten.

Manchmal blitzt in dieser Session eine ähnliche Bestimmtheit auf wie in „Blue Notes for Mongezi“, aber das Trio hält sich zurück, die Stimmung wirkt etwas gedrückt, aus der Trauer entstehen hier keine Explosionen sondern nachdenkliche und wahnsinnig schöne Grüsse an den, an die Verstorbenen. Was ich hier sehr geniesse ist, McGregors grosse Präsenz, sein Klavierspiel, das auch in dieser reduzierten Besetzung sehr band-dienlich ist, eine Art arranger’s piano bleibt, aber doch viel Raum erhält und in relativ eng gestecktem Rahmen auch tolle Soli zu bieten hat. Auch in der Beschränkung kann Freiheit gefunden werden – und den Eindruck habe ich bei dieser Session immer wieder. Zudem ist das vorzüglich aufgenommen, in den Redan Studios in London von Roger Wake (das CD-Mastering übernahm Martin Davidson).

Louis Moholo viel später im Interview und kurze Video-Schnipsel vom Konzert der Blue Notes in Antibes – die Energie und Dedikation dieser Musiker ist schon unglaublich.

Chris McGregor starb am 26. Mai in Agen (Frankreich) im Alter von 53 Jahren. Das geplante Duo-Album von McGregor und Moholo kam leider nicht mehr zustande, denn bevor eine Session hätte organisiert werden können, starb Dudu Pukwana am 30. Juni 1990 in London. Er wurde nur 51 Jahre alt.

Auf der Chimurenga-Website gibt es ein längeres Interview von 2015, das John Eyles mit Louis Moholo-Moholo geführt hat. Der rückt da nochmal die Dinge zurecht:

[Several times in the interview, Moholo is keen to counter the view that Chris McGregor formed and led The Blue Notes. Currently, the only book about the band is by Maxine McGregor, Chris McGregor’s widow, and unsurprisingly it puts him at the centre of the story. Moholo is writing a book that will give his version of The Blue Notes story, the black version.]

After that, it seems that the next significant development was meeting Chris McGregor..

LM: Chris seems to be playing a very important part in our music. But we did meet some other people before we met Chris McGregor. When we met Chris McGregor, he met us as well. I always find it so difficult that [view that] King Chris McGregor came along and rescued us like Captain Marvel. He did not really. We did him a favour. There were no white musicians that could do it like we did. I am not the only drummer that played with him. Some other black drummers played with him. But those black drummers were better than the white drummers, I’m sorry to say. So we did him a favour. We joined forces together, rather than him coming and looking for a drummer. I demonstrated my drums to him. I was on the case. When we met up – me, Dudu, Mongezi, Johnny Dyani, Nick Moyake, Chris – we were on the case already. There is a lot involved in what we did, how we met Chris and for what reason. And I will put them in my book.

There was a festival that was happening in Cape Town and Chris McGregor came to look for me, he had heard of me. I went to the festival, playing with Ronnie Beer and some other cats, Tete Mbambisa, Danayi Dlova, Sammy Maritz, Bob Tizzard on trombone. And he heard me from then. There was a competition and I won the prize then, in conjunction with another cat called Early Mabuza who was a great SA drummer, and we shared first prize. From there The Blue Notes happened. It was like all-stars in the beginning.

And because Chris was white, things would go smoothly for him. He could talk the language of the white guys, he could enter into offices that I wouldn’t be allowed in. We used to play concerts in places where my mother wouldn’t be allowed in.

I wonder if the band would have lasted if it had remained in SA. The chances are that it wouldn’t have survived because of apartheid and the state of emergency whereby any black people more than three would be arrested straight away. A lot of trios, quartets and quintets disbanded because of this. And I was a bit political. So if we had stayed in SA, I think we would have been fucked up. The Boers would have succeeded in breaking us up. Fortunately, we had an appointment at the Juan-Les-Pins jazz festival that saved our beef. We never went back. For a good ten years we didn’t go back. First, Dudu and Chris went for a short spell. I followed. Mongezi never did and poor Johnny never did as well.

https://chimurengachronic.co.za/the-sound-of-freedom

Blue Notes Poster von hier:
https://electricjive.blogspot.com/2012/06/blue-notes-journey-of-faith.html

Am selben Ort gibt es auch Scans einer Promo-Broschüre, die vor der Reise nach Europa gedruckt wurde – darin gibt es kurze Biographien der sechs Musiker, wobei noch Samson Velelo am Bass aufgeführt ist:

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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #165: Johnny Dyani (1945–1986) - 9.9., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba