Der letzte Film, den ich gesehen habe (Vol. II)

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    gypsy-tail-wind
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    Gestern im Kino: Marlene Dietrichs Home Movies (1932-1942) – die Projektion oben war die zweite (nach einer ersten im Arsenal) und die gestern in Zürich – über eine halbe Stunde länger und neben Kristina Jaspers, die in Bologna dabei war, auch mit Silke Ronneburg, die das alles einführten und ausführlich kommentierten – erst die dritte. Der erste Block bietet wirklich intime Einblicke in Dietrich und ihre queere „Familie“ (Ehemann und Tochter sind auch dabei, dazu u.a. Fairbanks Jr., Sternberg, Remarque, Gabin und viele andere), im zweiten Block gibt’s vor allem Aufnahmen von Film-Sets („Destry Rides Again“, „Seven Sinners“, „My Little Chickadee“ …) – und da ist es phantastisch, die ganzen Sets und Kostüme in Farbe zu sehen. Das geht oben auf YT auch, aber in Echt ist das nochmal einiges schöner anzuschauen.

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    #12398466  | PERMALINK

    motoerwolf

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    Am Freitag sah ich
    Caligula – The Ultimate Cut (Caligola, Tinto Brass / Bob Guccione / Giancarlo Lui, 1979 / 2023)
    Vorweg sei gesagt, dass ich keine der alten Fassungen kenne, also kann ich keinen Vergleich damit liefern.
    Das war mal ein seltsames Kinoerlebnis. Die Merkwürdigkeiten beginnen hier schon vor dem eigentlichen Film, denn dem ist eine Reihe von erläuternden Texttafeln vorangestellt, in denen ein wenig zur Geschichte des Films und des Ultimate Cut erzählt wird. Laut diesen Tafeln enthält die neue Fassung nicht eine Sekunde der alten Versionen, sondern es wurden bislang unveröffentlichtes Material und alternative Einstellungen bekannter Szenen verwendet. Wie gesagt, ich kann nicht beurteilen, ob das so stimmt. Komplett herausgeschnitten wurden wohl die Hardcoreporno-Szenen, was aber nicht heißt, dass nicht eine Menge Sex enthalten wäre. Was wiederum nicht bedeutet, dass irgendetwas an dem Film erotisch wäre. Spätestens bei einer Szene, in der Caligula ein Brautpaar brutal vergewaltigt, sollte sich jede Erregung gelegt haben, wenn denn doch eine bestand. Tatsächlich ist diese Darstellung ziemlich unangenehm, während viele andere Gewaltszenen aus heutiger Sicht wenig schockierend wirken. Eine weitere Ausnahme davon ist vielleicht eine Szene gegen Ende, in der ein Kind getötet wird, indem es mit dem Kopf auf eine Treppe geschlagen wird. Das passiert zwar eher im Bildhintergrund, ist aber schon starker Tobak.
    Ästhetisch empfand ich den Film als ungewöhnlich. Die Darstellung der Figuren, besonders Caligulas, ist oftmals recht theaterhaft übertrieben und wenig glaubwürdig, die Bildkomposition wirkt häufig so, als habe sich die Kamera weniger für das Filmemachen als für das Erschaffen von Standbildern interessiert. Den Kulissen ist ihre Natur oft deutlich anzusehen. Alles zusammen macht das Seherlebnis zu einem so künstlichen, dass der Zuschauer schon dadurch immer eine große Distanz zum Geschehen auf der Leinwand hat. Diese Distanz vergrößert sich durch die Ausgestaltung des Charakters Caligulas, der zumindest in dieser Fassung kein durch die Macht korrumpierter Mann ist. Stattdessen wird er, wenn vielleicht nicht als böse geborenes Wesen, so doch zumindest als durch seine Kindheit sehr früh verdorbenes porträtiert. Da diese Kindheit aber nur angedeutet wird, bleibt es letztlich dem Zuschauer überlassen zu entscheiden, warum Caligula ist, wie er ist. So oder so erzählt der Film jedenfalls nicht davon, dass grenzenlose Macht einen schlechten Einfluss auf Menschen hat, sondern davon, dass schlechte Menschen zur Macht streben. Das nimmt einiges von der eventuell beabsichtigten politischen Sprengkraft, zumal es andere mächtige Personen im Film gibt, denen tatsächlich etwas am Gemeinwesen zu liegen scheint. Dass schlechte Menschen schlimme Dinge tun ist ja nun wirklich keine politisch interessante Aussage. Daher ist der Film (wie gesagt, ich beziehe mich hier immer nur auf den Ultimate Cut) keine geeignete Parabel auf den Faschismus. Caligula hat im Film keinerlei politischen Visionen, die über seinen Machterhalt hinausgehen. Auch die Provokationen des Senats sind nie politisch, er provoziert nur, um Reaktionen zu erhalten, die in der einen oder anderen Weise seinem Amüsement und seinem Ego dienen sollen.
    Daher ist der Vergleich mit Coppolas Megalopolis (den wohl einige Kritiker angestellt haben) wenig sinnvoll, da er nur an Äußerlichkeiten aufgehängt ist. Coppola hat zwar vielleicht nur letztlich banales zu sagen, aber er hat eben etwas zu sagen.
    Trotz der von mir hier angeführten, negativ klingenden Aspekte des Films würde ich das Werk auch in dieser Version Filminteressierten durchaus empfehlen. Ich jedenfalls habe mich keine Minute gelangweilt, was bei 178 Minuten ja keine Selbstverständlichkeit ist.

