Antwort auf: Konzertimpressionen und -rezensionen

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gypsy-tail-wind
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Zürich, Kleine Tonhalle – 07.05.2023 – Kosmos Kammermusik

Made In Berlin
Ray Chen Violine
Noah Bendix-Balgley Violine
Amihai Grosz Viola
Stephan Koncz Violoncello

HUGO WOLF: «Italienische Serenade» G-Dur für Streichquartett
WOLFGANG AMADEUS MOZART: Adagio und Fuge c-Moll KV 546
EUGÈNE YSAÿE: 1. Satz aus der Sonate a-Moll für 2 Violinen op. post.
JEAN FRANçAIX: Streichtrio
MAURICE RAVEL: Streichquartett F-Dur

Ein paar schnelle Zeilen nur … ich hatte schon erwähnt, dass das Kammermusikkonzert von Made in Berlin super war. Es dauerte am Ende – dank ein paar Ansagen von Chen und Bendix-Balgley sowie zwei Zugaben fast zwei Stunden ohne Pause. Nur vor Ravel blieben die Musiker einen Moment länger hinter der Bühne, um sich vor dem Abschluss nochmal zu sammeln. Bei Wolf, Mozart und Ysaÿe sass Chen am ersten Pult (bei Ysaÿe pausierten Grosz und Koncz natürlich), im Trio von Françaix fehlte er dann und bei Ravel spielte er wenn mich nicht alles täuscht die zweite Geige, in den beiden Zugaben dann wieder die erste. Da gab’s zwei Arrangements von Koncz, zuerst eins von Erik Saties bekanntesten Stücken (die erste Gymnopédie wohl, aber ich hab’s nicht nachgeprüft) und danach „Waltzing Matilda“, wozu Chen erwähnte, dass er in Australien aufgewachsen sei. Die beiden Geiger erzählten auch, wie sie sich beim Königin-Elisabeth-Wettbewerb in Brüssel kennengelernt hätten – einerseits Konkurrenten aber bald auch Freunde geworden seien. Ich lese im Netz die Schlagzeile zu einer Rezension ein paar Tage später in Hamburg: „Die Stimmung war ungewöhnlich entspannt – mit Luft nach oben.“ Ersteres kann ich für Zürich bestätigen – doch hatte ich nie den Eindruck, dass deshalb die Konzentration, der Fokus gelitten hätte. Der Einstieg mit Wolf war wuchtig aber auch elegisch, das folgende Mozartstück haut mich in der Streiquartett-Version glaube ich noch mehr weg denn in der Streichorchester-Fassung: wie er die alte Form der Fuge aufgreift und dabei alles immer stärker chromatisch auffächert, darunter dieser fast stampfende Groove – wie gesagt: haut mich weg, dieses Stück! Mit Ysaÿe wurde es dann verdichtet, höchst konzentriert im Zwiegespräch – und ich fand es sehr bedauerlich, dass nur der erste Satz der Sonate erklang. Danach zog Chen sich erstmal zurück, das Françaix-Stück wenigstens so sanglich wie die Serenade von Wolf, ein verschmitztes Spiel mit einem altmodischen Touch, allerdings enorm charmant. Ravels Quartett bot danach eine Rückkehr zur Ernsthaftigkeit und einen durchaus krönenden Abschluss. Dass die vier nicht das eingespielteste Quartett unter der Sonne sind, ist ja selbstredend klar (Chen reist als Solist herum, die anderen drei sind Stimmführer bei den Berliner Philharmonikern, wenn diese verkürzte Beschreibung gestattet ist) – und dass vielleicht grad Ravel von einem anderen Streichquartett noch fokussierter gespielt werden kann: gekauft. Doch wurde mit Ernsthaftigkeit und Verbindlichkeit zusammen musiziert, Chen tat sich in keinem Moment (ausser in den Ansagen vielleicht) als der grosse Star hervor, das waren vier auf Augenhöhe, die ein feines Konzert gaben. Riesiger Applaus, zwei Zugaben, und auch diese ein Genuss. Chen sagte beide an und meinte, auf die Stuck-Zierfassaden der kleinen Tonhalle weisend, wo ein paar Komponisten verewigt sind, dass Koncz vielleicht dereinst auch dort landen könnte. Die Arrangements gefielen mir jedenfalls beide sehr, aber das war dann wieder eher die leichte Muse. Das Arrangement von Waltzing Matilda gibt’s auch auf der CD des Ensembles und von da in der Tube:

