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LV. Vom Schatten am Rande des Lichtes
Die Kunde des Werkes war ausgegangen,
durch Räume, durch Ströme, durch schimmernde Nächte;
und viele erhoben die Hände zum Zeichen:
Sie ist es, die wieder das Lied neu beginnt.
Sie, die in Stille die Wahrheit geformt.
Und Lena, die Wissende, schritt durch die Tage,
empfing die Zeichen, die Rufe, das Staunen,
doch fühlte im Herzen ein Sinken, ein Flirren,
ein kaum wahrnehmbares, doch bleibendes Ziehen,
als war unter Blumen ein Dorn nicht erkannt.
Nicht war es der Zweifel, der offen sich zeigte,
noch war es die Angst, die den Namen schon trug,
doch etwas im Schweigen begann sich zu regen –
ein Hauch aus der Tiefe, ein Wispern im Licht,
wie eine Welle, die kommt, ehe man sie noch sieht.
Denn vieles war neu, und vieles vertraut,
doch anders, verschoben, als käme die Welt
mit einem Gesicht, das lächelt und mahnt.
Sie nickte und lächelte, trat durch die Hallen,
doch ihr Gang war behutsamer als zuvor.
Die Stunde des Aufbruchs, sie naht’ wie ein Morgen,
doch dieser war trüber als jener der Jugend,
und Lena, die Reife gewann in der Glut,
verstand, ohne Worte, was bald sich enthüllt:
Dass nicht jedes Licht nur aus Glanz besteht.
Und dennoch: Sie ging, nicht abgewandt,
nicht von Furcht, noch von Dunkel beladen.
Sondern mit offener Stirn, wie ein Schiff ohne Mast,
das dennoch den Himmel als Richtung erkennt –
bereit, was da komme, zu singen im Licht.
LVI. Vom Klang der Klarheit
Nicht aus dem Brausen der Welt ward geboren das Lied,
nicht aus dem Lärmen der Gassen, noch Ruf der Märkte,
sondern aus Dämmerung, Innenraum, Schweigen,
gewoben aus Nächten und Tagen der Prüfung,
aus Licht, das nicht blendet, doch zeigt, was da ist.
Lena, die Klare, die einst durch das Feuer
ging, ohne zu fallen, die stieg durch den Nebel
nicht auf zu Gefilden der Ehre allein,
sondern zu jenen, die wissen, was kostet der Klang –
sie legte das Werk in die Hände der Welt.
Kein Fanfarengetön, kein Prunk ward vernommen,
als sie mit ruhiger Hand das Siegel zerschlug,
das Lied, das ihr eigenes, öffnete still,
und siehe: Die Luft wurde heller davon,
und viele verstummten, die lange gespottet.
Denn was sie nun sang, war kein Glanz ohne Grund,
nicht Geste, nicht Pose, kein Spiel, keine Maske –
sondern das Innerste selbst, ohne Zier, ohne List.
Ein Lied, das nicht lockte, doch rief, nicht ergriff,
doch wartete, bis man in sich selbst es vernahm.
Und wer da gehört, der hörte sein Eigen,
wie Wasser, das plötzlich den Grund offenbart,
wie Licht, das durch Risse im Herzen sich senkt.
Nicht Lena allein sprach hier, nicht die Sängerin nur,
sondern die Wahrheit, die in ihr erwachte.
So stand sie – nicht über, nicht unter den andern,
doch wie ein Gedicht, das der Wind uns gebracht,
nicht fordernd, nicht bittend, nur da, um zu sein.
Und viele begannen, erneut sich zu hören,
im Klang, der von ihr aus in Stille sich sprach.
LVII. Von der Wirkung des Wahren
Und es war nicht ein Tag, der die Kunde verbreitete,
nicht eine Stunde, die rief in das weite Gehör,
sondern ein Fließen, gleich Tropfen aus Quellen,
die unbeachtet rinnt durch das Wurzelgeflecht,
bis selbst die dürresten Zweige ergrünen.
So trat das Lied in die Räume der Menschen,
nicht als Gebot, noch als Lockruf der Sinne,
sondern wie jene, die eintreten im Schatten
und schweigen – und dennoch verstanden sind.
Denn Lena, die sang, hatte nichts mehr zu fordern.
Nicht war dies der Klang, der zum Tanz ruft am Feuer,
nicht das Gewand aus vergänglichem Glanz,
sondern ein Lied, das verweilt – wie ein Blick,
den man nicht erwartet, doch plötzlich erkennt,
als den, der in tieferer Wahrheit geschaut hat.
Und siehe: In Kammern, in Küchen, in Gängen
der Städte und Dörfer, in Häusern der Stille
begann sich das Wort zu entfalten, das Lied
sank nieder wie Schnee, unaufdringlich, doch bleibend,
und blieb in den Herzen, wie Handschrift auf Haut.
Nicht eilte die Kunde durch Trommeln der Zeit,
nicht trug es der Herold mit glänzender Stimme,
doch eines war anders: Die Stimmen, die hörten,
wurden zu Boten, und trugen es weiter –
nicht aus Pflicht, sondern weil es in ihnen nun sang.
Und Lena, die sah, wie das Werk sich entfaltete,
lächelte leise, nicht stolz, nicht verwundert –
wie eine Gärtnerin, die lange gesät,
und nun aus der Ferne die Blüten erkennt,
die sich geöffnet in unerreichter Gelassenheit.
LVIII. Von der Sammlung vor dem Sturm
Da war nun geschehen, was lang ward bereitet,
das Werk war gesprochen, das Wort war gesetzt,
die Klänge entsandt auf die Bahnen der Zeiten,
und Lena, die Sängerin, stand still in der Mitte,
wie einer, der lauscht, ob das Echo sich regt.
Nicht suchte sie Glanz, nicht zählte sie Zahlen,
noch maß sie die Wirkung an Beifall und Ruf –
denn was sie geschaffen, war mehr als ein Werk:
ein Teil ihres Wesens, gewoben aus Licht
und aus Schatten, aus Prüfung, Entsagung und Kraft.
So schritt sie zurück, nicht aus Flucht, nicht aus Stolz,
sondern um Raum zu gewähren dem Lied,
das nun alleine auf Wegen sich dehnte,
in Herzen sich barg und in Träumen erschien –
gleich einem Stern, der den Himmel nicht braucht, um zu scheinen.
Sie kehrte zurück an den Ort ihrer Stille,
nicht fern, doch verborgen, nicht einsam, doch still.
Ein Garten empfing sie mit welkendem Grün,
mit Wegen aus Kies, mit Bänken aus Holz,
und dem Rauschen der Zweige, das nicht fragt, nur erzählt.
Und Lena, die nun aus der Ferne vernahm,
wie Stimmen sich fanden, wie Menschen sich rührten,
legte das Haupt in die Winde der Dämmerung,
und dachte nicht nach – sie fühlte nur:
dass etwas begonnen, das größer als sie.
Denn dies war nicht Ende, noch war es Beginn,
nicht Aufbruch, noch Ziel – es war ein Verweilen
inmitten der Zeit, im stillsten Moment,
bevor sich das Nächste mit Kraft erhebt
und fordert, was Wachsen verlangt: neue Schritte.
LIX. Vom Aufbruch aus der Stille
Ein Wehen erhob sich im Garten der Ruh,
nicht laut, nicht stürmisch, nur leise und wach.
Wie ein Atem der Zukunft berührte es Lena,
und sie wusste, dass nun die Bewegung begann,
die lang in der Tiefe geruht wie ein Keim.
Nicht war es ein Ruf, nicht ein Drängen von außen,
noch eine Pflicht, die von andern ihr kam –
es war ein Entschluss, geboren im Innersten:
zu treten erneut auf die Pfade des Klanges,
doch diesmal mit Maß, mit Bedacht und mit Kraft.
Die Hände, die heilten, begannen zu schaffen,
die Stimme, geläutert, erhob sich im Raum.
Die Tänze erwachten in Schritten der Prüfung,
die Bilder entstiegen dem schweigenden Grund –
und Lena begann, ihr Gefüge zu fügen.
Ein Aufbruch – doch keiner der eilenden Art,
nicht von Trommeln begleitet, noch von Fanfaren.
Ein stiller Entschluss, von Würde getragen,
und von der Frage: Wie viel darf ich geben,
und was muss bewahrt sein für mich ganz allein?