    und gestern
    Red Rooms – Zeugin des Bösen (Les chambres rouges, Pascal Plante, 2023)
    Ein Film über einen Serienkiller hat man schon oft gesehen. Hier jedoch werden nicht der Mörder und seine Taten in den Mittelpunkt gestellt, sondern die Reaktionen der Gesellschaft darauf. Auf diese Weise wird der Zuschauer zumindest deutlich weniger zum Komplizen des Täters gemacht als in vielen anderen Filmen, die die Darstellung der Taten mehr oder weniger voyeuristisch ausbeuten. Besonders stark ist die Hauptrolle Kelly-Anne (Juliette Gariépy), eine bis zum Schluss recht undurchsichtige junge Frau, die ein besonderes, aber nicht erklärtes Interesse an dem Dämon von Rosemont zeigt. Sie besucht jeden Tag des Prozesses gegen den Mann, schläft dafür sogar auf der Straße in der Nähe des Gerichtes. Als versierte Hackerin verschafft sie sich Zugang zu Informationen zu dem Fall, die eigentlich nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind, und sie nimmt es hin, dass ihr Tun sie den Job kostet. Darüber hinaus nimmt sie sich einer jungen Streunerin an, die den Beschuldigten für unschuldig hält und sich regelrecht in diesen verliebt hat. Auch hierbei bleibt Kelly-Annes Motivation lange im Dunklen. Diese erratische Hauptfigur und die konsequente Verweigerung, den Täter und seine Taten in den Mittelpunkt zustellen machen den Film zu einem starken Genrebeitrag.

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    #12398728  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Am Wochenende zweimal „Yesh!“ besucht, die Filmtage mit neuem aus der jüdischen Filmwelt:

    L’ombra del giorno (Giuseppe Piccioni, IT 2022) – grosses traditionelles Tränendrüsenkino, aber echt gut gemacht.
    Mehr z.B. hier:
    https://www.theguardian.com/film/2023/nov/09/the-shadow-of-the-day-review-old-fashioned-romantic-drama-with-war-lurking-on-the-horizon

    The Performance (Shira Piven, US/SK 2023) – Tanzfilm, Nazi-Groteske, Drama … ziemlich mitreissend und niederschmetternd zugleich. Und bisschen Crush: Maimie McCoy :heart: (Robert Carlyle hätte allerdings noch etwas mehr an seinem Deutsch schrauben können.)

    Mehr z.B. hier:
    https://variety.com/2024/film/reviews/the-performance-review-jeremy-piven-1235871811/

    Viel mehr schaffe ich an dem Festival wohl nicht mehr, die Doku über Roman Vishniac („Vishniac“ von Laura Bialis, USA 2023) möchte ich aber unbedingt noch sehen.

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    #12399006  | PERMALINK

    pfingstluemmel
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    Zuletzt gesehen:

    Aporia (Regie: Rec Revan – Aserbaidschan, 2019) 4/10
    The Substance (Regie: Coralie Fargeat – Frankreich/Großbritannien/USA, 2024) 9/10
    IO (Regie: Jerzy Skolimowski – Polen/Italien, 2022) 9,5/10
    Bara no sōretsu (Regie: Toshio Matsumoto – Japan, 1969) 9/10

    @motoerwolf: Ich kann deine Kritik an The Substance so gar nicht nachvollziehen, vor allem deinen Fokus auf die Ausgestaltung der weiblichen Hauptrollen. Für mich sind diese Platzhalter in einer Farce, die einer gesellschaftliche Fehlentwicklung mit den Mitteln des Splatterfilms zu Leibe rückt. Überhaupt: Splatter! Erinnert mich teilweise an die Arbeiten von Screaming Mad George in den 80ern. Mal ganz abgesehen vom makellosen Set-Design und der Fotografie. (Außerdem gibt es zu wenig Filme, in denen Menschen schmelzen. An dieser Stelle sei noch mal Street Trash empfohlen.)

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    #12399026  | PERMALINK

    motoerwolf

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    Macht ja nichts, dass wir bei The Substance nicht zusammenkommen. Du bist ja auch mit einer positiven Wertung nicht allein, was wiederum ich nicht verstehe. Schön aber, dass dir IO so gut gefällt, den fand ich auch großartig.

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    #12399036  | PERMALINK

    pfingstluemmel
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    Bei IO reicht es leider nicht ganz zur Höchstwertung, weil der menschliche Blickwinkel zum Vorantreiben des Plots mitunter ein wenig rausreißt. Alles andere macht mich glücklich.

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    #12399306  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Gestern im Kino: Say God Bye (Thomas Imbach, CH 2024) – toll! Zusammen mit dem britischen Cutter und Produzenten David Charap pilgerte Imbach im Herbst 2021 zu Fuss von Zürich nach Rolle, um Gott zu besuchen (oder heimzusuchen). Unterwegs entsteht der Film, in den Szenen und Bilder aus Godard- und Imbach-Filmen eingebaut sind, die Biographie von Imbach gestreift wird, die Rolle des Vorbildes Godard, dazu kommt ein Dialog mit Charap (die beiden verbindet eine längere Zusammenarbeit) und kommen diverse Begegnungen unterwegs sowie kurz vor dem Ziel ein Besuch in der Cinémathèque Suisse, inkl. Gang durch die Archive. Was ein wenig wie eine Nabelschau beginnt, entwickelt sich zu einem sehr vergnüglichen Buddy-Roadmovie mit einem guten Humor und durchaus philosophischen Zügen.

    Im Heimkino: Plan 75 (Chie Hayakawa, JP 2022) – auch das ein starker Film. Netterweise in der Originalversion mit Untertiteln gezeigt (vor Monaten mal im Schweizer Fernsehen).

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    #12399514  | PERMALINK

    motoerwolf

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    Critical Zone (Mantagheye bohrani / منطقه بحرانی, Ali Ahmadzadeh, 2023) (OMU)
    Für mich ein weiterer Beweis dafür, dass der Iran zur Zeit eines der spannendsten Filmländer ist. Leider jedoch konnte ich dem Film nicht so genießen, wie er es verdient hatte, da ich ziemlich übermüdet im Kino saß. Da der Film zudem extrem ruhig ist, mit langen Einstellungen und wenig Dialog, musste ich wirklich hart dagegen ankämpfen, nicht einfach einzuschlafen. Das aber sagt nichts über die Qualität des Filmes aus. Schon dessen Entstehungsgeschichte ist wirklich interessant, der ein oder andere hier wird es ja mitbekommen haben. Gedreht ohne Genehmigung, sogar trotz eines Arbeitsverbotes für den Regisseur, mit versteckter Kamera und nur mit Laiendarstellern. Es folgte eine Aufführung auf dem Filmfestival von Locarno, ebenfalls trotz eines Verbots der iranischen Regierung, bei dem Ahmadzadeh daher auch nicht selbst anwesend sein durfte. Für die Augen eines Europäers ist der Film zunächst einmal gar nicht so subversiv, aber wenn man sich bewusst macht, dass im Iran Drogendelikte mit dem Tod bestraft werden können, dass Alkoholkonsum strengstens verboten ist und dass die Sexualmoral extrem „konservativ“ ist (Homosexualität ist ebenfalls eine Straftat, unter den Mullahs wurden bislang über 4000 Homosexuelle hingerichtet) erkennt man die Sprengkraft, die dem Film innewohnt. So kommt es dann auch, dass der Verleih des Filmes vom deutschen Auswärtigen Amt gefördert wird, das ansonsten bisher nicht als ein Amt aufgefallen ist, das Drogendealer wie die Hauptfigur des Films besonders heroisiert. Allerdings ist dieser Dealer, Amir, auch etwas anders als seine Berufsgenossen in den meisten anderen Filmen. Er verkauft seinen Stoff nicht nur, er lindert damit tatsächlich in gewisser Weise das Leid vieler seiner Mitbürger, sei es der sterbende alte Mann, der von ihm mit Hashbrownies gefüttert wird, seien es die Prostituierten und der Transmensch, die er sogar gratis mit seiner Ware versorgt. Die Zärtlichkeit, mit der er dabei mit seinen Kunden umgeht ist schon fast irritierend, dass er er sogar als Heiler betrachtet wird, der mittels Drogen einen polytoxikomanen jungen Mann retten soll, noch mehr. So etwas ist tatsächlich in einer freien Gesellschaft kaum denkbar.
    Der Film lebt neben seiner Subversivität von seinen starken Bildern, die vornehmlich im Dunklen aufgenommen wurden und von einem passenden Soundtrack untermalt sind. Außerdem ist er in weiten Teilen ein Roadmovie, ein Genre, das ich sehr mag, und für mich jedenfalls der erste Vertreter des Genres, der dem Navi fast schon eine eigene tragende Rolle zugesteht.

    zuletzt geändert von motoerwolf

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    #12399546  | PERMALINK

    cleetus

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    Der Schakal (1997) – Überaus behämmert (Terror-Sniper Richard O’Gere hockt 20 Jahre im Bau, verfolgt den Mörder und mit ihm eine SWAT-Einheit, die ihm aber nur das Gewehr tragen, weil er immer noch besser snipern kann als eine Einheit Swat-Sniper die Tag ein, Tag aus nichts anderes tun als snipern zu üben??? Ich hasse sowas. Und Gere ist echt wack in dem Film.) aber ich vermute Bruce Willis hatte Spaß beim Dreh. Eine sehr tolle Szene, die alles vereint was 90er-Actionfilme an Flair und Farbigkeit für mich ausmachen, ist der Segeltörn von Kanada nach Chicago.

    The Substitute – Indiskutabel schrottige Stunts, dagegen stehen Szenen in welchen sich ein Auftraggeber von Tom Berenger in die Hosen scheißt, Marc Antony als durchaus bösartiger Gangbanger und William Forsyth (warum der nicht in einem Atemzug mit Gary Busey und Nick Nolte genannt wird – ein ewiges Rätsel. Großartiger Typ.).

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    Don't be fooled by the rocks that I got - I'm still, I'm still Jenny from the block
    #12400697  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Die letzten Tage im Kino noch zwei Besuche beim Yesh! und dazwischen ein letzter Film aus der Costa-Retro, die ich leider nicht vollständig geschafft habe.

    Checkout (Jonathan Dekel, IL/UA 2023) – eine Mossad-Komödie, sehr unterhaltsam und ziemlich toll gemacht, mit einem wenig vertrauenswürdigen Protagonisten, der beim Debriefing seine Geschichte erzählt, die dann in Rückblenden gezeigt wird, bei denen die ihn befragenden auch anwesend sind, ständig unterbrechen oder ins Geschehen eingreifend.

