Antwort auf: Culture Wars, Kulturelle Aneignung, Identitätspolitik, Wokeism …

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#12134011  | PERMALINK

irrlicht
Nihil

Registriert seit: 08.07.2007

Beiträge: 31,323

bullschuetzDieser Thread hat sich echt etwas gruselig entwickelt. Ich hatte ja anfangs Zweifel an Auswüchsen der linken Identitätspolitik formuliert, aber jetzt bin ich für mehr wokeness. Ich glaube, sie ist nötig.

Ich denke, das ist eine falsche Dichotomie, wir brauchen beides.

Dass Fatphobia immernoch ein massives Problem ist, kann man hier an diesem Thread leider gut sehen und man bekommt eine Ahnung davon, welche angeekelten Blicke viele dieser Menschen tagtäglich abbekommen. Das betrifft genauso Rassismus oder queere Themen. Man bekommt oft den Eindruck, dass vielen nichtmal im Bilde ist, dass massives Übergewicht nicht zwingend gleichzustellen ist mit Faulheit. Oftmals hat es genetische Einflüsse (aus Erfahrung: Ich kann bspw. sehr schwer zunehmen, andere schauen einen Kuchen nur an und nehmen zu), oft ist es Coping bei Stress, ebenso oft sind es auch Nebenwirkungen von Medikamenten, etwa der Pille, Antidepressiva, Antiallergika usw. Und selbst wenn es „nur“ eine Sucht ist: Jeder, der selbst mal eine hatte, egal welcher Art, sollte doch wissen, wie schwer es ist, das hinter sich zu lassen.

Dass die neoliberale Agenda jedoch leider Wokeness fast vollständig unterlaufen hat, ist ein Thema für sich. Das „13 Fragen“ Debakel hier zeigt das gut auf (der größte Shitstorm in der Historie des Formats). Hier steht „Ideologie“ in einem 5 gegen 1 plötzlich über Wissenschaft, Realitäten werden von „Gefühlen“ gebeugt. Nicht zuletzt geht es auch um Eigeninteresse, da Plus Size Models massiv gefragt und hier über die Jahre auch große Wirtschaftszweige entstanden sind, ergo: Es ist voreigenommen, da Einfluss und Kapital daran geknüpft sind. Das ist ein massives Problem, weil es – wie in anderen Bereichen identitätspolitischer Fragen auch – dazu führt, dass es vermeintlich für jede Person eine eigene „Wahrheit“ gibt, womit wir ziemlich genau bei alternativen Fakten landen, wie sie auch in verschwörungsideologischen Kreisen verstärkt sichtbar sind.

Dazu kommt der Umstand, dass Wokeness eben auch unfassbar stark kapitalisiert wird. An diesem Beispiel: Die Zucker-Lobby hat nunmal ein Interesse, dass Menschen weiterhin viel konsumieren und dass es gesellschaftlich stärker und stärker als „normal“ gehandelt wird, obgleich es ein riesiges gesellschaftliches Problem ist, nicht zuletzt für die Betroffenen. Und wie stark diese Lobbys auf die Politik wirken kann man etwa hier gut nachvollziehen. Mit anderen Worten: Wenn Lockheed Martin auf dem Pride Month auflaufen, wenn Mercedes Queerrechte für sich entdecken, wenn Nestlé Videos bei Youtube zu Nachhaltigkeit machen und Germanys Next Topmodel auf einmal die Liebe für Körperformen entdeckt, sollte man schleunigst hellhörig werden. Aber in dem Sinne: Don’t hate the player, hate the game. Schuld sind daran nicht die Betroffenen, sondern ein schlecht regulierter Lebensmittelmarkt, in dem jedem Gurkenwasser noch Zucker zugesetzt wird.

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Hold on Magnolia to that great highway moon