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Wo ich gestern mein (mit CD-Stapeln) zugemauertes Südafrika-Regal (da, wo alles andere ausser McGregor/Moholo/Ogun lag – auch die verschollene „Zimbabwe“ von Ibrahim, die ich jetzt doppelt habe, falls die jemand möchte?) freiräumte und durchstöberte, zog ich auch diese CD hervor. Und das ist in Sachen Moholo nur eine Fussnote, denn er spielt neben dem Leader Selwyn Lissack nur „incidental percussion“. An den Bässen sind auch hier (September 1969, London) Harry Miller und Earl Freeman zu hören, wobei Ferreman auch Klavier spiet und seine Stimme einsetzt. Mike Osborne und Mongezi Feza sind ebenfalls dabei, und dazu kommt noch Kenneth Terroade (ts, fl), dessen „Love Rejoice“ das Titelstück des Albums gewidmet ist, „Friendship Next of Kin“. Davon sind auf dem CD-Reissue (2007 beim Eigenlabeln von DMG, Downtown Music Gallery, man kriegt’s auch via Bandcamp immer noch) zwei Takes zu hören, die vermutlich falsch angeschrieben sind: zuerst ein 17minütiger, der als komplett (inkl. herausgeschnittenen Drum-Solos) ausgegeben wird, nach der B-Seite der LP („Facets of the Universe“ – beide Stücke stammen von Lissack) folgt dann nochmal das Titelstück, ein paar Minuten länger, aber als „original album version“ beschriftet.
Lissack kam 1942 in Kapstadt zur Welt (und damit gehört das Album eh in diesen Faden), wo er an der Cape Town University lernte – er war weiss. Mitte der Sechziger zog Lissack, unabhängig von den Blue Notes, nach London, wo er gemäss den Liner Notes von Claude Delcloo mit allem gespielt hat „that the British capital count as musicians“. Dann verbrachte er um den Jahreswechsel 1969/70 zwei Monate in Paris, wo er mit Burton Greene, Dave Burrell usw. spielte. Sein Hauptgebiet scheint damals aber die Skulptur gewesen zu sein (im Nachruf – er starb 2024 in Tucson – steht „three dimensional art“) und dieser widmete er sich, als er danach in die USA zog. Dort arbeitete er mit Dalì an Holographien, was 2012 im Buch „Dalí in Holographic Space“ dokumentiert wurde, das Lissack zusammen mit seiner Frau Linda herausbrachte. Lissacks einziger anderer Credit als Drummer scheint „The Sun Is Coming Up“ zu sein, das grossartige, leider bis heute nie wieder aufgelegte Fontana-Album des Ric Colbeck Quartet aus dem Jahr 1970 (ich glaub da hörte ich Osborne zum ersten mal und war schockverliebt, JF Jenny-Clark spielt den Bass).
Das Album aus England erschien als einziges Nicht-Reissue auf dem BYG-Offshoot Goody (drum die Liner Notes von Delcloo), produziert hat es Victor Brox, den Jimi Hendrix und Tina Turner gemäss seinem Wiki-Eintrag ihren liebsten weissen Bluessänger nannten, der „Warning“ fürs Debut-Album von Black Sabbath geschrieben hat und in der Originalaufnahme von „Jesus Christ Superstar“ mitwirkte. Gemäss Delcloo hatte der „ex-singer with Aynsley Dunbar Retaliation“ Ende 1969 (also direkt bevor Lissack nach Paris ging) „the idea to record an album of ‚New Music‘.“
Das Titelstück – Seite B der LP – ist eine recht typische freie Angelegenheit, in der aber sehr viel Luft ist, sehr viel Variabilität – es gibt Solo-Passagen, Duette und mehr, mit der Die punchy pocket trumpet von Feza, dem brennenden Altsax von Osborne, dem abgeklärteren Terroade am Tenorsax, den beidenn Bässe, auch mal einer Passage mit Klavier – und darunter oft verdammt viel Drums. Moholo ist da also deutlich mehr denn Statist. In „Facets of Universe“ – auf der LP die A-Seite, auf der CD zwischen die beiden Versionen von „Friendship“ gesetzt – rezitiert Freeman einen Text, Lissack und Moholo spielen Kesselpauken (oder runtergestimmte Steh-Toms?), es gibt ein Daumenklavier, Glöcklein, vermutlich Extra-Percussion von weiteren Beteiligten – und die Flöte von Terroade. Die ersten Minuten wirken karg, bei 5:30 gibt es einen missglückten Edit in eine Bass-Duo-Passage – das Rezitieren ist also vorbei (Lissack habe bestätigt, dass Freeman für Klavier und Text zuständig gewesen sei, steht in Andrey Henkins AllAboutJazz-Text, der auf der CD-Hülle abgedruckt ist – bei der Erstveröffentlichung fehlte beides im Line-Up), und irgendwann verdichtet die Musik sich zum wilden Kollektiv mit Klavier und stöhnendem Tenorsax, darüber wilde Trompete und Altsax, das dann ein suchendes Solo spielt, über Piano-Cluster, leider nicht so gut aufgenommenen Bass und Schlagzeug. Bald holen die anderen den Solisten wieder ein, Feza übernimmt wieder – und allein wegen seines Spiels lohnt sich die Anschaffung dieses verschollenen Albums. Terroade folgt am Tenor über einem Klanggebräu der Rhythmusgruppe: Piano-Cluster, ein grummelnder Arco-Bass, die hyperaktiven Drums, die aber einen ähnlichen Push geben, wie Moholo das auch allein oft tat … ob er hier auch ein Drum-Kit spielt oder wirklich nur ergänzende Percussion zum Kit von Lissack, weiss ich leider nicht, aber in Abwesenheit weiterer Infos (auch nicht bei Henkin) gehe ich grundsätzlich davon aus, dass Lissack den zentralen Part spielt. Der ist dann in der längeren zweiten Version von „Friendship Next of Kin“ (wo ich meistens den Eindruck von nur einem Drum-Kit habe) inklusive des ursprünglich rausgeschnittenen Drum-Solos nochmal etwas grösser.
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P.S.:
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