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Critical Zone (Mantagheye bohrani / منطقه بحرانی, Ali Ahmadzadeh, 2023) (OMU)
Für mich ein weiterer Beweis dafür, dass der Iran zur Zeit eines der spannendsten Filmländer ist. Leider jedoch konnte ich dem Film nicht so genießen, wie er es verdient hatte, da ich ziemlich übermüdet im Kino saß. Da der Film zudem extrem ruhig ist, mit langen Einstellungen und wenig Dialog, musste ich wirklich hart dagegen ankämpfen, nicht einfach einzuschlafen. Das aber sagt nichts über die Qualität des Filmes aus. Schon dessen Entstehungsgeschichte ist wirklich interessant, der ein oder andere hier wird es ja mitbekommen haben. Gedreht ohne Genehmigung, sogar trotz eines Arbeitsverbotes für den Regisseur, mit versteckter Kamera und nur mit Laiendarstellern. Es folgte eine Aufführung auf dem Filmfestival von Locarno, ebenfalls trotz eines Verbots der iranischen Regierung, bei dem Ahmadzadeh daher auch nicht selbst anwesend sein durfte. Für die Augen eines Europäers ist der Film zunächst einmal gar nicht so subversiv, aber wenn man sich bewusst macht, dass im Iran Drogendelikte mit dem Tod bestraft werden können, dass Alkoholkonsum strengstens verboten ist und dass die Sexualmoral extrem „konservativ“ ist (Homosexualität ist ebenfalls eine Straftat, unter den Mullahs wurden bislang über 4000 Homosexuelle hingerichtet) erkennt man die Sprengkraft, die dem Film innewohnt. So kommt es dann auch, dass der Verleih des Filmes vom deutschen Auswärtigen Amt gefördert wird, das ansonsten bisher nicht als ein Amt aufgefallen ist, das Drogendealer wie die Hauptfigur des Films besonders heroisiert. Allerdings ist dieser Dealer, Amir, auch etwas anders als seine Berufsgenossen in den meisten anderen Filmen. Er verkauft seinen Stoff nicht nur, er lindert damit tatsächlich in gewisser Weise das Leid vieler seiner Mitbürger, sei es der sterbende alte Mann, der von ihm mit Hashbrownies gefüttert wird, seien es die Prostituierten und der Transmensch, die er sogar gratis mit seiner Ware versorgt. Die Zärtlichkeit, mit der er dabei mit seinen Kunden umgeht ist schon fast irritierend, dass er er sogar als Heiler betrachtet wird, der mittels Drogen einen polytoxikomanen jungen Mann retten soll, noch mehr. So etwas ist tatsächlich in einer freien Gesellschaft kaum denkbar.
Der Film lebt neben seiner Subversivität von seinen starken Bildern, die vornehmlich im Dunklen aufgenommen wurden und von einem passenden Soundtrack untermalt sind. Außerdem ist er in weiten Teilen ein Roadmovie, ein Genre, das ich sehr mag, und für mich jedenfalls der erste Vertreter des Genres, der dem Navi fast schon eine eigene tragende Rolle zugesteht.
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And all the pigeons adore me and peck at my feet Oh the fame, the fame, the fame