    Vishniac (Laura Bialis, USA 2023) – ein Portrait des – als Erzähler seiner Geschichte(n) ebenfalls nicht immer glaubwürdigen bzw. stark ausschmückenden – Photographen Roman Vishniac (1897-1990), der in den Dreissigerjahren die von den Nazis wenig später komplett vernichtete Welt der osteuropäischen Juden und ihrer Schtetl dokumentiert hat und sich nach der Flucht in die USA vor allem der Mikrophotographie widmete. Starker Film, in dem vor alem die Tochter Mara Vishniac Kohn (1926-2018), aber auch ein paar Enkel usw. zu hören und natürlich unzählige von Vishhniacs Foto- und auch ein paar Filmaufnahmen zu sehen sind, dazwischen aber auch immer wieder nachgedrehte Szenen … da bin ich weniger Fan von, aber unterm Strich sehr gut.

    Vitalina Varela (Pedro Costa, PT 2019) – eine Art Fortsetzung von „Cavalho Dinheiro“ und ebenso betörend, erschlagend, absorbierend … und ja: hier wird nicht nur das Licht absorbiert – die Leinwand bleibt an den Rändern meist dunkel, im zentralen Lichtkegel sind dann oft auch vor allem Schatten zu sehen – sondern quasi den ganzen Saal auffrisst. Atemberaubend gerade durch die Langsamkeit, das kompromisslose Insistieren. Könnte man Frame für Frame ins Museum hängen und Costa würde umgehend zum weltbekannten Künstler. Aber das scheint ihn ja nicht zu interessieren.

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    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 - 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
    #12401279  | PERMALINK

    thegreenmenalishi
    ...für gute Musik...

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    „I`m not there“ Dylan mal anders

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    ...she`s so many woman... Warren Zevon - Hasten Down The Wind (1976) „Same" ... woo me
    #12401343  | PERMALINK

    motoerwolf

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    Spiders – Ihr Biss ist der Tod (Vermines, Sébastien Vaniček, 2023)
    Milde Spoiler voraus: Endlich mal wieder ein Horrorfilm, an dem ich nichts auszusetzen habe. Im Gegenteil, so glücklich und zufrieden bin ich in letzter Zeit selten aus einem Horrorfilm gegangen. Und was ich so mitbekommen habe, ging es dem rest des Publikums (das waren aber nur sechs Leute) nicht anders.
    Die Grundstory ist genretypisch nicht besonders komplex (wobei das ehrlicherweise für die allermeisten Filme, egal welchen Genres zutrifft). Es geht um eine Gruppe junger Leute, die versuchen müssen, in einem von extrem aggressiven und giftigen Spinnen befallenen Gebäude irgendwie zu überleben. Die Hauptfiguren sind dabei alle schon vor dem Zwischenfall miteinander verbunden, in der Gruppe gibt freundschaftliche und amouröse Beziehungen, es gibt ein Geschwisterpaar, das ein angespanntes Verhältnis zueinander hat und zwei Jungs, die einmal beste Freunde waren, sich aber entzweit haben. Außerdem hat die Gruppe ganz unterschiedliche Beziehungen zu anderen Mietern in dem Hochhaus in einem Pariser Banlieue, was dem Zuschauer die Möglichkeit zu recht unterschiedlichen Emotionen bei den diversen Toden gibt.
    Besonders gelungen an Spiders sind in meinen Augen die wirklich glaubhaften Beziehungen der Figuren. In vielen Filmen dieser Art sterben Menschen, und der Rest der Gruppe geht im Grunde einfach darüber hinweg, als wäre nicht viel passiert. Das ist hier anders. Besonders beim Tod eines Mitgliedes der Hauptgruppe werden Trauer und Verzweiflung wirklich spürbar durch die intensive Darstellung. Und da die Figuren nicht nur glaubhafte Beziehungen zueinander haben, jede für sich genommen gut angelegt ist und auch gut gespielt werden, ist man als Zuschauer sogar emotional involviert und leidet mit, wenn mal wieder etwas schlimmes passiert. Und natürlich ist ein Film, dessen Figuren dem Zuschauer am Herzen liegen eben auch einer, der wirklich spannend ist. Gottlob sind auch die Effekte so gut, dass man nicht wie so oft durch schlechtes CGI oder grottige andere Effekte aus der suspension of disbelief gerissen wird.
    Zusätzlich interessant macht den Film, dass er eben in einem Banlieue spielt, die Mieter in dem Haus also letztlich alle in mehr oder weniger prekären Situationen stecken, meist auch einen Migrationshintergrund haben. Als dann der Obrigkeit klar wird, dass das Haus von extrem gefährlichem Ungeziefer (fr. Vermines, siehe Originaltitel) befallen ist, wird dieses Haus einfach unter Quarantäne gestellt. Versuche den Bewohnern zu helfen finden zumindest nicht erkennbar statt. So wird der französische Originaltitel doppelbödig, denn nicht nur die Spinnen sind Ungeziefer, für die Behörden scheinen auch die Menschen im Haus letztlich nicht mehr zu sein. Natürlich machen die Menschen diese Erfahrung nicht zum ersten Mal, weswegen sich von vorherein niemand darauf verlässt, dass die Polizei irgendwie hilfreich sein könnte. Dass diese letztlich jedoch sogar zum aktiven Gegner wird, ahnt aber zunächst einmal niemand.
    Jederzeit klar erkennbar sind die Einflüsse auf den Film. Man kann sicher davon ausgehen dass Vaniček (Regie und Drehbuch) und Florent Bernard (Drehbuch) Filme gesehen und gemocht haben wie Attack the Block (Joe Cornish, 2011), [●REC] (Jaume Balagueró / Paco Plaza, 2007) und Alien (Ridley Scott, 1979), und auch Filme wie Die Hard (John McTiernan, 1988) oder The Raid (Serbuan maut, Gareth Evans, 2012) können zum erweiterten Referenzfeld gerechnet werden. Wer diese Filme mochte, wird von Spiders zumindest nicht enttäuscht werden.

