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Zürich, Opernhaus – 22.12.2023
Sweeney Todd
The Demon Barber of Fleet Street, A Musical Thriller
Musik und Liedtexte von Stephen Sondheim (1930-2021)
Buch von Hugh Wheeler, nach dem Theaterstück von Christopher Bond
Musikalische Leitung David Charles Abell
Inszenierung Andreas Homoki
Ausstattung Michael Levine
Kostüme Annemarie Woods
Lichtgestaltung Franck Evin
Choreografie Arturo Gama
Choreinstudierung Janko Kastelic
Dramaturgie Beate Breidenbach
Sweeney Todd Bryn Terfel
Mrs. Lovett Angelika Kirchschlager
Anthony Hope Elliot Madore
Beggar Woman Liliana Nikiteanu
Judge Turpin David Soar
The Beadle Iain Milne
Johanna Heidi Stober
Tobias Ragg Spencer Lang
Pirelli Daniel Norman
Jonas Fogg Cheyne Davidson
Zwei Damen Maria Stella Maurizi, Dominika Stefanska
Fünf Herren
Raúl Gutiérrez, Christopher Willoughby, Maximilian Lawrie, Gregory Feldmann, Jonas Jud
Philharmonia Zürich
Chor der Oper Zürich
Statistenverein am Opernhaus Zürich
Freitag bin ich dann in die Wiederaufnahme von „Sweeney Todd“, das vor fünf Jahren im Herbst 2018 Premiere feierte – die erste Musicalproduktion an der Zürcher Oper seit vielen Jahren. Und was für eine! Die Inszenierung war für den hier überaus beliebten Bryn Terfel gemacht worden – von Andreas Homoki, dem Intendanten des Hauses. Die einfache aber effektive Bühne erinnerte dabei an „Lunea“ und „Wozzeck“, zwei andere sehr gelungene Inszenierungen von Homoki der letzten Jahre – ein paar höhenverstellbare Stege, die auch zum Wänden, Mauern werden konnten, mittels derer die Gesellschaftsschichten abgebildet werden konnten, aber auch die Unterwelt des Pastetenladens der Mrs. Lovett (Angelika Kirchschlager), in die Todds Opfer aus dem kippbaren Friseurstuhl hinunterrutschten. Rund um die Bühne ein Rahmen von Glühbirnen, gelben Lämpchen, die „Musical“ aber auch „makaber“ gleichermassen signalisierten.
Terfel und sein kongenialer Sidekick Kirchschlager (zu der in den Rezensionen von 2018 steht, das sei ihr letzter Auftritt auf der Opernbühne?) waren erneut mit dabei, ebenfalls der Dirigent und von den kleineren Rollen auch Madore, Nikiteanu, Milne und Lang (ev. auch Davidson). Und auch Dirigent David Charles Abell war erneut dabei – er hat einst u.a. bei Leonard Bernstein studiert und auch mit Sondheim gearbeitet. Sein Verdienst ist es, dass das Orchester nicht nur wohlklingend sondern auch schrill und ruppig klingt, derb und heftig, wenn das gefragt ist.
Die Sänger*innen wurden leicht verstärkt – manchmal fiel das kaum auf, andere Male sehr. Trotzdem war die Balance nicht immer perfekt, die Stimmen etwas zu leise. Und das, obwohl die Klänge aus dem Graben gar nicht so laut waren. Dort sass die Philharmonia in etwas anderer Besetzung als üblich sass, z.B. mit nur eine Klarinette und ein Fagott. Dafür hatte das Blech viel mehr Arbeit als üblich – aber in aller Regel nur dann, wenn auf der Bühne niemand sang. Zudem gab es neben einer Orgel noch einen zweiten Tastenjob, der Celesta, Harmonium und ein Keyboard umfasste. Kompakt ist diese Musik, eben nicht rockig, nicht jazzig, nicht an „Hair“ oder andere Hits des Genres erinnernd, sondern an Prokofiev oder Debussy, an Stravinsky oder Weill. Sondheim zitiert Opernformen, streut in dieses endzeitliche Grand-Guignol-Sozialdrama so viel ein, dass es einem schwindlig werden könnte: auf ein Arioso folgt ein Bänkellied, auf eine Ballade ein Patter-Song, eine Passacaglia auf einen Walzer, es gibt Leitmotive für die Figuren … und das alles ist zu einer harmonisch unglaubliche reichen Partitur verdichtet, die für meine Ohren als ganzes wie aus einem Guss klang.
Überaus beeindruckend jedenfalls – Musik, Inszenierung, Aufführung!
Bild: Opernhaus Zürich, Monika Rittershaus
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