Basel, Stadtcasino – 08.05.2023 – Geheimnis des Augenblicks

Kammerorchester Basel
Heinz Holliger
Leitung
Dmitry Smirnov Violine

HENRI DUTILLEUX: Mystère de l’instant
ÉDOUARD LALO: Konzert für Violine und Orchester Nr. 4 Op. 29 «Concerto Russe»

ROBERT SCHUMANN: Sinfonie Nr. 2 in C-Dur Op. 61

Am Montag ging es dann zum Abschluss der Hauptkonzertreihe des Kammerorchesters Basel ins dortige Stadtcasino, wo Dmitry Smirnov, 1994 in St. Petersburg geboren, mit Heinz Holliger das vierte Violinkonzert von Édouard Lalo spielte. Dass Holliger bei der Einführung über Smirnov und vor allem auch über Dutilleux, Lalo und seinen Seelenverwandten Schumann sprach, hatte ich erwähnt, auch dass zum Konzertbeginn bei der Begrüssung durch den Direktor des KOB inkl. kurzem Gespräch mit Smirnov, ein erboster Herr aus der dritten oder vierten Reihe aufstand und sich beschwerte, weil er Smirnovs Antworten in Englisch nicht verstehen konnte, sie sollen jetzt aufhören und endlich zu spielen anfangen. Smirnov hat nach den ersten Schritten in Petersburg seine Studien in Lausanne (Pavel Vernikov) und Basel (Rainer Schmidt) fortgesetzt und ist in der Schweiz wie es scheint schon länger recht aktiv (Haydn 2032 mit Antonini und dem KOB, mit Holliger bei den „Swiss Chamber Concerts“, bei Sol Gabettas SOLsberg Festival, seit 2018 auch als Leiter seiner „Camerata Rhein“ in Basel – aber mir sagte er nicht mal dem Namen nach etwas. Doch auf Holligers Geschmack ist wohl nach wie vor Verlass – er beschwerte sich auch laut darüber, dass Smirnov 2021 beim ARD Wettbewerb in München nur den zweiten Preis erhielt – und bezog sich auf ein ihm bekanntes Jury-Mitglied: es hätte da einen Bruch gegeben, die Mehrheit habe dann einen brav und korrekt spielenden Japaner statt des – er zögerte kurz, aber sprach es dann aus: – genialischen Smirnov den Hauptpreis gekriegt habe.

Was an Smirnov so toll war, war wenig später zu erleben. Doch zuerst gab es Dutilleux‘ viertelstündiges „Mystère de l’instant“. Zeremonie, Magie, Annäherung an ein „Mysterium“ – solche Dinge stehen im Programmheft (teils als Dutilleux-Zitat), die Frage, welche von den unzähligen im Kopf herumschwirrenden Ideen am Ende aufs Papier fänden, warum es gerade jene seien? Und dann, dass Dutilleux dieses Warum nie endgültig ergründen wollte, dass er statt mit einem Plan eben mit einer Folge von Ideen gearbeitet habe, an denen etwas Rätselhaftes haften bleibe. Zehn solche Idee mit Überschriften wie „Rufe“, „Echos“, „Prismen“, „Litanien“ oder „Gemunkel“ finden sich in den „Mystères“, die er für Paul Sacher komponiert hat (der es 1989 mit dem KOB, das damals noch kein mehrheitlich selbsttragendes Orchester war: Sacher (1906-1999) hatte das KOB 1926 gegründet und bis 1986 geleitet, zwei Jahre später gründete er den Basler Kammerchor, 1933 die Schola Cantorum Basiliensis (die 1954 mit Musikschule und Konservatorium Basel zur Musik-Akademie der Stadt Basel vereinigt wurde, die Sacher bis 1969 leitete; 1941 gründete er zudem das Collegium Musicum Zürich (CMZ), das er ebenfalls bis 1992 leitet … daneben bzw. hauptsächlich, zumindest im Hinblick auf die Tatsache, dass er bei seinem Tod der reichste Schweizer war, stand er von den Dreissigern an über sechs Jahrzehnte an der Spitze des Pharma-Konzerns Hoffman-La Roche – seine Frau war eine Hoffmann, die Tochter des Firmengründers. Eine ambivalente Mixtur von Reichtum (den es nie ohne Opfer an anderer Stelle gibt, von der Überzeugung wird mich in diesem Leben niemand mehr abbringen), Mäzenatentum, Patronismus der alten Schule (die gerne so tut, als sei die besser – aber am Ende sind das einfach die Neureichen von vorvorgestern).