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    #12401733  | PERMALINK

    was
    You can call me "sam"

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    „Paul – Ein Alien auf der Flucht“ Greg Mottola

    <hr />

     

    sowie aus der John Wayne Box „Die Westernlegende “

    „Auf den Spuren der Vergangenheit“ (1931)

    Im Bann der Liebe (1927)

    Selbstjustitz, Ross Lederman (1933)

     

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    “Every weirdo in the world is on my wavelength.” Thomas Pynchon   www.radiostonefm.de      
    #12401809  | PERMALINK

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    Gestern im Kino:

    Three Women (Robert Altman, USA 1977) – was für ein grossartiger Film! Ich freue mich darauf, bis Ende Jahr in der gerade gestarteten Altman-Retro ein paar Lücken zu schliessen.

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    pfingstluemmel
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    Zuletzt gesehen:

    Kinetta (Regie: Yorgos Lanthimos – Griechenland, 2005) 4,5/10
    Something in the Dirt (Regie: Justin Benson/Aaron Moorhead – USA, 2022) 8/10
    Y todos arderán (Regie: David Hebrero – Spanien, 2021) 7,5/10
    After Midnight (Regie: Jeremy Gardner/Christian Stella – USA, 2019) 7/10

    Horrorfilme auf ihren Gruselfaktor zu reduzieren, war noch nie eine gute Idee. Die ausgelutschte Achterbahnanalogie darf ebenfalls endlich mal entgleisen und sich in Trümmer legen, denn besonderen Spaß macht Horror gerade dann, wenn er boshaft den Finger in die Wunde(n) der Angepassten legt.
    In Y todos arderán seziert David Hebrero gehässig die behaupteten Moralvorstellungen durch den Katholizismus verdorbener spanischer Dorfbewohner. Bigotte, hundsgewöhnliche Christenmenschen werden in aller Farbenpracht vorgeführt, Gelb zieht sich als Leitmotiv durch den Film.
    Prächtiges Setdesign, hochwertige Kameraarbeit, eigene Kostüme, toller Soundtrack – alleine dafür lohnt es sich zuzuschauen. Das Dorf als Zentrum des Bösen – was vermag die Hölle schon dagegen auszurichten? Das andere Böse, das klassische Böse, scheint hier manchmal verwirrt, wenn es auf die Widerlichkeiten der Menschen schaut.
    Es mag anachronistisch wirken, in unseren Zeiten noch mit dem Finger auf Katholiken und Bürger zu zeigen, doch religiöse Irre schicken sich mal wieder an, es für alle anderen zu verderben. Legen wir ihnen das überbewertete Handwerk.

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