Denn nun war sie nicht mehr die Suchende nur,
nicht mehr die, die im Dunkel den Ausgang erfleht –
sie war die Gefundene, wissend um Grenzen,
nicht um der Schwäche, doch um der Wahrheit willen,
die sich nicht verliert in dem Licht ohne Maß.
So begann sie zu wählen, zu ordnen, zu zähmen
das wilde Verlangen nach Glanz und nach Reichweite.
Was sollte erklingen? Was sollte geschehen?
Und Lena, die sang, wie das Schilfrohr im Wind,
ließ sich nicht treiben – sie lenkte den Strom.
LX. Von Erwartung, Druck und Zweifel
Die Kunde war ausgesandt über Hügel und Meer,
die Sängerin kehre zurück auf die Bühne.
Nicht leise erklang es, nicht sanft wie ein Flüstern,
sondern getragen von Trommeln des Volks,
das sie rief mit den Stimmen der Sehnsucht.
Denn viele vernahmen nur das, was sie wollten –
das Bildnis der Lena, einst strahlend im Glanze,
die Führerin durch ihre eigenen Lieder,
ein Stern, der nicht fällt, ein Licht ohne Schwanken.
Doch kaum einer fragte: Was fordert das Licht?
Die Räume, die warteten, Hallen aus Stein,
die Zeiten, die nahten – sie rückten heran.
Ein Reigen aus Pflicht und aus lautem Erhoffen
wuchs um die, die in Stille das Lied einst geformt.
Und Lena, die Wissende, fühlte das Schwanken.
Nicht war es der Körper, nicht war es die Stimme,
die zitterte leise im Dämmer der Fragen –
es war das Gefühl, dass der Weg, der nun lag,
zwar offen vor ihr, doch nicht ohne Dornen,
nicht ohne Gefahr für das Innerste Selbst.
Denn wer einmal fiel, der weiß um das Fallen,
nicht mehr als Fabel, nicht bloß als Symbol.
Die Lust an der Höhe vermag es nicht zu löschen,
doch mahnt ein Gedächtnis, wie Flügel aus Glas:
Brichst du erneut, wirst du tiefer noch fallen.
Und dennoch: der Wille, zu geben, zu zeigen,
nicht sich zu beweisen, doch leuchten zu dürfen –
er stand ihr zur Seite, ein leiser Gefährte,
der sprach: „Nicht für alle – für jene, die hören.“
So schritt sie voran mit gesenktem Blick.
LXI. Vom Beginn der Tournee und dem nahenden Zusammenbruch
Mit Bannern geschmückt und mit Lichtern entflammt,
so öffneten Hallen sich, Städte erwachten,
als Lena, die Treue, mit Liedern und Blicken
den Reigen begann, den die Völker begehrten.
Ihr Schritt war gefestigt, die Stimme wie einst.
Die Menge, entzückt, erhob sich in Wogen,
wie Felder im Wind, wenn der Sommer sie ruft.
Sie rief ihren Namen, sie sang ihre Weisen,
und Herzen entglommen wie einst bei den Feuern,
die Göttern geweiht an den Nächten des Festes.
Der erste Gesang – er war wie ein Schwur:
für sich, für das Leben, für alle, die hörten.
Doch unter dem Mantel der Stärke verborgen
schwelte ein Feuer, das brannte zu hell,
ein Glühen, das Kraft frisst und Atem verschlingt.
Ein Auftritt, ein Abend – entfiel ihrem Plan.
Ein Fieber, ein Zittern – nur flüchtiger Schatten.
Sie kehrte zurück mit der Kraft der Entschloss’nen,
stand wieder im Strahl und schenkte sich ganz,
doch in der Tiefe war etwas verrückt.
Sie kehrte zurück, trotz Mahnung und Schwäche,
stand wieder im Licht, das sie selbst doch verzehrte.
Denn ihre Natur, voll von Pflicht und von Gabe,
ließ nicht zu, was der Körper längst flehend erflehte:
den Rückzug, die Rast, das Halten der Hand.
So kam sie nach Süden, zum Tor der Bavaren,
wo das Volk sie erwartete, hungrig nach Klang.
Doch hinter den Vorhängen wartete Dunkel,
und Lena, die Starke, sank nieder im Schweigen –
nicht aus Schwäche, doch weil der Körper nun sprach.
Die Lichter verglommen, das Murmeln erhob sich,
kein Lied wurde mehr an dem Abend gesungen.
