Antwort auf: Don Byas (1912-1972)

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friedrich

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CD Nummer 2. Nochmal 22 Aufnahmen von 1945 – 61, wobei davon nur 3 aus der Zeit nach 1952 stammen. Ab 1946 lebte Don Byas in Europa (vor allem Paris) und nahm dort für diverse Labels auf, meist mit örtlichen Musikern oder anderen Expats und mit in Europa gastierenden Amerikanern.

Ein Musiker in der Blüte seines Schaffens. Das ist also sehr viel sehr gute Musik, hat in der Darreichungsform einer Compilation mit knapp 75 min Laufzeit aber auch den Nachteil, dass das zwar in die Gehörgänge dringt, aber in den Gehirnwindungen irgendwann zu Brei zermatscht und man sich am Ende der CD nicht mehr erinnert wie sie angefangen hat. Ursprünglich sind die Aufnahmen auf Singles oder 10 Zoll Vinyl veröffentlicht worden, und das ist wohl auch die empfehlenswerte Dosis dieser Musik. Don Byas hat zwar durchaus eine gewisse stilistische Breite, von Swing über Be Bop bis zu seinem Markenkern, den Balladen. Er ist hier auch in vielen verschiedenen Besetzungen zu hören. Aber große Entwicklungen gibt es da nicht mehr. Er weiß, was er kann und womit er gut ankommt und macht das auf höchstem Niveau.

Zum Glück gibt es die Programmierfunktion des CD-Spielers und die Playlist-Funktion von iTunes. Damit lässt sich das gut dosieren.

Stormy Wheather
Don Byas (ts), Jacques Dieval (p), Lucien Simoens (b), Armand Molinetti (d). Paris, 1947.

Wenn ich weiter oben geschrieben habe, es kommt nicht darauf an, was Don Byas spielt, sondern wie er es spielt, ist das eigentlich eine banale Feststellung. Denn was Byas besonders auszeichnet, ist wie er jeden einzelnen Ton individuell modelliert, voller Geschmeidigkeit und Dynamik. Das geht natürlich am besten bei langsamen Balladen mit lang gezogenen Tönen, die vom Hörer auch die entsprechende Aufmerksamkeit verlangen. Im persönlichen Gespräch mit @vorgarten fielen letztens nach dem gemeinsamen Konzertbesuch die Namen Coleman Hawkins und Ben Webster, zwei andere Alte Meister der feinen Tonbildung. Sicher nicht zufällig gehörten alle drei ungefähr der gleichen Musikergeneration an, in der genau das wohl als die hohe Kunst galt.

Ich habe anlässlich meines Don Byas-Hörens mal die Begriffe „Phrasierung“ und „Artikulation“ gegoogelt. Das erklärt mir auf theoretisch-abstrakte Art ein bisschen, was Don Byas, Hawkins, Webster … da machen. Was damit aber nicht beschrieben werden kann, ist, was für eine besondere Ästhetik das in diesem Fall hat und wie sich das anfühlt. Für mich gerade eine sehr schöne Erfahrung.

Es ist bei mir noch etwas Musik von Don Byas in der Warteschleife. Und gestern Nacht habe ich Ben Webster gehört. Vielleicht ein guter Anlass, mal etwas über die Sinnlichkeit des Klanges zu philosophieren.

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„Für mich ist Rock’n’Roll nach wie vor das beste Mittel, um Freundschaften zu schließen.“ (Greil Marcus)