Antwort auf: Heavy Metal

#12280125  | PERMALINK

zoji

Registriert seit: 04.10.2017

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Erst einmal danke für den Interview-Ausschnitt. Ich hatte selbst schon einmal oberflächlich recherchiert, ob die Band sich einmal zu ihrer Namenswahl erklärt hat, war aber nicht fündig geworden. Mein eigenes politisches Bewusstsein erwachte erst ein paar Jahre später, zu dem Zeitpunkt war die Redewendung vom „nuklearen Holocaust“ dann auch im linken Spektrum Allgemeingut, weshalb ich die Erläuterung zumindest nicht völlig unglaubwürdig finde. Das war vielleicht etwa auch die Übergangszeit, in der der ursprünglich umfassendere Begriff Holocaust sich praktisch zum Synonym für die Shoah entwickelte.

Zwei Aspekte die für mich einschränkend entlastend hinzu kommen: Aus der Ferne betrachtet habe ich immer den Eindruck gehabt, dass es im UK vergleichsweise viele geschichtlich interessierte Laien gibt, die eine gewisse Horror-Faszination für den Nationalsozialismus empfinden, ohne das dies mit Identifikation gleichzusetzen wäre. Am Ende mündet das dann auch schon einmal in einem ironischen oder sarkastischen, aber auch unbedarften oder sogar nachlässigen Umgang, bis schließlich ein junger Prinz in Naziuniform beim Karneval erscheint (wofür er, wenn ich mich richtig erinnere, reichlich und zurecht mediale Prügel bezog).

Der zweite Aspekt ist, dass die Band mit diesen Nazi-Anleihen meiner Beobachtung nach wiederum speziell im R&R in GB der damaligen Zeit keineswegs alleine stand. Mir fällt dazu etwa das Foto von Sid Vicious im Hakenkreuz-T-Shirt ein. Oder Lemmy mit seinem Memorabilia-Fimmel oder dass auf dem frühen Snaggletooth ein Hakenkreuz abgebildet war. Zwar ist mir selbst die Lust, sich mit ekligem Geraffel zu umgeben völlig unverständlich, aber er hat für mich überzeugend dargelegt, kein Nazi zu sein. Und war da nicht auch etwas mit Bowie? Ich werte das eher als mehr oder minder jugendliche, mindestens naive, meinetwegen auch strunzdämliche, unreflektierte Provokationslust, die nicht zwingend Rückschlüsse auf die Gesinnung zulässt.

Für uns als Angehörige der Täternation ist das vielleicht schwer nachvollziehbar, aber bei Angehörigen einer Nation, die selbst unter Naziterror gelitten und wesentlich zum Sieg über Nazideutschland beigetragen hat, würde ich eine andere Sensibilität und einen daraus resultierenden anderen Umgang mit der Geschichte bis zu einem gewissen Grad tolerieren.

Sofern diese Beobachtungen und meine Einordnung zutreffend sind tue ich mich unter Berücksichtigung des Umfeldes daher schwer damit, ein paar blutjunge Briten der ausgehenden 70er wegen dieser Namenswahl zu verurteilen (bei einer deutschen Band würde ich das anders bewerten). Gänzlich vom Haken sind sie damit für mich dennoch nicht. Die Benennung einer Rockband nach einem barbarischen Genozid bleibt mindestens eine Banalisierung der Geschichte. Auch der Interviewausschnitt erklärt nicht, was sie eigentlich als hoffentlich gereifte Persönlichkeiten daran gehindert hat, eine Umbenennung vorzunehmen. Ich kann daher auch jeden verstehen, der lieber die Finger von ihnen lässt.

Ich selbst bin beinahe Jahrzehnte um The Nightcomers herumgeschlichen, bevor ich meine Vorbehalte über Bord warf. Musikalisch ist das auch für mich einer der Höhepunkte der NWOBHM.

zuletzt geändert von zoji

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Und lieg´ich dereinst auf der Bahre, dann denkt an meine Guitahre, und gebt sie mir mit in mein Grab (Der rührselige Cowboy, D. Duck)