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herr-rossi
lathoIch bleibe also dabei, (alten) Leuten, die „Neger“ benutzen, „Rassismus“ vorzuwerfen, ist, um mal Sascha-Lobo-mäßig ein neues Adjektiv zu erfinden, „twitter“.
Mein Vorwurf ist das auch nicht. Selbstverständlich ist auch Didi kein Rassist, nur halt ein weiterer Altpromi, der den nützlichen Idioten der rechten Wokeness-Paranoia-Profiteure gibt.
Gleichwohl bin ich von der Formel „Neger“ gleich „negro“ ungleich „nigger“ nicht überzeugt. „Nigger“ hat sich als Lehnwort im Deutschen nicht durchgesetzt, „Neger“ musste daher auch immer für den abfälligen Diskurs mit herhalten.Dagegen könnte man einwenden, dass Schwarze in der Zeit auch simpel keine Kontrolle über Selbst- und Fremdbezeichnungen hatten, weil es sie in Deutschland nicht gab. Die Kontrolle von Juden über „offizielles“ Deutsch (das es nicht gab, ich weiß) war auch beschränkt, aber es gab zumindest für sie, als größte Minderheit in deutschsprachigen Bereichen, die Möglichkeit einer Einflussnahme.
Das bezieht sich alles gar nicht auf die deutsche Sprache und das Vorkommen der verschiedenen Gruppen in Deutschland. Juden verstehen sich als Gruppe und ihre Eigenbezeichnung wurde u.a. im Deutschen und Englischen in die jeweilige Standardsprache entlehnt. Das macht „Jude“ zu einem neutralen Begriff, der auch durch religiösen Antijudaismus und rassistischen Antisemitismus nicht entwertet werden konnte.
Um einfach nur „dunkelhäutige Menschen“ zu beschreiben, gab es im Deutschen den Begriff „Mohr“. Das Wort „Neger“ und entsprechende Varianten kam in den verschiedenen europäischen Sprachen dagegen erst mit dem Rassekonzept des 17./18. Jahrhunderts auf, das dem europäischen Kolonialismus und Sklavenhandel den legitimierenden Überbau gegeben hat. Die damals entwickelten Vorstellungen von menschlichen „Rassen“ und ihrer inhärenten Hierarchie (mit den „Weißen“ an der Spitze) ist der Kern des neuzeitlichen Rassismus und das Wort „Neger“ von seinem Ursprung her untrennbar damit verbunden.
Sklavenhandel hat es immer schon gegeben und ja, es wurden auch Europäer im klassischen Sinne versklavt oder ihnen als Leibeigene in feudalistischen Systemen wesentliche Freiheitsrechte vorenthalten. Aber das Konglomerat aus globalem Kolonialismus, Massenversklavung und Rassismus ist schon sehr spezifisch westlich.
Dazu das sehr instruktive Buch von Marcus Rediker “ Das Sklavenschiff – Eine Menschheitsgeschichte“. Ist zwar im Original von 2007, jetzt aber erst auf Deutsch erschienen.
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Der Rock ist ein Gebrauchswert (Karl Marx)