Antwort auf: Alice Coltrane

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vorgarten

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the carnegie hall concert (1971)

eine wirklich wichtige archivveröffentlichung, aus viele gründen. bemerkenswert ist die strenge zweiteilung des konzerts – und damit auch des albums – in eine harfendominierte textur-musik mit material aus dem kurz davor aufgenommenen JOURNEY IN SATCHIDANANDA, mit shepp und sanders auf flöten und sopransaxofonen, und eine wilde freejazz-explosion mit john-coltrane-material („africa“ und „leo“), für das alice ans klavier geht und pharoah & archie auf tenorsax wechseln. der aktuell populäre zugang läuft wohl eher über teil 1 und wird bestens bedient – wirklich spektakulär finde ich aber den gut strukturierten ausbruch danach, der so viele wow-momente hat, dass selbst ed michel, der damalige produzent, bei der differenzierung ins straucheln kommt. pharoah UND archie – das gibt es sonst nicht; ed blackwell in diesem kontext auch nicht; jimmy garrison UND cecil mcbee ist keine weniger spannende paarung. und das alles muss man betonen, weil alle im zweiten teil große auftritte haben und man wirklich genau unterschiedliche sax-, bass- und drums-stile aus der post-(john-)coltrane-zeit studieren kann. blackwells soli sind atemberaubend – und wenn alice im letzten stück ihr einzigen großes solo zusammenhaut, ist das wirklich ein gänsehautmoment, weil man hört, welch valider eigener freejazz-klavier-ansatz das ist.

sound ist gut, ed michels reference tape für den bürogebrauch ist noch halbwegs intakt, nur zu beginn von „shiva-loka“ gibt es einige schäden. man bekommt stereo, gute bass- und drums-sounds, kein wunder, das ganze war ja wirklich zur veröffentlichung gedacht, hätten die labelchefs nicht so wenig lust auf coltranes spiritual jazz gehabt und wären die tapes nicht weggeworfen worden, weshalb man nun nur das qualitativ auf 80% heruntergestrippte band hat, das darüber hinaus ja 53 jahre alt ist.

man könnte jetzt noch eine menge schreiben, ich finde ja vor allem den sanders/shepp-vergleich sehr reizvoll. verrückt jedenfalls, dass die band eigentlich nur 20 minuten spielen sollte, zwischen laura nyro und den rascals (als hauptakt), dann reagierte das publikum aber überraschend verzaubert auf die harfentexturen (wie man hört), der produzent ließ es weiterlaufen, und beim john-coltrane-gedächtnis-krawall gab es dann kein halten mehr. und alices spiel klingt so, als hätte sie das im vorfeld schon alles gewusst.

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