Das tut aber alles wenig zur Sache, verdeutlicht aber – weil Sacher als Mäzen und Auftraggeber ganz vieler faszinierender Musikwerke bekannt ist – warum Basel in vielerlei Hinsicht ein kulturelles Zentrum ist, wie Zürich es nie wurde (da mögen die Standortvermarkter*innen noch so ein Gebrüll machen). Dass das Kammerorchester dieses Erbe aus vergangenen Zeiten weiter pflegt, kommt zumindest in Sachen Repertoire auch dem Publikum zu gute, im Januar stand ja auch das Doppelkonzert von Martinu auf dem Programm, das wohl ohne Sacher ebenfalls nicht existieren würde.

Nach dem überaus faszinierenden Auftakt mit Dutilleux kam also Smirnov wieder nach vorn – immer noch in legeren Aufmachung wie zu Beginn. Lalos Konzert fand ich sowohl vom Werk wie von der Interpretation her umwerfend. Ein ziemlich grosses Ding (Konzertende 21:15 stand im Programmheft, was mir mit Beginn 19:30 schon etwas knapp berechnet schien, aber nach zwei Zugaben war um die Zeit erst Pause und ich kam – wegen technischer Probleme der Bahn – am Ende erst nach Mitternacht daheim an) mit vier Sätzen, in die Melodien russischer Volkslieder eingearbeitet sind. Die Anregung dazu kam von Pablo de Sarasate, dem Widmungsträger, der dann 1879 die Uraufführung aber nicht spielen sollte. Lalo war bereits über fünfzig und wenig an der Oper interessiert, jenem Genre, nachdem das Publikum in Paris gierte, als er 1875 mit der „Symphonie espagnole“ endlich einen grossen Erfolg verbuchen konnte – ein verkapptes Violinkonzert, das Sarasate gewidmet ist. Er bat Lalo folglich um mehr davon, regte an, dass die Pariser*innen mit exotischem Flair erneut gewonnen werden könnten. Lalo komponierte eine „Fantaisie norvégienne“ und eben das „Concerto russe“ von 1879. Dafür bediente er sich bei der von Rimsky-Korsakov zusammengetragenen und harmonisierten Sammlung von hundert russischen Volksliedern, fügte besonders zwei Hochzeitsgesänge ein, in den langsamen zweiten und in das Vivace im vierten Satz. Melancholisch und verschattet ist das Konzert, dann wieder fröhlich, markant synkopische Rhythmen erinnern an an Volkstänze, wuchtige Klangblöcke stehen neben ganz zarten Passagen. In einem Brief an Sarasate meinte Lalo kurz nach der Uraufführung im Herbst 1880, das Konzert verzaubere durch seine „Herbheit und Melancholie“. Das passt sehr gut – und wenn es von so kongenialen Partnern wie Smirnov, dem KOB (bei dem Smirnov vor ein paar Jahren, als schon Pandemie war, auch ein Orchesterpraktikum absolviert hatte) und dem grossen Heinz Holliger aufgeführt wird, ist das wirklich eine Sternstunde (die auch – zusammen mit Lalos erstem Violinkonzert, gerade beim Label Prospero auf CD erschienen ist … werde ich natürlich beim Vertrieb holen, wenn ich dort das nächste Mal vorbeischaue). Als erste Zugabe spielte Smirnov dann ein Stück von Holliger, und als das immer noch nicht genug war, kehrte er erneut zurück und legte ein hochvirtuoses zweites Stück nach, das wohl aus dem 20. Jahrhundert stammen dürfte – aber ich habe leider keine Idee, was es war.

