Antwort auf: Ich höre gerade … Jazz!

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gypsy-tail-wind
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Noch ein frühes Album von Buddy Collette (eins der Contemporary-Alben hab ich auch noch irgendwo, aber dann bin ich durch) … hier eine Art Alternative zum Chico Hamilton Quintet mit dem Drummer als Co-Leader und Jim Hall an der Gitarre. Statt Cello gibt es aber eine Trompete (John Anderson) und ein Klavier (Gerald Wiggins) und am Bass einen anderen Favoriten von der Westküste, Curtis Counce. Zehn Stück gibt es, vom Gershwin-Klassiker „How Long Has This Been Going On“ über typische Westküsten-Formexperimente bis zum Basie-Blues „The Blindfold Test“ aus der Feder von Anderson. Am Ende wird das etwas zu sehr nach Leistungsschau: wir machen hier einen auf „Undecided“ und Jim Hall schlägt auf seiner Gitarre den Freddie Green, anderswo gibt es die Faux-Exotica, die Albumtitel und Cover ankündigen. Es gibt auch ein Original von Collette mit dem Titels (das ist aber sowas ähnliches wie der son montuno bei Tapscott neulich … gäb’s ja ohne Afrika am Ende alles auch nicht, aber beim Titel erwartet man schon was leicht anderes), zudem Stücke wie „Wagnervous“ (von Hamilton/Wiggins) oder „A Walk on the Veldt“ (Collette – „Veldt“ ist Afrikaans für Grasland – eine seltsame Art von Exotica … vielleicht gab es 1956 dafür ja irgendeinen anderen Bezug, der heute verloren ist?), und „It’s You“ (Collette) klingt wie eine Paraphrase … aber so klingt, etwas fies gesagt, das ganze Album. Da ist dann der Basie-Blues mittendrin eben am Ende doch ein willkommener Moment zum Aufatmen, bevor der „Jungle Pogo Stick“ (Collette) wieder mit einer Art Aufziehrhythmus und Drum-Intermezzi – und dann auch gleich einem Solo, direkt aus dem Thema heraus – zur Tagesordnung zurückkehrt. Ich glaub, mir ist das gerade auf Albumlänge zu viel (drum hör ich’s auch gleich zweimal, klar ;-) ), aber es gibt überall – auch wirklich in jedem Stück – gute Momente: ein tolles Solo, eine lässige Ensemble-Passage usw. Dazu gehören auch die Tenorsax-Soli von Collette (besonders in den zwei Basie-Grooves): er spielt zwar mit einer Leichtigkeit, wie sie die ganzen Brothers an beiden Küsten auszeichnete, aber auch mit einem in aller Zartheit runden, vollen, sehr warmen und dunkler eingefärbten Ton.

Dass John Anderson ein paar Jahre später tatsächlich mal bei der Basie Big Band landete, passt natürlich auch wieder ins Bild … seine Soli gefallen mir ziemlich gut, er ist auch hier fast immer mit Dämpfer unterwegs – er ist super im Gershwin-Stück und steuert noch ein weiteres Orignal bei, „And So In Love“, eine schöne Ballade mit South-of-the-Border-Anleihen (auch eine Art Tanz). Der Closer – noch ein Basie-Blues – stammt dann von Johnny Otis, der auch das Originalcover-Design gemacht hat (und einer der Mitgründer von Dig Records war, das zunächst Ultra Records hiess … hat nicht @redbeansandrice neulich „Wiggin‘ with Wig“ von Gerald Wiggins gehört? Auch eine Dig-Platte). Ein Reissue gab es schon ein Jahr später bei Tampa, und wie andere Tampa-Alben landete die Aufnahme später bei V.S.O.P., weshalb ich auch ein japanisches CD-Reissue davon habe aus einer Reihe, in der auch V.S.O.P.-Reissues wieder aufgelegt wurden (wieder mit dem Originalcover ab 1985, nicht mit dem Tampa-Cover unten).

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