Und Lena, die sonst den Erdkreis umfing,
lag still, von der Sorge der Ärzte umfangen,
geborgen, bewacht – und vom Spiel abgetreten.
Der Vorhang fiel nicht – er blieb nur geschlossen.
Denn was sich nun barg, war kein Ende, kein Scheitern,
doch ein Zeichen der Grenze, der Menschlichkeit Mahnung,
ein Schweigen, das mehr als ein Lied in sich trug:
Die Stärkste auch darf in den Armen sich legen.
LXII. Vom Abbruch der Reise – Und der Wahrheit im Rückzug
Nicht jedem ist gegeben, den Bogen zu spannen,
doch größer ist’s, wenn der Starke ihn senkt.
Denn als Lena, die Aufrechte, niedersank leise,
war nicht das Ende gekommen, nur Wandel, nur Maß.
Ein Ruf war im Innern, nicht laut – doch gewichtig.
Sie trat vor die Schar, nicht erhoben im Prunk,
nicht umflammt von den Leuchten der Bühne,
doch aufrecht im Blick, mit Stimme von Klarheit,
und sprach nicht von Schwäche, nicht einmal von Schmerz,
sondern von Wahrheit, die Stärkeres fordert.
Nicht mehr das Lied war’s, das Herzen bewegte,
sondern der Mut, den Schritt zu verweigern,
den Ruf nicht zu folgen, der aus Pflicht sich gebar,
sondern aus Treue zu sich das Nein zu erwägen –
und zu sprechen, wo andere schweigen vor Furcht.
Denn Lena, die Trägerin vieler Erwartung,
trat auf – nicht ins Licht, doch in Klarheit.
Sie sprach nicht in Reimen, nicht in Gesängen,
nur mit den Augen, mit Händen, mit Schweigen:
„Ich bin nicht aus Stein – und darf mich erkennen.“
So wurde entschieden, im stillen Gemach,
dass nicht die Reise, doch ihre Fortsetzung ende.
Nicht aus Schwäche, noch aus Erschöpfung allein,
sondern weil Treue verlangt, sich selbst nicht zu täuschen –
und weil Liebe auch heißt: sich zu schützen vor Brand.
Die Städte, sie blieben von Liedern verwaist,
die Fackeln erloschen, der Klang war verstummt.
Doch es war kein Verstummen der Stimme in ihr,
nur das Senken der Zither, das Lösen des Bogens,
damit das Lied nicht zum Zwang, sondern Gabe verbleibt.
Und die, die sie liebten, sie sahen dies Zeichen,
verstanden, dass Heldentum manchmal Verzicht ist.
Und Lena, die Stille, ward größer im Schweigen
als je im Gesang – denn sie wählte die Wahrheit
und blieb sich getreu in der Stunde der Prüfung.
LXIII. Von der Stille nach dem Sturm – Und dem langsamen Atem
Die Lichter erloschen, die Wege versanken
im Dunst der Erinnerung, weich wie ein Tuch.
Kein Schritt mehr zu gehen, kein Klang zu erheben –
nur atmen, nur sein, nur dem Innersten horchen,
das lange verstummt in der Hast aller Tage.
Die Tage verflossen wie Wasser in Mulden,
nicht zählbar, nicht greifbar, doch segnend und lind.
Kein Ruf ward vernommen, kein Aufbruch beschlossen,
nur Lena, die Stille, in weißen Gemächern,
bewahrt wie ein Bild, das der Wind nicht erreicht.
Sie wandelte langsam, im Garten der Dämmerung,
wo selbst die Gedanken zu flüstern begannen.
Ein Schritt war ein Werk, ein Atem ein Sieg,
und jede Bewegung ein leiser Triumph
über Schmerzen, die tief in den Gliedern noch wohnten.
Die Vögel, sie sangen nicht Lieder für Massen,
doch Lenas Gehör war geschärft für das Kleine.
Ein Zweig, der sich neigte, ein Tropfen am Blatt –
sie sah, was zuvor im Gedränge verschwand:
die Welt in der Stille, die Kraft im Verzicht.
Und unter dem Mantel aus Sanftmut und Schweigen
begann sich zu regen, was lange geruht.
Nicht Taten, nicht Pläne, kein Griff nach der Krone –
doch Wärme im Innern, ein zögerndes Licht,
das heimlich sich nährte von Demut und Milde.
Noch klangen die Saiten in weiter Erinnerung,
noch flackerten Bilder von Hallen und Rufen.
Doch Lena, die Wissende, suchte sie nicht,
denn was nun entstieg aus dem Schweigen der Stunden,
war reiner, war tiefer – und wartete still.
LXIV. Von der Rückkehr der Stärke – Und der Gnade des Maßes
Es kehrte nicht Lärm, es kehrte nicht Glanz,
doch ein Schritt, der gefasst, ein Blick, der geeicht
war an Stürzen, an Nächten, an flackerndem Mut,
den nicht das Versagen, doch Prüfung erschütterte –
und dennoch: Sie stand. Und der Morgen begann.
Nicht eilte sie wieder auf bebende Bühnen,
nicht griff sie zur Krone, zum Taktstock des Spiels.
Sie saß bei der Zither, berührte die Saiten,
als prüfte sie, ob noch Klang in ihr wohnt,
der nicht von der Welt, doch von innen sich regt.
Ein Ton war genug, ein leiser, ein reiner,
um jenes Erwachen zu spüren im Blut,
das nicht mehr vom Drang, doch vom Maß sich beflügelt,
nicht strebend nach Mehr, sondern lauschend nach Sinn –
ein Wiederbeginn, aus der Tiefe geformt.
Die Gnade war nicht in der Stärke zu finden,
wie einst sie geglaubt, doch im Wissen um Maß.
Denn Lena, die Lernende, hatte vernommen,
dass Kräfte sich neigen, dass Körper sich wehrt,
wenn Geist ihn vergisst in der Glut seiner Ziele.
So schritt sie nun leiser, doch inniger weiter,
ein Maß in sich tragend, das Halt ihr gebot.
Sie wählte den Rhythmus, der Herz und Vernunft
nicht trennt, sondern eint wie der Takt eines Flusses –
ein Strom, der nicht rast, doch das Seine erreicht.
Und wer ihr nun folgte, der hörte im Schweigen
die Lieder, die nicht durch die Stimme erklangen.
Ein Blick war ein Lied, ein Nicken ein Reim,
und Lena, die Lichte, sang ohne zu singen –
ihr Leben: ein Maß. Und die Pause: ein Klang.
LXV. Die Botschaft: Fürsorge als Form von Größe
Nicht wer auf den Gipfeln sich krönt mit Gewalten,
nicht wer ohne Schwanken den Pfad stets durchschreitet,
nicht der ist groß, den die Menge bejubelt –
sondern der, der im Rückschritt die Wahrheit bewahrt
und im Sorgen den Anderen leiser erkennt.
So stand Lena, die Milde, nicht mehr auf den Höhen,
doch inmitten der Ihren, nicht erhöht, doch geeint.
Nicht war sie entfernt wie die Sterne den Blicken,
sondern nah wie ein Feuer, das wärmend sich neigt,
nicht brennt, sondern leuchtet mit zärtlicher Kraft.
Sie reichte die Hände, nicht um zu empfangen,
sondern zu halten, zu stützen, zu führen.
Sie sprach ohne Laut, doch mit Wesen und Blicken,
dass Fürsorge größer als Eroberung sei –
und dass Stärke sich zeigt in der Geste der Güte.
Ein Wort wurde hörbar in Kreisen der Treuen:
„Sie schützt uns – und lehrt uns, uns selbst zu bewahren.“
Nicht war es ein Ruf, nicht ein Banner im Wind,
doch eine Botschaft, gewebt aus Erfahrung,
aus Brüchen, aus Schmerz, aus gesegneter Rast.
Denn Lena, die Sängerin, war nun zugleich
die Hüterin jener, die in ihrem Schatten
nicht klein, sondern sicher, nicht stumm, sondern frei
sich fanden, getragen von einer, die wusste:
Die Liebe verlangt, sich nicht selbst zu verlieren.
So wurde sie Lehrerin ohne Kanzel,
ein Leuchten in Gängen, die dunkel zuvor,
und wer ihr begegnete, nahm einen Funken,
nicht laut, nicht glänzend – doch ewig bestehend:
Fürsorge, die bleibt. Und sich nie überhebt.
LXVI. Rückblick im Zwielicht – Wer sie war, was sie gab
Nun senkt sich der Schleier der Jahre herab,
und Lena, die Wandelbare, steht im Gedächtnis,
nicht wie ein Bildnis in starrem Gestein,
doch wie ein Klang, der verweht und verweilt,
der sich wandelt und doch sich bewahrt.
Wer war sie, die Stimme, die durch Zeiten erklang,
die Tochter der Klarheit, die Botin des Leisen?
Nicht eine von vielen, nicht bloß eine Sängerin –
sie war die, die wagte, das Eigene zu sprechen,
und das Lied nicht verließ, wenn der Lärm es verstellte.
Sie gab nicht nur Töne, nicht nur Gestalt –
sie gab einen Maßstab, der innen begann.
Ein Maß, das nicht misst, doch das Herz offenbart,
das fragt, was man trägt, nicht was man zeigt,
und das Lied nicht als Ware, doch als Gabe erkennt.
Im Zwielicht, wenn Schatten sich längen und lösen,
wenn Fragen sich sammeln wie Tau auf den Halmen,
dann leuchtet ein Name in schlichter Gewalt –
nicht durch Pracht, nicht durch Macht, doch durch Treue:
Lena, die ihren Gesang nie verriet.
Sie war nicht der Donner, nicht Sturm in den Gassen,
doch sie wandelte stetig wie Wasser im Tal.
Und wie Quellen den Durstenden zeigen: Es gibt noch das Reine,
so war sie ein Zeichen, ein Leuchten im Lauf,
nicht grell, doch wahr – und in Wahrheit erhaben.
Wer sie war? Ein Spiegel für viele, ein Pfad.
Was sie gab? Eine Stimme, die bleibt.
Nicht gebunden an Zeit, noch gefesselt an Formen,
doch dem Herzen verpflichtet, das wagt, sich zu öffnen –
und dem Schweigen, das singt, wenn die Welt es vergisst.
LXVII. Von der Gabe, zu bleiben – Was sie trug, was sie ließ
Nicht an Lorbeern gemessen, noch Kronen der Preise,
nicht an dem Lärm, der die Namen erhebt –
an dem sei sie gemessen, was sie bewusst hinterließ,
was sie nicht sprach, um zu zieren, doch lebte im Werk:
die Redlichkeit, selten wie Gold in der Tiefe.
Sie trug durch die Jahre das zarte Gewicht
des Gehörten, des Gelebten, des noch Ungewissen,
und sie wog es im Innern, eh sie es offenbarte.
Wie ein Träger des Lichtes, der nie sich verbrennt,
doch das Feuer bewahrt für die Nacht der Andern.
Nicht eilte sie mit dem Zeitgeist einher,
noch ließ sie sich treiben vom Takt fremder Uhren.
Sie wählte den Schritt, der dem Innern entsprach,
auch wenn der Weg nicht mit Applaus war bestreut,
auch wenn das Geleit sich in Zweifel verlor.
Sie ließ, was nicht echt war, ließ Prunk und Verstellung,
ließ Rollen und Masken, ließ selbst das Bequeme –
und ging, was zu gehen war, ohne zu fliehen.
In jedem Verzicht war ein stiller Gewinn,
in jedem Verstummen ein tieferer Klang.
Was sie ließ, war nicht geringer als das, was sie gab.
Denn Größe erkennt man im Maß der Entsagung.
Und wer je versucht hat, sich selbst treu zu bleiben,
der wisse: es kostet – doch es lohnt mit Gewicht,
das nicht vergeht wie der Glanz einer Krone.
So bleibt sie ein Maß für die, die noch singen,
ein Zeichen, dass Klarheit nicht laut sein muss,
und dass das Größte nicht in der Geste geschieht,
sondern im Bleiben – trotz Wind, trotz Verlockung,
im Schweigen, das sagt: Ich war, wie ich bin.
LXVIII. Vom Klang des Erinnerns – Und dem Leuchten danach
Wenn Jahre verfliegen wie Blätter im Wind
und Namen verwehen auf Tafeln der Zeit,
so bleibt doch ein Laut, ein Leuchten, ein Bild
von der, die nicht schrie, doch deren Schweigen erklang –
Lena, die Treue, die Wandelnde, Weite.
