Antwort auf: Jazz-Neuerscheinungen (Neuheiten/Neue Aufnahmen)

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vorgarten

Registriert seit: 07.10.2007

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Das Kelela-Album war bei mir in den letzten Wochen Autobahnmusik. Ich habe mich nicht gefragt, wo ich das einordne, für mich hat der Gesang eine sehr besondere Qualität, und hier ist es toll zu hören, wie das mit den dem der Backgroundsängerinnen verschmilzt. Ich mag die Aufnahme auch sonst sehr, auch wenn ich die Angst der Produzent*innen glaube herauszuhören, wie man so komplexe Beatmusik denn live für einen kleinen Club umsetzt, das wollten sie besonders gut machen, und so wirkt es oft ziemlich gedrechselt und ausarrangiert, wo sie es einfach hätten laufen lassen können… Also eher MTV Unplugged oder Tiny Desk Concert, keine Jazzclubroutine.

Ansonsten war mir zuletzt eher nach komplizierter Musik – Ambrose Akinmusire, Steve Lehman, Marshall Allen, Sullivan Fortner, alles fand ich gut, nichts haute mich vom Hocker. Bei Akinmusire waren es bei aller Dringlichkeit die Streicher-Arrangements, die ich nicht flüssig und viel zu verdreht fand – bei Marshall Allen funktionierten sie dagegen ganz einfach und funktional. Ich mochte da auch die kleine emanzipatorische Herausdrehung aus dem ewigen Sun-Ra-Gedenkgottesdienst, es gibt kein Klavier zu hören, aber leider ein bisschen mittelmäßiges playing, was aber nicht so viel ausmacht… Krasser Gegensatz dazu Steve Lehmans Hommage an Anthony Braxton, was ausschließlich einen virtuos-heißen Zugang zu Braxton ins Spiel bringt, was ich dann doch ziemlich überfordernd fand. Und als Co-Saxofonisten hätte ich mir jemand anderen gewünscht, aber gut, die Grundidee war ja, dass speziel Lehman und Turner was miteinander aufnehmen wollten. Und ich mochte eine Passage aus Lehmans Interview über Braxton sehr: „He has really done every single thing he could possibly do to support me and my development as musician: everything from putting me into his band, to helping me [with a] recording contract, to writing letters of recommendation, to giving me feedback on compositions. And it’s been decades now of him doing that [for me]. I think that’s who he is.“

Großartig fand ich hier vor allem das Bass/Schlagzeug-Gespann und ihre Flexibilität und kreative Arbeit – anders als bei Fortner, wo irgendwas zwischen ihm und Marcus Gilmore enfach nicht aufgeht – wie ich aber ohnehin das Gefühl habe, dass er bei lauter freidrehender Virtuosität verhältnismäßig wenig interplay wagt.

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