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herr-rossi
Ole Liebl: Das Elend der Anti-Woken
„Ich habe in den letzten Monaten 30 Anti-Woke-Bücher der vergangenen 4 Jahre gelesen. Und unzählige Videos geschaut. Eine wichtige Selbstkritik oder Beschäftigung mit sinnloser Hetze?“
Hörenswerte, sehr eingehende Podcast-Folge über eine intensive inhaltliche Auseinandersetzung. Zusammenfassende „Kritik der Kritik“ ab 1 h 45 min.
Zum Nachlesen auch als Google-Dok.
Das Positive will ich gleich mal voranstellen: das Transskript auf Google. Ich lese schneller als die Sprecher sprechen und 2 Stunden lang höre ich keinem Millenial zu.
Ansonsten gibt das Video oder der Text ein schwaches Bild ab, Respekt allerdings vor der Leseleistung. Das fängt damit an, dass eine grundsätzliche Kritik am identitären Denken ja nicht erlaubt ist, die Argumente, es wäre prinzipiell zu nahe am rechten identitären Denken, es schaffe den Humanismus ab und außerdem folge es einer Wortmagie, die alles andere als erwiesen ist (richtige Sprache formt Gesellschaft), das wird alles abgebügelt. Mit dem Hinweis, alles ok, es wäre ja für Opfer von Diskriminierung. Böse formuliert: der Rechtsidentitäre kann genau so sagen, er tue das alles für seine „Ethnie“, „das Volk“ oder was auch immergerade für „Rasse“ steht.
Ein anderes der Hauptprobleme wird ebenfalls nicht angesprochen: die Theorieschwäche – fast alle Autoren von grundlegenden Texten haben sich mittlerweile gegen das „gelebte“ Linksidentitäre ausgesprochen, eine schöne Übersicht in einem der Bücher, die der Autor gelesen haben will, in Yasha Mounks Buch. Bei Exzessen der Linksidentitären wird gesagt „und ich war so uff okay das ist jetzt wirklich ein bisschen too much“, aber irgendeine Regel außerhalb des eigenen Gefühls dazu, kann nicht aufgestellt werden. Also: Kulturrevolution ist gut, Exzesse nicht zu vermeiden. Und dadurch, dass Kritiker trotz erklärter Gegenabsicht, doch alle in den selben Topf geworfen werden, also eine Intellektuelle wie Susan Neiman mit dem schwächsten Statistiker Deutschlands, Thilo Sarrazin, wird grundsätzliche Kritik ja auch nicht wirklich erlaubt. Einige Lehren will der Autor mitgenommen haben, die die schlimmsten Battles auf Twitter betreffen dürften, aber das reicht mir nicht.
Und zuletzt:
An anderer Stelle weiter hinten im Buch stellt er die durchaus interessante These auf, dass wenn einer gesellschaftlichen Mehrheit eine Sache egal ist, aber eine kleine Minderheit sie »unablässig und mit Energie betreibt, dann wird sich die Minderheit mit der Zeit durchsetzen« (Sarrazin, 2022: 244). Er meint das zwar im Zuge einer woken Minderheit, ich lese das eher inspirativ, wenn es um faschistische Minderheiten geht, aber – ähm – ich verrenne mich.
Hätte man erkennen können, das ist die Theorie von der Schweigespirale von Noelle-Neumann, die gerne bei Konservativen benutzt wird, wenn Avantgarden etwas Unbequemes fordern (und die uns die Privat-TV-Sender einbrockten).
Ach ja und ich weiß nicht, was ein „non binärer trans Teenager“ sein soll.
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If you talk bad about country music, it's like saying bad things about my momma. Them's fightin' words.