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03.09.2023 – Basel, Stadtcasino – Sinfonie mit Orgel
Kammerorchester Basel
Nodoka Okisawa Leitung
Anastasia Kobekina Violoncello
Simon Peguiron Orgel
GUY BOVET: Divertimento für Violoncello, Orgel und Orchester (Auftragskomposition, Uraufführung)
EDWARD ELGAR: Konzert für Violoncello und Orchester in e-Moll
Zugabe: VLADIMIR KOBEKIN: Gallardo (Variations on an Ancient Theme for Violoncello and Tambourine) (mit Tilmann Collmer, Tamburin)
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CAMILLE SAINT-SAËNS: Sinfonie Nr. 3 in c-Moll «Orgelsinfonie» (bearbeitet als Konzert für Orgel und Orchester von Guy Bovet)
Ein kleiner Exkurs, bevor noch der Epilog aus Luzern forgt: die Saisoneröffnung des Kammerorchesters Basel.
In ungewöhnlich grosser Besetzung bestritt das Kammerorchester Basel vor einer Woche seinen Saisonauftakt – am selben Sonntag, an dem ich noch die Matinée in Luzern hörte. Am Pult stand Nodokawa Okisawa, eine junge japanische Dirigentin. Und gleich zwei Solist*innen waren dabei: Anastasia Kobekina am Violoncello und Simon Peguiron an der Orgel.
Los ging es mit einer Uraufführung von Guy Bovet, der in der Konzerteinführung damit kokettierte, dass er eher der Gebrauchsmusik als dem ernsten Komponieren zuspreche. Sein Divertimento für Violoncello, Orgel und Orchester scheint das erste Werk für diese Besetzung zu sein – ein viertelstündiger musikalischer Scherz, farbenfroh mit Kuckucksrufen, Schwanengesängen, einem entgleisenden Orgelchoral und fast durchgängig stampfenden, stapfenden, tapsenden Rhythmen – und wie mich dünkte oft mit Orgelklängen, die mehr an den Roller Rink denn an eine grosse Konzertorgel erinnerten. Belassen wir es dabei?
Die erste Konzerthälfte – aufgekratzte Stimmung zum wie immer fast vollen Saal, Ansprachen zum Saisonbeginn, sommerliches Wetter, sehr stickige Luft (wie leider immer im noch nicht lang renovierten Basler Stadtcasino) – ging dann aber richtig gut weiter. Mit einer leidenschaftlichen, fokussierten Interpretation von Elgars Cellokonzert nämlich. Kobekina war sehr überzeugend, das Orchester war ihr gewachsen – geballte Frauenpower jedenfalls. Natürlich war eine Zugabe gefordert und wurde auch geboten: Kobekina spielte die „Gallardo“, die ihr Vater Vladimir Kobekin für Cello und Tamburin komponiert hat, der Schlagzeuger des KOB durfte dafür nach vorne. Mitreissend auch dieses kurze Stück (in der Tube zu finden bei Interesse).
Nach der Pause folgte die Orgelsymphonie von Camille Saint-Saëns, aber nicht mit dem recht kleinen Orgelpart, wie er vom Komponisten vorgesehen ist, sondern in einem Arrangement, das Guy Bovet 2015/16 davon eingerichtet hat, wofür dem Orchester da und dort Solostimmen entzogen und der Orgel zugewiesen wurden: „Organist:innen, die sich das Werk vornehmen, dürften grundsätzlich frustriert sein. Einige Akkorde sind es nur, illustrative Farbkleckser, die sie beisteuern dürfen“, wird Bovet im Programmheft zitiert. Das Orchester wird also verkleinert (immer noch so, dass die Besetzung fürs KOB an der Obergrenze ist), die Orgelpartie wird dafür ziemlich brillant und virtuos – eine Herausforderung natürlich besonders in den beiden Sätzen, in denen Saint-Saëns sie gar nicht erst erklingen lässt. „Dass Saint-Saëns uns verzeihen möge! Da wir bis auf eine Ausnahme (der Ansatz einer Kadenz im Finale) die äusseren Dimensionen der dritten Sinfonie strikt respektiert haben, wurde das Material des Solisten aus dem Orchestermaterial gewonnen. Das Ergebnis ist, dass die Orgelsoli nie sehr lang sind. Wir haben es viel eher mit einem Dialog zwischen Orgel und Orchester zu tun, vergleichbar demjenigen innerhalb des Orchesters in Abschnitten, wo die einen die anderen begleiten um umgekehrt.“ Das funktionierte für meine Ohren ziemlich gut – ist aber ein Thema, bei dem bei mir keinerlei Emotionen im Spiel sind. Auch nicht durch Bovets Bearbeitung ins Spiel gekommen wären.
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