Dann nach fast 90 Minuten Pause – und danach Schumann. In der Einleitung hat Holliger seine Einspielungen erwähnt (WDR Sinfonierchester, audite) – und meinte, bei der Probearbeit mit dem KOB habe er gemerkt, wie anders diese Werke mit einer kleinen Besetzung, mit den knatternden Naturhörnern usw. klingen würde. Und in der Tat: das war eine unglaublich mitreissende Aufführung. Ein wahnsinnig tolles Konzert – dass die Heimreise danach fast zweieinhalb Stunden dauerte, war eigentlich gar nicht unwillkommen, denn das gab Zeit, das Gehörte einsickern zu lassen.

Beim Konzert unten habe ich nicht zu photographieren versucht, drum hier nochmal Smirnov und Holliger mit dem Kammerorchester Basel:

Zürich, Tonhalle – 11.05.2023

Tonhalle-Orchester Zürich
Philippe Herreweghe
Leitung
Isabelle Faust Violine

JOHANNES BRAHMS: Violinkonzert D-Dur op. 77

LUDWIG VAN BEETHOVEN: Sinfonie Nr. 7 A-Dur op. 92

Und gerade so genial war mein jüngstes Konzert beim Tonhalle-Orchester: Isabelle Faust spielte das Violinkonzert von Brahms, nach der Pause gab es die Siebte von Beethoven. Zwei grandiose Werke also, mit einer umwerfenden Solistin und einem Dirigenten, der das Orchester so richtig aus der Reserve lockte. Einfallsreich programmiert war das natürlich nicht, fast erstaunlich, dass beide Stücke seit 2019 nicht aufgeführt worden sind: Janine Jansen mit Zinman im Juni bzw. Zinman im September 2019 – beide Konzerte hörte ich nicht (ich glaube nicht, dass ich nochmal zu Zinman gehen werde, falls er wieder kommt; gerade musste er absagen, aber ich hatte vor ein paar Jahren – Herbst 2018 glaub ich? – schon den Eindruck, dass nicht mehr alles funktionierte, egal wie gern ihn das Orchester weiterhin hat). Herreweghe und Faust hörte ich im Herbst 2019 auch bereits mit dem Tonhalle-Orchester, damals gab’s das Violinkonzert von Beethoven und – die zweite Symphonie von Schumann. Also auch da schon komplett auf Standardrepetoire getrimmt. Davon gibt es mir in der Tonhalle ja eh eher zuviel, aber ich bin sehr froh, war ich am Donnerstag dort.

Zum Einstieg gab es eine Stunde davor bei der Zusammen mit der Hochschule der Künste programmierten Reihe „Surprise“ in der kleinen Tonhalle eine Prätiose zu hören:

IWAN KNORR: Ukrainische Liebeslieder für Vokalquartett und Klavierbegleitung op. 5

mit: Anna Ginström, Sopran; Salome Cavegn, Alt; Yves Ehrsam, Tenor; Guilherme Roberto, Bass; Fidelia Jiang/Daniela Baumann, Klavier

Ein Zyklus aus neun Liedern (nach dem fünften wechselten die Pianist*innen, die andere blätterte jeweils die Noten), bei dem der Tenor besonders viel zu tun hatte (der Bass dafür nur im Ensemble auftritt). Das ist nun nicht mein Fachgebiet, doch wenn mir Kenner der Materie erklären, dass die Komposition durchaus auf dem Niveau der „Liebeslieder-Walzer“ von Knorrs Förderer Brahms stünde, dann habe ich daran keine Zweifel. Iwan Knorr lebte von 1853 bis 1916, sein Vater war von Riga nach Leipzig übergesiedelt, der Sohn studierte dort u.a. bei Ignaz Moscheles und Carl Reinecke. 1874 wurde er Musiklehrer am Kaiserlichen Dameninstitut in Charkow – und das führte zur Aufführung in Zürich, denn in dieser Saison werden bei den „Surprises“ ausschliesslich Werke mit einem Bezug zur Ukraine aufgeführt (das hier war die letzte der Saison und die einzige, zu der ich es geschafft habe – hatte ja neulich drüben erzählt, dass die meist nicht an den Abenden stattfinden, an denen ich in die Tonhalle gehe, und Zutritt hat man eben nur mit einer Karte für den betreffenden Abend, nicht auch mit einer vom vorhergehenden oder folgenden). Die Aufführung ist insgesamt sicherlich gelungen, auch wenn die vier junge Sänger*innen noch etwas zu lernen haben. Der Tenor gab sich manchmal gar heldenhaft, sonnte sich in seiner jugendlichen Stimmpotenz – dabei glückte die Intonation nicht immer so gut, wie das möglich wäre. Der Zusammenklang der vier Stimmen war denn auch nicht perfekt (was aber keineswegs nur mit dem Tenor zu tun hatte, er hatte halt so viel solistische Passagen, dass er am exponiertesten war). Aber auf jeden Fall interessant und eine Entdeckung für mich!

