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OM Fragmente – In Memoriam Fredy Studer – Zürich, Moods – 10.12.2024
Urs Leimgruber (ss), Christy Doran (g, efx), Bobby Burri (b, efx), Gerry Hemingway (d, perc), Tony Buck (d, perc)
In memoriam Fredy Studer war das gestrige Konzert überschrieben … und etwas erschrocken bin ich auch, als Leimgruber im Rollstuhl mit Sauerstoffgerät herangerollt wurde. Er bestieg dann aber selbst die Bühne und lieferte sein übliches, enorm facettenreiches Spiel zwischen Geräuschen (Klappen, Atem, ganz leise Töne) und satten Linien, inklusive false fingerings (unterschiedliche Griffe für [fast oder ganz] gleiche Tonhöhen, die zu einer Art Fluktuieren führen – etwas, was schon die alten Meister einzusetzen wussten und z.B. Cannonball Adderley gerne nutzte) und Mikrotöne usw. Alles noch da, auch die Puste – und alles andere hätte mich bei einem Perfektionisten wie Leimgruber auch überrascht. Der wird den Moment zum Rückzug gewiss nicht verpassen.
Das Quintett spielte ein knapp 90minütiges, sehr gut getaktetes Set, in dem neben alten Stücken auch neues Material gespielt wurde und in dem es neben strukturieren Passagen auch viel Freiraum für alle gab. Dorans spielte nur die hellblaue Gitarre, die ganz links im Schatten stehende, die wie eine Fender Stratocaster ausschaut, kam gar nicht zum Einsatz. Wie Burri, der in der Mitte und im Sitzen spielte, hatte er eine ganze Menge von Pedalen und Effektgeräten vor sich. Während der Bass auch gestrichen oder mit Mallets geschlagen wurde, auch mal Stäbe zwischen die Saiten gesteckt wurden usw., schob Doran mal eine Saite quer durchs Griffbrett und hatte öfter mal so ein Bottleneck-Ding (aus Metall wohl) um einen Finger der linken Hand gesteckt. Sein Sound war den ganzen Abend hindurch dreckig, obertonreich, resonant, hatte irgendwie etwas zwischen Punk und Rockabilly, und natürlich auch die nötige Schärfe, wenn er mal länger solierte und aus dem wabernd sphärischen oder den kantigen Akkorden ausbrach.
Ganz rechts sass Leimgruber, oft mit Dämpfer im Sopransax und mit seiner riesigen Palette an Sounds – Geräuschen und Tönen gleichermassen. Hinten zwischen Doran und Burri sass Hemingway, der die meisten Ansagen übernahm und sowas wie das Herz dieser neuen Version von OM zu sein schein, rechts neben ihm, zwischen Burri und Leimgruber und vis-à-vis von Hemingway (beide 90° vom Publikum), Tony Buck als zweiter Drummer. Wenn die beiden richtig loslegten, entwickelte das eine unglaubliche Wucht. Beide spielten oft Snare-lastige Beats, streuten rudiments ein, spornten sich gegenseitig an, kommentierten, verschleppten … wie lebendig das alles war, trotz der Notenständer und teils ineinanderfliessenden Stücken, war echt eindrücklich. Burris Bass war stark verstärkt, sodass er auch einfach auf die Saiten klopfen oder einen nahezu elektrisch klingenden Sound erzeugen konnte. Klanglich war das etwas spitz, auch recht dunkel, obwohl weder Doran noch Burri für sich dunkel klingen. Hemingway spielte auch mal Becken mit Bogen oder summte durch kleine Trichter (die auch fast wie Trompetendämpfer aussahen), während Buck eher so Dinge wie Ketten mit Glocken dabei hatte, aber meistens wenn Hemingway seine „little instruments“ spielte, für den Beat zuständig war bzw. für die regulären Drum-Sounds.
Ein interessantes, mich die meiste Zeit sehr ansprechendes Klanggebräu, das immer wieder an den Miles der mittleren Siebziger erinnerte – auch durch die Einwürfe von Leimgruber, der oft nur kurze Spitzen oder Fragmente – der Band- oder Projektname ist kein Zufall – spielte, Kürzel aus zwei, drei Tönen, rhythmisiert, repetiert, durch false fingerings aufgeraut, auch mal schreiend laut, hart dissonant gegen die Gitarre gesetzt. Und wenn er den Dämpfer drin hatte, spielte er zum Liebman der MD Band auch gleich noch den Miles dazu.
Trivia: Als vor dem Stück „The Frog Jumps In“ von Leimgruber die Gitarre nachgestimmt und da und dort sonst was neu eingerichtet wurde, meinte Leimgruber: „Tell me when the frog’s ready.“ – daraufhin Buck sardonisch: „The frog doesn’t know when he’s ready. He’s in the boiling water.“
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