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Vorhin Joe Diorios Solo-Album – das einzige der vier Art of Life-Reissues, das schon etwas länger da ist und nicht zum ersten Mal läuft (die zwei weiteren habe ich für morgen bereit gelegt).
Charles Tyler schlägt in „Folly Fun Magic Music“ neue Wege ein: er spielt viel Tenorsaxophon (neben dem üblichen Alt und Bariton), es gibt einen „Shownee Indian Song“, der an Jim Pepper denken lässt, und einen Folk-Blues singt er auch noch und ummalt ihn gleich selbst mit Bluesharp, während er anderswo zur Panflöte greift (wie passend, dass ich heute Nachmittag im Kino dank Peter Weir eine Überdosis Gheorghe Zamfir gekriegt hab). Die Aufnahmen entstanden im November 1990 und Februar 1992 an je zwei aufeinanderfolgenden Tagen mit Rémi Charmasson (g), Jean-Pierre Jullian (d) sowie Christian Zagaria (vla) und Bernard Santacruz (b). Letzterer beeindruckt im etwas albernen Opener gleich mal (einer Adaption des Walkürenthemas von Wagner, „Ride of the Phantom Politician (For Richard Wagner), nur der Opener und das folgende zweite sind in Quintettbesetzung. Vom vierten bis zum siebten Stück – das Album enthält acht – setzt Santacruz dann aus und die sehr geschäftigen Trap-Drums von Jullian sind bemüht, den Platz zu füllen, Zagaria hilft auf zwei der Stücke. Den Closer spielen Tyler (as) und Santacruz dann im Duo – sehr schön! Obwohl es so viele unterschiedliche Dinge vereinigt, funktioniert das Album als ganzes recht gut, finde ich.
Worte gibt es auch im letzten Album wieder, „Mid Western Drifter“, am 30. und 31. März 1992 aufgenommen. Am 28. Juni starb Tyler (*20 Juli 1941) und dieses letzte Album ist ein sehr persönlicher Schlusspunkt, gerade in der vielleicht (oder auch nicht, so schlau war Tyler natürlich) autobiographischen Geschichte, die er im Opener erzählt, bevor er zum Altsaxophon greift – dem einzigen Instrument, das er hier spielt. Die Band ist mit Curtis Clark (p) und Didier Levallet (b) auch reduziert. Es gibt Widmungen an Monk („Blue Monk“, „‚Round Midnight“), ein „Photo of Cecil Taylor and Jimmy Lyons“, „Man Alone (for Chris McGregor)“, einer Marie C. ist der love song „There Was a Flower Near Napoli“ gewidmet“ – nur „Life Can Be So Beautiful“ ist keine offensichtliche Hommage und gehört nicht zu den vier Stücken, zu denen im Booklet was steht. Allerdings könnte der Song – inkl. Gesang – durchaus von jemandem wie Mose Allison oder Bob Dorough stammen (der Gesang ist sehr viel souveräner als auf dem Folk-Blues des Vorgänger-Albums, finde ich). Levallet überzeugt ebenfalls sehr – er lässt etwas mehr Luft als Santacruz, der auf dem Vorgänger-Album mit seiner unglaublichen Präsenz ein wenig an Haden erinnert. Und Curtis Clark ist ja bereits vom Live-Mitschnitt aus dem Sweet Basil vertraut … und eh ein toller Pianist, dessen Name viel zu selten fällt (auch bei mir, aber er ist immerhin mit vier Leader-Alben vertreten, dreimal Nimbus West und einmal NoBusiness). Das ist nachdenklicher und oft deutlich freier als das zweitletzte Album.
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 (Teil 1) - 19.12.2024 – 20:00; #159: Martial Solal (1927–2024) – 21.1., 22:00; #160: 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba