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Zuletzt im Kino:
Die Saat des heiligen Feigenbaums (The Seed of the Sacred Fig, Mohammad Rasulof, 2024)
Vor dem Hintergrund der Proteste im Iran („Frau Leben Freiheit“) erzählt Rasulof die Geschichte eines Mannes, Iman, der gerade zum Ermittlungsrichter am Revolutionsgericht befördert wurde. Es winkt ihm und seiner Familie ein deutlicher sozialer Aufstieg, den besonders seine Frau dringend herbeisehnt. Allerdings stellt Iman schnell fest, dass er nun Todesurteile unterschreiben soll, ohne die Fälle dahinter auch nur zu kennen. Bedenken dagegen werden von seiner Frau Najmeh beiseite gewischt, denn Allah weiß schon, was richtig ist und gegen seinen Willen passiert ja nichts auf der Welt. Komischerweise ein Prinzip, das nur gilt, wenn es den beiden passt. Die Proteste z.B. werden so nicht betrachtet. Die neue Stellung Imans bringt im Klima der Proteste natürlich auch Gefahren mit sich, weswegen Iman eine Waffe zu seinem Schutz erhält. Als diese über Nacht aus der Wohnung verschwindet, verdächtigt Iman bald seine Töchter Rezvan und Sana, die deutlich liberaler sind als die Eltern, aber auch seine Frau. So nimmt langsam eine Katastrophe Fahrt auf…
Ein solcher Film kann im Iran natürlich nur heimlich gedreht werden. Schon deshalb spielen sich weite Teile der Handlung in geschlossenen Räumen ab. Dem Film schadet das nicht, die Schauspieler sind problemlos in der Lage, den Film zu tragen. Außerdem wird die Außenwelt immer wieder ins Bild gesetzt, indem Videos der Proteste aus den sozialen Medien leinwandfüllend gezeigt werden, wenn die beiden Mädchen diese auf ihren Handy anschauen.
Ebenso naturgemäß darf ein solcher Film im Iran nicht gezeigt werden, daher erreicht er sein eigentlich wichtigstes Publikum leider nicht. Wer den Film außerhalb des Irans schaut, steht in der Regel schon „auf der richtigen Seite“ und ist eher nicht von iranischer Repression bedroht (vielleicht mit Ausnahme von Expats, denen der Geheimdienst wohl auch in der neuen Heimat teilweise nachstellt) und braucht den Film daher auch nicht als Solidaritätserklärung. Dennoch ist es für das nicht-iranische Publikum spannend und lohnenswert, diese Innenansicht zu betrachten, die die Nachrichten aus dem Iran auf eine sehr persönliche Ebene überführt.
Ein wenig ärgerlich ist die Nominierung als deutscher Oscar-Beitrag. Erstens hätte Rasulof den Oscar noch viel mehr für Doch das Böse gibt es nicht (2020) verdient gehabt, der in meinen Augen noch etwas besser war (im aktuellen Film ist die Figur des Iman nicht vollständig gelungen, seine Wandlung etwas überhastet). Zweitens hat Deutschland wenig mit dem Film zu tun. Der großartige Shahid (2024) von Narges Kalhor, in dem sie sich sehr persönlich und filmisch sehr experimentell mit ihrer alten Heimat Iran, ihrer neuen Heimat Deutschland und mit ihrer (Familien-) Geschichte auseinandersetzt, wäre ein für Deutschland geeigneterer Kandidat gewesen. Übrigens einer meiner absoluten Favoriten 2024 und noch in der Mediathek des ZDF zu sehen.
Konklave (Conklave, Edward Berger, 2024)
Der Film ist durchaus spannend und interessant, gut besetzt und gefilmt sowieso. Trotzdem habe ich ihn nicht hundertprozentig genießen können. Ich habe prinzipiell keine Problem damit, dass Filme immer stärker divers besetzt werden, selbst wenn das zeitweise ein wenig an der Lebenswirklichkeit vorbeigeht. Dass hier aber auf Teufel komm raus eine starke Frauenfigur untergebracht werden musste, ist so deutlich nur dem Zeitgeist geschuldet, dass es fast schon schmerzt. Witzigerweise hatte kurz bevor diese Schwester Agnes zur handelnden Figur wird noch überlegt, ob dem Film wohl das Nicht-Bestehen des Bechdel-Test vorgeworfen wird, obwohl das Setting ein Versagen bei diesem Test geradezu vorschreibt (er versagt übrigens trotz Schwester Agnes). Das Ende ist dann unangemessen typisch Hollywood. Wie so oft in Hollywood zeigt der Film ein System, das eigentlich von Grund auf falsch ist und übt teils heftige Kritik daran. Doch letztlich ist diese Kritik nie grundlegend, es bedarf immer nur eines Retters, der von Innen das System wieder in die Spur bringt. Hier ist es die Kirche, in anderen Filmen eine Polizeibehörde, die Regierung… was auch immer. Außerdem ist in diesem Film die Figur des Erlösers bzw. seine Natur wiederum so zeitgeistig, dass ich mich frage, ob der Film letztlich mehr ist als ein offensichtlicher Versuch, erneut bei den Oscars bedacht zu werden.
Companion – Die perfekt Begleitung (Companion, Drew Hancock, 2025)
Hier darf ich keinerlei Aussagen zur Handlung machen, zu sehr lebt der Film von der Überraschung des Zuschauers. Was ich aber darf, ist den Film sehr zu empfehlen. Wem ein Krimidrama mit leichtem Horroreinschlag prinzipiell gefallen könnte, macht hier auf jeden Fall nichts verkehrt. Sophie Thatcher, die schon in Heretic (2024) toll war, macht auch hier eine sehr guten Job. Da sie auch in The Boogeyman (2023) geliefert hat (und in MaXXXine (2024) eine Nebenrolle spielte, werde ich ihre Karriere gerne weiterverfolgen. Bei der Auswahl ihrer Projekt jedenfalls hat sie bisher keinen Fehlgriff getan, soweit ich ihre Filme kenne.
Ich habe Companion letzten Samstag in einer Preview (man wusste, was gezeigt wird) gesehen und dann noch einmal am Dienstag in einer Sneak Preview, und in beiden Vorstellungen war das Publikum hörbar begeistert. Und da ich das ebenfalls war, hat es mich noch nicht einmal besonders geärgert, dass ich ihn in der Sneak ein zweites Mal sah.
Babygirl (Halina Reijn, 2024)
Von den vier Filmen dieses Posts ist dieser die einzige Enttäuschung gewesen. Er ist weder besonders mutig, noch besonders feministisch und leider auch nicht wahnsinnig erotisch. Da war Reijns letzter Film, Bodies Bodies Bodies (2022) um Längen interessanter. Allerdings schlägt Babygirl immer noch locker solche Werke wie Fifty Shades of Grey (2015).
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And all the pigeons adore me and peck at my feet Oh the fame, the fame, the fame