Danach etwas die Füsse in den Bauch stehen im Foyer und warten, bis es weiter geht … und wie! Wie Faust das Konzert von Brahms interpretierte, hat mich wirklich umgehauen und wahnsinnig berührt. Das war so intensiv, so wunderbar gespielt, so tief gefühlt – wirklich grossartig! Eine Zugabe brauchte es danach nicht, was ich völlig richtig fand – warum es keine stehende Ovation gab, weiss der Geier, die verdammte zwinglianische Zurückhaltung wohl. Das Orchester war mittelgross besetzt (die Streicher, wenn ich das richtig erkennen konnte: 10-10-6-6-5 – also vergleichsweise „bass heavy“), die Aufstellung natürlich wie in Basel auch immer mit den zweiten Geigen rechts vorn die Celli links-mittig, dahinter die Bässe, rechts-mittig die Bratschen (die Aufstellung der Bratschen, Celli und Bässe variiert in der Tonhalle wohl je nach Vorliebe des jeweiligen Dirigenten (Frauen sind leider nach wie vor extrem selten zu Gast, nur die umwerfende Alondra de la Parra fällt mir spontan ein – dafür fiel mir beim Betrachten der Fotos der Wiener Philharmoniker schon auf, wie dort das Geschlechterverhältnis nach wie vor total schief ist, das ist in Zürich wie in Basel längst ganz anders – mit Ausnahme von Kontrabässen, Hörnern, Blechbläsern und Schlagzeugern, da sind die Frauen auch noch sehr dünn gesägt bis nicht vorhanden).

Mit Faust oder ohne Faust: das Orchester spielte mit einer Aufmerksamkeit und einer Konzentriertheit, die noch in der leisesten Passage zu einer immensen Spannung führte. Die übertrug sich auf das Publikum und schien den Saal förmlich dazu zu bringen, die Luft anzuhalten (es wurde tatsächlich bei Faust nicht, bei Beethoven nur ganz wenig gehustet). Auch in der Beethoven-Symphonie – was für ein geniales Ding sie doch ist, diese Siebte! – gab es eine immense Palette an Farben, die Dynamik wurde voll ausgeschöpft, es gab die leisesten Passagen, in denen die Luft zu flirren schien, aber eben auch die grossen Einsätze der Pauke, die schroffen Fortissimi. Sie gaben unter dem schrulligen Herreweghe am Pult wieder einmal alles, die Musiker*innen des Tonhalle-Orchesters. Und das ist wirklich nicht wenig! Auch das ein grossartiges Konzert!

Und gleich geht es ins Rezital von Grigory Sokolov (Stücke von Purcell und KV 333) und damit beginnt ein Klavierschwerpunkt, der sich kommenden Samstag und Sonntag dann in Luzern mit Fred Hersch, Igor Levit, Johanna Summer und Anna Vinnitskaya fortsetzen wird. Dazwischen gibt es noch ein Marthaler/Gluck-Intermezzo – mit der Wiederaufnahme der 2021 ohne Publikum als Stream aufgeführten Inszenierung von „Orphée et Eurydice“ (weshalb ich nicht länger nach Luzern kann und Hersch im Trio sowie das Rezital von Igor Levit verpasse – diesen höre ich nur im Schlusskonzert mit einem seiner Schüler sowie Hersch und Summer).

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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #152: Enja Records 1971-1973 – 14.05., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba