Antwort auf: Konzertimpressionen und -rezensionen

#12150409  | PERMALINK

yaiza

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… ich habe mich mal vom gypsy-Fleiß inspirieren lassen und einen kleinen Blick auf das Young Euro Classic nicht weiter aufgeschoben:

In diesem Jahr war ich seit 2019 mal wieder beim Young Euro Classic (4.-27.08.2023) im Konzerthaus Berlin. Nach Blick auf den Konzertplan hatte ich mich sehr schnell für die Abende der Jugendorchester von Rumänien und Frankreich entschieden… und zwei Abende mit internationalen Jugendorchestern kamen während des Festivals noch hinzu. Die Stimmung bei diesen vier Konzerten empfand ich wieder als eine ganz besondere. Die Auslastung wird wieder sehr hoch gewesen sein. Einige Konzerte waren bei meinem Blick ins Programm bereits ausverkauft. Dlf Kultur hatte 5 Konzerte aufgezeichnet (JO Ukraine, Rumänien, Georgien, Usbekistan und NYO Jazz) und später ausgestrahlt, der rbb hatte das des Concertgebouw Young übernommen und auch später im Rahmen des ARD Festivals gesendet. Schön, dass dieses Festival weiterhin auch im Radio präsentiert wird. Beim NYO Jazz weiß ich es nicht, aber alle Orchester mit Radioübertragung hatten Werke, die in den letzten Jahren komponiert wurden, im Gepäck. Die Sendungen (gut mit Erklärungen und Interviews aufbereitet) zu Georgien und Usbekistan und die Einblicke in die Klangwelten der neuen Werke fand ich besonders interessant.

Hier kurz Eindrücke von den besuchten Aufführungen.

13.08.2023 — Jugendorchester Rumänien, Ltg. Cristian Mandeal
ALIN CHELĂRESCU: „Panicandemica“(2021); POULENC: Konzert für zwei Klaviere und Orchester (Oxana Corjos, Cristian Niculescu, p.); SCHUBERT: Symphonie C-Dur „Die Große“ D 944

(Hierzu hatte ich kurz im Hörfaden geschrieben und hierfür herausgesucht.)
„Panicandemica“ von Alin Chelărescu erinnerte an die Stimmung zu Anfang der Pandemie (war alles dabei… flirrende Klänge, Klopfen auf die Streichinstrumente als „Einschläge von Sargnägeln“, verschiedene Klagegesänge vom Konzertmeister gespielt…). Ich vermisse aktuelle Werke im Programm und freute mich, dass die Rumänen eines mitbrachten. Das Poulenc Konzert für zwei Klaviere kannte ich noch nicht, aber ich hatte viele interessante Eindrücke und mir auch schon eine CD zum Weiterhören besorgt. Die Zugabe („Brasileira“ aus Milhauds „Scaramouche“) war toll arrangiert; erst die beiden Pianisten und dann stiegen Mitglieder des Orchesters nach und nach ein. Im zweiten Teil die „Große C-Dur“ von Schubert. Im Saal war es so still, die Stimmung so konzentriert. Ich fand es interessant, das Werk mit einem Jugendorchester zu hören und Satz für Satz mit den jungen Musikern „mitzulaufen“. Ich bekam einen Eindruck zu sehr schwierigen Stellen und im Scherzo litt ich auch ein bisschen mit (wohl keine Kürzung durch Streichung von Wdh). Im Finale gaben sie dann nochmal alles. Am Ende langer Applaus und ein gerührter Cristian Mandeal , der sich für die „große Spende an Energie“ bedankte und dem Publikum mit der Musik zum 3. Aufzug aus „Rosamunde“ noch etwas zur Beruhigung zum Abend mitgab.

 

23.08.2023 — Gustav Mahler Jugendorchester, Ltg. Jakub Hrůša
GUSTAV MAHLER: Symphonie Nr. 9 D-Dur

Zu Mahler 9 überlegte ich, ob es für mich nicht doch zu früh ist, eine Aufführung im Saal zu hören. Sehr viel Bezug hatte ich noch nicht aufgebaut und ich war längere Zeit sogar auch auf der Suche nach einer Aufnahme, die mich so richtig packt. (Hat sich mit CZ Phil./Ancerl ja geklärt.)
Die Gelegenheit, diese Sinfonie im Konzerthaus zu hören, wollte ich mir dann doch nicht entgehen lassen. Sie passt vielleicht nicht so in den Sommer, aber das Timing war dann doch nicht schlecht. Das Publikum bei diesem Festival kommt mir sehr ruhig und wertschätzend vor und dass die Erkältungskrankheiten im August noch nicht weit verbreitet sind, kann ja nur ein Gewinn sein. Ich kann gar nicht viel zur Aufführung schreiben. In meinen Ohren hörten sich alle vier Sätze spannend an und es gab für mich keinen Moment, in welchem mein Hörinteresse abriss oder gar schwand. In diesem Fall war der Konzertbesuch schon auch Türöffner zum intensiveren Hören.

