Antwort auf: Die letzte Dokumentation, die ich gesehen habe

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ford-prefect
Feeling all right in the noise and the light

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Auf YouTube hab ich mir die fünfteilige Web-Dokumentation „Dreams, Sex & Eternity“ von Filmemacher Dirk Weiler von 2023 über die deutsche Gothic-Rock-Band Umbra et Imago aus Karlsruhe angeschaut. Neben dem exzentrischen und gockelhaften Frontmann, der auf den bescheidenen Künstlernamen Mozart hört, sprechen in dem Film die Bandmitglieder Madeleine Le Roy, Dirk Lacomy und Freddy Stürze. Grundlegender Bestandteil der Live-Shows von Umbra et Imago sind seit jeher erotische Sadomaso-Performances mit spärlich bekleideten Damen. Was jedoch keine billige Effekthascherei ist, sondern sich bei Umbra zu einem stimmigen Gesamtkunstwerk aus Musik und darstellender Kunst zusammenfügt. Ihren ersten Auftritt feierten Umbra et Imago im Schwimmbad-Musikclub in Heidelberg.

In den 1990er Jahren erspielte sich die badische Gothic-Band in der ostdeutschen Szene auf dem Wave Gotik Treffen in Leipzig ein beachtliches Stammpublikum, auf dem die Düsterheimer aufbauen konnten. Umbra et Imago entstammen der Szene des einschlägigen Musikclubs Kulturruine in Karlsruhe, in dem nicht nur wavige Musik lief, sondern berghainmäßig Darkrooms für allerlei Spielereien bereitstanden. Selbst hab ich von Umbra das erste Mal 1998 durch einen Bericht im Metal Hammer erfahren. Im März 2004 besuchte ich mein bislang einziges Konzert der Karlsruher Gruftis in der Frankfurter Batschkapp im Rahmen der Memento-Mori-Tour. Als Gastsänger kam Felix von Crematory (die kommen teilweise aus Worms!) auf die Bühne, mit denen Umbra et Imago eine Freundschaft verbindet. Gemeinsam schmetterte die Band in der Batschkapp zur Zugabe mit allen Akteuren und Anwesenden eine Cover-Version von „Rock me Amadeus“ von Falco.

In der ersten Folge der Doku erzählt Bandchef Mozart, wie er mit seiner Band einen Plattenvertrag erhielt und dabei übers Ohr gehauen wurde, weshalb sich die ersten Umbra’schen Masterbänder nicht mehr in seinem Besitz befinden. Seinen ersten Kontoauszug mit einer ansehnlichen Tantiemenzahlung im fünfstelligen Bereich habe er sich gerahmt auf seinen Schreibtisch gestellt. Außerdem erinnert sich Mozart an die Gründung seines Plattenlabels Spirit Production, mit dem er wirtschaftliche Unabhängigkeit anstrebte. In den Nuller Jahren gab es zudem ein Gothic/Sadomaso-Bekleidungsgeschäft von Spirit in Karlsruhe. Mein persönlicher Lieblingssong von Umbra et Imago ist das Lied „Sweet Gwendoline“, eine musikalische Hommage an die Bondage-Comic-Figur des Zeichners John Willie, die man auch im Repertoire von Die Ärzte finden kann. Darüber hinaus legt Mozart dar, wie ihm die Songs aus der Feder fließen: Zuerst entstehe der Text, danach die Musik dazu. „Ich schreibe die Texte wie ein Schriftsteller. Ein Drittel ist Beobachtung, ein Drittel ist Literatur und ein Drittel ist Selbstreflexion“, erklärt der Bandchef, der Dürrenmatt und Einstein zitiert, in der vierten Folge des Dokumentarfilms. Und ergänzt: „Ich habe einen Film im Kopf. Das möchte ich den Menschen transportieren auf der Bühne, dass wir unsere Gedanken synchronisieren und Gänsehaut kriegen.“ In der dritten Folge berichtet er davon, wie Umbra et Imago nicht selten zu Festivals angereist waren, bei denen sich die Veranstalter mit der Kasse aus dem Staub machten und alle Künstler um ihre Gage brachten.

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Wayne's World, Wayne's World, party time, excellent!