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Larry Stabbins / Keith Tippett / Louis Moholo-Moholo – Live In Foggia | Ich hatte das neue Album vom Trio Stabbins/Tippett/Moholo schon erwähnt, als ich ihr „Tern“ hörte – gestern ist die CD angekommen und heute habe ich etwas Zeit (weitermachen bis in die Neunziger kann ich noch nicht, weil eine Sendung aus England seit Ende Juli auf sich warten lässt, leider ohne Tracking). Die Neuheit dokumentiert einen Auftritt im nach Umberto Giordano benannten Konservatorium in Foggia (Apulien) am 23. November 1985, den ersten Gig einer Italien-Tour, die Riccardo Bergerone damals organisierte (ihn hab ich Jahre später auch mal kennengelernt, beim einzigen Mal, als ich Tippett live hörte – mit und ohne Moholo … am Tag nach dem zweiten Konzert durfte ich mit ihm zusammen Hazel Miller zurück zum Bahnhof begleiten). Nach dieser Tour spielte das Trio noch „a couple of concerts in London and one in Greece“ und dann war Schluss. Stabbins spielt Sopran- und Tenorsaxophon sowie Flöte, Tippett und Moholo an Klavier und Drums setzen auch ihre Stimmen ein und Moholo spielt auch Bass. Als dritten Text auf der Hülle gibt es auch ein paar Sätze von Sergio Balletti, der damals – mit Bergerone und Roberto Ottavianos Hilfe – das Konzert in Foggia organisiert und die hier veröffentlichte Aufnahme verantwortet hat. Er nennt Bari und Rom als weitere Stationen der Tour, bei denen er und seine Frau damals auch dabei waren (es ist von der Formulierung her unklar, ob es weitere gab und sie einfach nur bei den beiden auch zugegen waren).
„The trio was a joy to play in and it was pretty much my dream combination at the time, working with two musicians whose music I loved and who I’d always had enormous respect for. I had known Keith since I started playing with him when I was 16 years old in 1966 and had played in several of his later groups, while Louis I first met during a brief spell in the Brotherhood of Breath in 1971 and later I sometimes played in his Spirits Rejoice! groups. They had an amazing, uncannily telepathic understanding of each other, born of years of really close association in the Ogun family of bands and which gave them the freedom to often do the unexpected. So playing with them as a trio often felt like trying to stay afloat on a raging torrent of ideas streaming from the two of them never knowing what was coming next, which really kept the music vibrant with constant inspiration.“ – So die erste Hälfte von Stabbins‘ Liner Notes zur neuen CD. Er fügt an, dass Motive aus dem „Tern“-Konzert auch hier wieder auftauchen (die beiden hier verwendeten Titel, „The Greatest Service“ und „Shield“, sind die der letzten zwei Segmente von Tern, „Shield“ dasjenige, das auf der CD weggekürzt wurde), dass das Trio aber nie einen Plan hatte, bevor es zu spielen begann.
Ottaviano (der bei den Konzerten mit Tippett und Moholo auch dabei war) hat den zweiten Text für die Hülle geschrieben und erklärt die Mechanismen dieser faszinierenden und – auch in den stillen Momenten! – äussert intensiven Musik. Verglichen mit den anderen Bands von Tippett, in denen Stabbins oft mitwirkte (Centipede, Ark, Tapestry, das Septett etc.), „this trio places the musicians in a setting with greater individual breadth, where interplay and intensity navigate between pre-composed motifs – used as vehicles for a more ‚guided‘ improvisation toward certain atmospheres – and a practice based entirely on spontaneous creativity. This approach establishes a distinct identity compared to similar ensembles.“
Tatsächlich wirkt das freie, manchmal wirklich sehr dicht und laut aufspielende Trio „so tight it0s hard to believe that much of the music wasn’t prearranged“ (nochmal Stabbins im Rückblick mit seinem Eindruck beim Hören des Foggia-Konzertes). Das ist wirklich tolle Musik, weit ab von freien Blowing-Marathonen („Tern“ kommt mir etwas zu oft als ein solcher vor), das Trio geht durch ganz unterschiedliche Stimmungen, Stabbins spielt recht lange Querflöte, Tippett bearbeitet auch das Innere des Klaviers, es gibt eine Art „Cembalo“-Passage und dann so um 40 Minuten herum einen fabelhaften Groove, in dem die linke Hand und Moholo den Groove vom Kap aufleben lassen. Der zweite Teil, 27 Minuten lang, beginnt sehr intensiv, aber eigentlich spielen alle nur Kürzel und kleine rhythmische Figuren – Stabbins am Sopransax auf zwei, drei Tönen, Tippett mit wiederholen Akkorden, Moholo mit immer dichteren polyrhythmischen Geflechten … irgendwann finden sie zusammen, bleiben ein paar Minuten dabei – und lassen das Sopransaxophon dann allein. Tippett steigt dann wieder ein, später auch Moholo, es entwickelt sich eine Art Rubato-Ballade. Daraus wird ein kurzes Klaviersolo im Diskant, dann ein Moment des Innehaltens, Applaus, doch Moholo setzt gleich wieder an mit einem schnellen Beat, dazu bläst Stabbins (oder Moholo?) in eine Pfeife, Tippett steigt auch gleich wieder mit ein und dann ist Stabbins in den letzten Minuten am Tenorsax zu hören. Ein phantastischer Mitschnitt, so zumindest mal mein erster Eindruck.
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #165: Johnny Dyani (1945–1986) - 9.9., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba