Antwort auf: Tenor Giants – Das Tenorsaxophon im Jazz

#12127261  | PERMALINK

friedrich

Registriert seit: 28.06.2008

Beiträge: 4,886

Weinkenner haben ein Vokabular, mit dem sie den komplexen Geschmack und das Aroma eines Weins beschreiben. Da geht es um die Blume, den Körper und den Abgang und Begriffe, die das fein differenzieren und den Wein in seiner Gesamtheit charakterisieren. Bei Parfum spricht man von Kopf-, Herz- und Basisnote, aus denen sich ein Duft zusammensetzt. Diese Noten überlagern sich teilweise und entfalten sich in unterschiedlicher Intensität zeitversetzt nacheinander und bilden so den Charakter des Parfums.

Wenn ich in den letzten Wochen Don Byas und Ben Webster gehört habe, fiel mir auf, wie unterschiedlich diese beiden Tenorsaxofonisten ihren individuellen Klang aufbauen und wie mich das berührt.

Ben Webster kann auf dem Saxophon zwar eigentlich keinen Akkord spielen. Aber er kann mehrere Töne oder Klänge parallel oder geschichtet spielen und kombinieren. Das reicht vom bloßen Hauchen, bei dem man nur seinen durch das Horn verstärkten Atem hört, über ein Flüstern und einem kraftvollem klaren Ton bis zu einem rauen growl. Manchmal hat man den Eindruck, dass er das teilweise sogar gleichzeitig macht.

Wie ein Maler mehrere Schichten Farbe aufträgt, teils durchscheinend, teils deckend, so dass diese Schichten in unterschiedlicher Intensität zum Vorschein kommen. Man sieht den Pinselduktus, spürt wie die Hand das Motiv mit dem Pinsel auf der Leinwand nachempfunden hat, meint die Haut, die der Maler gemalt hat, zu spüren oder das dargestellte Laub rascheln zu hören und zu riechen.

Webster schichtet diese Klänge natürlich nicht nur übereinander, er reiht sie auch in der Zeit aneinander und erzeugt dadurch Spannung in der Vertikalen wie in der Horizontalen. Intensität, Spannung und Entspannung, Verzögerung, Verdichtung. Wie bei einem Wein oder einem Parfum, aber viel konzentrierter und unmittelbarer. Das findet innerhalb einer einzigen Note oder von einer Note auf die andere statt. Und zwischen den Noten.

Das hat etwas fast unmittelbar körperliches, ist untrennbar mit dem Menschen Ben Webster verbunden und nicht kopierbar. Wahrscheinlich nicht mal von ihm selbst kopierbar, da es auch unmittelbar mit der Situation verbunden ist, in der es entsteht. Sehr emotional, da wird es auch mal sentimental oder umgekehrt herb und rau. Da wird alles voll ausgekostet.

Ben Webster habe ich hier mal exemplarisch genommen, weil er über eine sehr breite Palette an Ausdrucksmöglichkeiten verfügt, die sich vor meinen Ohren schön auffächert. Don Byas hat eine andere Palette, Coleman Hawkins muss ich erst nochmal nachhören. Wenn wir Alt-Saxofonisten wie Johnny Hodges oder Paul Desmond betrachten, kommt noch mal was anderes dazu.

Ben Webster von seiner zarten Seite:

--

„Für mich ist Rock’n’Roll nach wie vor das beste Mittel, um Freundschaften zu schließen.“ (Greil Marcus)