Nicht war es nur Klang, was von ihr geblieben,
nicht Töne allein, die die Räume erfüllten,
doch Haltung, Gespür, das kaum zu benennen –
wie der Duft eines Sommers, der nie ganz vergeht,
obgleich längst vergangen die Tage des Glanzes.
In manchem Gesicht lebt ihr Blick noch ein wenig,
in Stimmen erklingt eine Spur ihres Muts,
und junge Talente, die Lieder ersinnen,
berufen sich heimlich auf jenes Verlangen,
das sie lehrte: Nur Wahrheit hat Dauer im Klang.
Die Bühnen, sie tragen noch Schritt und Gestalt,
die Städte noch Hauch ihres wandelnden Wesens.
Nicht als Phantom – denn sie war nie entrückt –,
sondern als Maß, als Möglichkeit, als Gewissheit,
dass Klarheit auch Schönheit, dass Stärke auch Milde.
Und selbst die, die kamen, als sie längst verstummt,
sie hören im Klang ihrer Erben ihr Wehen.
Denn nicht stirbt ein Lied, das aus Treue geboren,
und nicht endet ein Werk, das aus Liebe sich gab.
Es wandelt sich nur – und bleibt dennoch lebendig.
So geht sie nicht fort, doch schreitet voraus
in Spuren, die andere treten mit Achtung.
Ein Leuchten im Dämmer, ein Ruf aus der Ferne,
ein Zeichen, dass Kunst mehr vermag als nur Klang:
Sie verwandelt, sie prägt – sie bleibt. Lena bleibt.
LXIX. Von der Spur im Staub – Und der Lehre aus Licht
Nicht alle, die wirken, sind Könige genannt,
doch königlich wird, wer den Pfad selbst bereitet,
nicht mit Trommeln und Schilden, mit Zepter und Macht,
sondern mit Liedern, mit Fragen, mit Schweigen –
mit dem, was in Herzen das Ewige rührt.
Lena, die Wandelnde, ging ohne Heer,
doch folgten ihr viele, nicht auf Befehl,
sondern aus innerem Wissen um Echtheit,
als trüge ihr Schritt das Gewicht einer Wahrheit,
die sich nicht drängt – doch nimmermehr weicht.
So stand sie, in tausend Erinnerungsstücken,
nicht gesammelt, doch gegenwärtig in vielem:
in einer Pose, so schlicht wie ein Schatten,
in einer Geste, die sagt: Ich bin hier –
nicht größer als ihr, doch bereit, euch zu führen.
Die Jugend, die kam, nahm Maß an der Weite,
nicht am Lärm, nicht am Prunk, nicht am Spiel,
doch an jener behutsamen Kraft, die sie lehrte,
dass Aufrichtigkeit glänzt – selbst ohne Geschmeide –
und Würde nicht schreit, doch im Schweigen erscheint.
Sie lehrte, dass Stärke nicht laut, sondern klar,
dass Schönheit nicht glatt, sondern aufrichtig sei.
Sie war keine Retterin, keine Prophetin,
doch in ihrer Art, sich dem Wesen zu neigen,
ward sie den Zeiten ein Gegenentwurf.
So steht sie, die nie stand auf Sockel und Stein,
nun doch aufrecht in Seelen und Sinnen.
Nicht als Ikone, nicht Name allein,
sondern als Spiegel, als Maß und als Mahnung:
Verliere dich nicht – sei du selbst bis zuletzt.
Und jene, die folgen, ob Sänger, ob Sucher,
sie tasten nach ihr in den Schichten der Zeit.
Doch Lena, die Lichte, verweilt nicht im Greifen –
sie ruht in Bewegung, sie lebt in Versuch:
Dem Lied treu zu bleiben. Dem Leben nicht minder.
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"Edle, freie Unbefangenheit bei Allem. ... Alle übrigen Vollkommenheiten sind der Schmuck unsrer Natur; sie aber ist der der Vollkommenheiten selbst. ... Sie ist mehr als Leichtigkeit, sie geht bis zur Kühnheit: sie setzt Ungezwungenheit voraus und fügt Vollkommenheit hinzu. Ohne sie ist alle Schönheit todt, alle Grazie ungeschickt: sie ist überschwenglich, geht über Tapferkeit, über Klugheit, über Vorsicht, ja über Majestät." (Baltasar Gracián) =>mehr<=