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katsche
22. Lankum (Theater des Westens, 23.9.) *
Oha! Musikalische oder politische Gründe?
Nun, das ist bei Lankum ja nicht mehr scharf zu trennen.
Vorweggeschickt sei, dass ich mir überhaupt nur sehr früh im VVK eine Karte gekauft hatte, weil das letztjährige Lankum-Konzert im Gretchen so ein Desaster war – und ich die Band wirklich noch einmal richtig hören und sehen (im Wortsinn) wollte. Deshalb hatte ich auch eine Topplatz im Parkett und konnte das Geschehen auf der Bühne und drumherum sehr gut verfolgen. Vorausgeschickt sei ebenso, dass ich es mittlerweile ebenfalls gewohnt bin, dass Künstler*innen (v.a. aus dem UK/Irland) meinen, unbedingt von der Bühne aus Statements zum Nahost-Konflikt abgeben zu müssen oder gleich wortlos Palästina-Flaggen schwenken und im Publikum „Free Palestine“ gebrüllt wird. Wenn man das nicht über sich ergehen lassen will, wird es knapp mit Konzerten in Berlin – zumindest im „progressiven“ bzw. „Indie“-Bereich. Mir war aber nicht klar, wie sehr sich die Band Lankum offenbar mittlerweile radikalisiert und ihr Pro-Palästina-Engagement zum „Markenkern“ gemacht hat.* Andere Besucher*innen wussten das scheinbar schon: Die Anzahl der Kufiya-Träger*innen im Publikum war hoch. Auch das im Prinzip nichts Ungewöhnliches, wenn man dieser Tage in Berlin auf Konzerte geht. Doch mir kam es so vor, als ob manche Aktivist*innen nur dafür gekommen waren, um die politischen Statements der Band (und im gleichen Zuge dann sich) abzufeiern.
Nach der langen Vorrede nun zum eigentlichen Vorfall, der mich wirklich nachdrücklich erschüttert hat. Wie gesagt, dass die Band wie viele andere auch bei ihren Konzerten Stellung für die Palästinenser*innen bezieht, wusste ich. Bei dem Konzert im Gretchen haben sie aus meiner Erinnerung aber zumindest hinterhergeschickt, dass sie generell gegen die Tötung von Unschuldigen sind und jeden religiösen Fanatismus ablehnen. Davon war gestern keine Rede mehr. Im Gegenteil. Zunächst fabulierte Ian Lynch von gezielten Tötungen, bei denen palästinensischen Kindern von hinten in den Kopf geschossen werde. Was mit „Free Palestine“-Rufen und stehendem Applaus eines Teils des Publikums quittiert wurde. Dann spielte er die eigens adaptierte Version von „The Rocks Of Bawn“, die bei Lankum natürlich „The Rocks Of Palestine“ heißt und in der zum „Widerstand“ aufgerufen wird. Nach dem Song erneut frenetischer Applaus von den üblichen Teilen des Publikums. Ganz links vor der Bühne, in der ersten oder zweiten Reihe, genau vor Ian Lynch erhob sich ein Hipster-Aktivist und formte mit seinen Händen das umgedrehte Dreieck. Daraufhin nutzte die Band keineswegs die Chance, sich gegen die Hamas auszusprechen, sondern nahm die terrorverherrlichende Geste feixend, ja zustimmend zur Kenntnis.
Ok, meine Erwartung einer Widerrede war zu diesem Zeitpunkt natürlich ziemlich naiv: Es war zuvor, spätestens bei dem Kindermord-Topos, schon genug antisemitische Stimmung gemacht worden, so dass klar war, wo die Band steht. So richtig wahrhaben wollte ich das anfangs jedoch einfach nicht. Das war wirklich eine Erfahrung, die ich mir gerne erspart hätte! Von der Penetranz zur Militanz oder vom Missionarischen zum Fanatischen sind es oftmals nur kleine Schritte. Lankum ist die meines Erachtens gegangen, darum bin ich fertig mit der Band.
Und ganz grundsätzlich noch: Mir passt es einfach nicht, bei einer Kulturveranstaltung „politisch in Geiselhaft genommen zu werden“, wie das ein anderer konsternierter Konzertbesucher gestern ausdrückte. Ich möchte bei einem Konzert Musik hören und nicht von der Bühne mit (freundlich formuliert) politischem Mumpitz malträtiert werden. Zu dem Abend passte dann übrigens noch die völlig außer Kontrolle geratene Lichtshow, für die es dringend einen Warnhinweis für Epileptiker*innen hätte geben müssen. Andererseits fügte die sich aber natürlich perfekt in dieses widerliche Raunen ein, das den gesamten Auftritt begleitete.
* Ich verfolge keine sozialen Medien und habe gestern erst im Nachhinein nachgelesen, was die Band in letzter Zeit so für Äußerungen getätigt hat. Hätte ich das gewusst, wäre ich gar nicht erst ins Theater des Westens gegangen (wie offenbar Andere es taten: trotz „ausverkauft“ waren doch auffallend viele Plätze im Parkett unbesetzt).
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