 

25.08.2023 — Concertgebouworkest YOUNG, Ltg. Andrés Orozco-Estrada
TSCHAIKOWSKI: Fantasie-Ouvertüre zu „Romeo und Julia“; BRUCH: 1. VK g-Moll op. 26, Maria Dueñas, v.; CARLIJN METSELAAR: „the muscle that raises the wing” (2023, DEA); MUSSORGSKI: „Bilder einer Ausstellung“ (orch. Ravel)

Mitten im Festival bekam ich dann mehr Lust, noch ein Konzert zu besuchen. Als ich auf den Sitzplan für dieses Programm schaute, waren gar nicht mehr viele Sitzplätze frei, aber immerhin gab es welche. Andrés Orozco-Estrada erklärte vor dem Konzert, dass 14-17 Jahre alte Musiker*innen aus verschiedenen europäischen Ländern für die Arbeitsphase im Sommer (ca. 2 Wochen) und anschließenden zwei Konzerten ausgewählt wurden. Sie spielten ihr Programm erst in Amsterdam und dann in Berlin (im VAN-Magazin von August wurde das Projekt, das seit Herbst 2018 läuft, näher vorgestellt und auch kurz beschrieben, dass eher Jugendliche, die nicht schon auf andere Art und Weise gefördert werden, eine Einladung erhalten). Ich saß mit auf den letzten Plätzen im Haus… hinterer Bereich im 2. Rang, aber ich hatte ein unglaubliches Klangerlebnis. Ich denke, dass die wirklich noch sehr jungen Musiker*innen ein ganz wunderbares Konzert spielten und es kann zusätzlich auch sein, dass sich der Klang dort in der Ecke gut mischt. Jedenfalls wird mir das als so Klangrausch-Abend in Erinnerung bleiben. Die junge Geigerin Maria Dueñas zu hören, fand ich auch interessant. Live hat sie schon eine große Bühnenpräsenz — auch von der hintersten Ecke zu spüren. Im online „El Pais“ hatte ich schon zu ihr gelesen, ebenfalls mitbekommen, dass sie einen Vertrag bei der DG erhielt usw. In Interviews spricht sie auch vom Interesse an zeitgenössischer Musik. Nach den „Bildern“ von Mussorgski sprang das Publikum im Schlussapplaus euphorisiert auf. Sowas hatte ich noch nie erlebt. Das Orchester spielte noch „Nimrod“ aus den Enigma-Variationen von Elgar als Zugabe und danach gab’s kein Halten mehr. Der Beifallssturm begann. Ich selbst muss auch sagen, dass ich richtig begeistert war, obwohl drei der gehörten Werke nicht so meiner Hörauswahl entsprechen. Da das Konzert schon um 19.00 Uhr begann, hatte ich mich vorher noch mit zwei Freunden verabredet, verließ dann auch den Saal (da war auf der Bühne eigentlich nur noch ein großes Menschenknäuel zu sehen) und wurde draußen gleich gefragt, was denn da drinnen los sei. Durch die offenen Türen konnte man den Applaus weiterhin hören. Keine Ahnung, wie lange das noch ging. :)

 

27.08.2023 — Orchestre Français des Jeunes, Ltg. Michael Schønwandt
HARTMANN: Symphonie Nr. 5 „Symphonie concertante“; RAVEL: Konzert für Klavier und Orchester (Alexandre Tharaud, p.); TSCHAIKOWSKI: Symphonie Nr. 4 f-Moll

Als ich sah, dass eine Hartmann-Sinfonie auf dem Programm steht, war ich gleich dabei. Selbst hatte ich mir mal die #1-4 ausgeliehen, bin aber mit dem Hören nicht weit voran geschritten. Michael Schønwandt war von 1992-98 Chefdirigent des Berliner Sinfonie-Orchesters (später umbenannt in „Konzerthausorchester“). Für einige im Publikum war das also ein „altbekannter“ Dirigent des Schlussabends des Festivals. Mir ist er erst in diesem Frühsommer mit den Nielsen-Sinfonien (Aufn. DNSO) „begegnet“. Die Aufnahmen haben in mir dann doch Interesse für den Zyklus ausgelöst und mir gefallen sie bei jedem Hören mehr (sehr fein, nicht gefühlsverstärkt). Die 5. Sinfonie von Karl Amadeus Hartmann ist vermutlich gar nicht einfach zu spielen. (Aufstellung vorn 6 Celli frontal zum Publikum und dahinter die Bläser und Schlagwerk; ich hatte Weill VK-Assoziationen und weiß gerade nicht mehr, ob auch Kontrabässe beteiligt waren). Der 2. Satz heißt „Melodie (Hommage à Strawinsky)“ und Hauptdarsteller ist dann auch das Fagott. Das Orchester kämpfte sich durch einige Passagen, das Hören fand ich auch nicht immer einfach, die Neugier bei mir ist aber geweckt. Gut, dass nicht nur die Klassiker gespielt werden. Beim anschließenden Ravel KK dann ein ganz anderes Bild. Da verbanden sich Solist Alexandre Tharaud, Dirigent und Orchester in wahrer Spielfreude. Auf die Tschaikowski-Sinfonie war ich dann gespannt. Mit der #4 im Programm konnte ich auch gut leben und ich erwartete viele Farben, aber nichts Aufgedrängtes und wurde nicht enttäuscht. Mich spricht es an, wenn sich Dirigent und Orchester nicht in eine Schwelgerei begeben. Michael Schønwandt nahm ganz feine Abstufungen vor. Mich hat‘s beeindruckt. Zum Schluss drehten sie dann aber doch bei den Zugaben auf: Tschaik Blumenwalzer und eine „Nummer“ aus „L’Arlésienne“-Suite (Bizet).

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