Antwort auf: 2022 & 2023 & 2024: jazzgigs, -konzerte, -festivals

#12239809  | PERMALINK

gypsy-tail-wind
Moderator
Biomasse

Registriert seit: 25.01.2010

Beiträge: 67,186

David Virelles Trio – Moods, Zürich – 22.01.2024
David Virelles-p, Vicente Archer-b, Eric McPherson-d

Virelles/Archer/McPherson waren grandios gestern – und nach dem Live-Erlebnis nicht weniger rätselhaft. Afro-cubanischer war es definitiv, was kaum mit der Personalie (Vicente Archer statt Ben Street) zu tun hat. McPherson spielte völlig anders als neulich mit dem Boderlands Trio – und war doch unverkennbar derselbe Drummer (obwohl: so richtig zu greifen kriege ich ihn nicht). Archer war auf der Skala von „gehört“ bis „gefühlt“ ein gutes Stück näher an letzterem als Street, aber der Live-Sound war für einmal von Anfang an sehr stimmig (nicht sauber getrennt sondern irgendwie sehr eng/vermischt) … zwei Sets, das erste um die 50, das zweite dann knapp 40 Minuten aber dann noch eine lange Zugabe, die mit einem tollen Klavier-Solo begann. Neben eigenen Stücken (alle blätterten ständig in Noten und Virelles/Archer blicken auf regelmässig auf diese, aber das schien die drei überhaupt nicht auszubremsen) gab es ein paar kubanische Klassiker auch einen richtig alten, von einer Band, die in den 30ern/40ern aktiv war, deren Namen ich aber nicht verstehen konnte. Die Art, wie die drei ein paar Augenblicke nach dem ersten Downbeat mitten drin waren, erinnerte mich ein wenig an den Gig neulich vom James Brandon Lewis Quartet – aber Virelles‘ Trio atmete sehr viel mehr, wirkte um Welten offener und spontaner, überhaupt abgekartet (das wäre eine kleine Kritik an JBL, dass vieles – inzwischen? – etwas festgefahren wirkt, auch ein wenig als Star plus Begleitung, egal wie toll letztere ist … Chad Taylor fand ich in dem Set glaub ich zum ersten Mal ein wenig enttäuschend). Jedenfalls konnte das von ganz simplen Beats oder einem zwei, drei Töne umfassenden Bass-Lick ausgehen und wenig später fand man sich mitten im Sturm, da ging auch mal ein Ellbogen auf die Tastatur und es gab die so typischen kubanischen Brillanz-Darbietungen, oder auch mal den über die ganze Tastatur – alle weissen Tasten – hoch- oder runtergezogenen Zeigefinger … mich hat das vollkommen gepackt, vom ersten bis zum letzten Ton, gerade auch weil es so vielfältig war (und doch keinerlei 4/4-Swing, den ganzen Abend nicht), auch wunderschöne zarte Momente, karge Grooves, verkantetes Zeug zwischen dem Flow – oder im Flow drin sogar. Toll!

--

"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #152: Enja Records 1971-1973 – 14.05., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba