Antwort auf: 2022 & 2023 & 2024: jazzgigs, -konzerte, -festivals

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Bill Frisell / Thomas Morgan – Moods, Zürich – 25.04.2023
Bill Frisell (g), Thomas Morgan (b)

Mein erster Besuch im Moods seit Dezember 2019 … was viel mit der Pandemie zu tun hat, denn diese hat die Programmgestaltung die letzten Jahre vermutlich recht stark beeinträchtigt. Zürich ist ja eh längst kein Stop mehr für Jazzmusiker (abgesehen von den Intakt-Leuten, bei denen sich der Fokus aber auch wieder etwas stärker auf lokale Leute zu verschieben scheint) und das Konzert vom David Virelles Trio (Ben Street, Andrew Cyrille) von vor einigen Wochen wurde leider abgesagt (verschoben heisst es, warten wir es ab, würde Cyrille definitiv gerne wieder mal sehen). Am Vorabend hätte im Moods auch noch das Trio von Sylvie Courvoisier gespielt (Drew Gress, Kenny Wollesen) – da wäre ich auch wieder hin, wenn das nicht in derselben Woche wie zwei Konzerte von Gruppen, die ich noch nie live hören konnte, stattgefunden hätte. Bill Frisell habe ich überhaupt endlich zum ersten Mal live gehört.

Insgesamt war das ein recht verhaltenes, auch ziemlich leises Konzert. Klangschön, teils nahezu symbiotisches Interplay der beiden – die auf der Bühne ebenfalls ziemlich zurückhaltend auftraten, fast nerdig eigentlich (die beiden Stofftiere vor Frisells Amp, auf dem Foto unten zu erkennen, verstärkten den Eindruck – weiss jemand, was es mit denen auf sich hat?), Morgan sprach kein Wort, Frisell grinste ab und zu und sagte ein paar Worte zum Publikum – aber ohne Stücke anzusagen.

Der Einstieg war grandios: eine Zeitlupen-Dekostruktion von „Save the Last Dance for Me“ (ev. als Medley wie auf dem – mir nicht bekannten – Album?), Frisells Sound irgendwo zwischen C&W, Folk und immer wieder kurz mit einem Hawaii-Twang. Das Stück flog bei dem Tempo fast auseinander, und gerade, dass es das nicht tat, löste die unendliche Faszination aus. Ein Fesselungsakt in Zeitlupe und Mezzoforte. Viel intensiver wurde es im recht kurzen (40 Minuten – zweimal 45 waren angesagt worden) ersten Set nicht mehr. Als zweites folgte ohne Unterbruch ein Stück, das mehr wie eine freie Improvisation klang, noch zerklüfteter, voller Pausen, mit verschatteteren Klängen, für die er mit dem Fuss kurz auf eins der Pedale tippte, die vor ihm lagen (die lange Schlange, die schon vor dem Eingang wartete, als ich kam, strömte nach recht rein und konnte dann nur Frisells Seite sehen, während wir von ganz links einen perfekte Blick hatten – er stand den ganzen Abend praktisch am selben Ort, immer mit dem Gitarrenhals im 90-Grad-Winkel ins Publikum raus). Als drittes folgte dann so in Set-Mitte eine umwerfende Version von „Days of Wine and Roses“, und Mancini glaubte ich auch im zweiten Set nochmal zu hören, bin mir aber alles andere als sicher. Ich habe mich unterwegs auch mal gefragt, warum man die Musik dieses Duos eigentlich als Jazz bezeichnet – denn das ist einfach schöne, gut gemachte, allerlei Einflüsse zwischen Folk, Country und Pop aufgreifende Instrumentalmusik. Der Blues kommt praktisch nicht vor, nur da und dort in kleinen Tonverfärbungen oder halben Riffs der Gitarre – eigentlich nur so ein kleiner Biegeton am Ende einer Phrase oder sowas, kürzelhafte Chiffren, die anzeigen, dass er eben doch irgendwie im Untergrund mitläuft. Auch in der verschatteteren Momenten – Morgan griff zwei- oder dreimal über den ganzen Abend auch kurz zum Bogen – war das warme, ziemlich sonnige Musik.

Nach der Pause ging es mit einem Standard in 3/4 los, den ich bestimmt kenne, aber nicht erkennen konnte. Ich war mir auch nicht sicher, ob das ein 3/4-Stück ist oder nicht eher eines, das Frisell/Morgan von 4/4 in 3/4 geändert hatten. An zweiter Stelle folgte Monks „Epistrophy“ – und damit war die Musik des Duos nun wirklich im Jazz angekommen. Die Klangpalette war unverändert, aber die Changes, die Art und Weise, in der Frisell sein Solo in Angriff nahm – das war jetzt eben wirklich Monk und Jazz. Und dann war da dieser Typ mit einer analogen Kamera, der schon seit Beginn des zweiten Sets von ganz hinten zu hören war und zwischen den Stücken plötzlich direkt neben mir am Rand der ersten Reihe kniete. Frisell setzte mitten im Solo ab, „Klick Klick“, sagte er, „… Klick … Klick“ und meinte, das sei ein schwieriges Stück und es falle ihm schwer, sich zu konzentrieren. Dabei wirkte er aber nur so halb grumpy, hatte kurz darauf wieder ein verstohlenes Grinsen im Gesicht. Für seinen Wiedereinstieg blickte er zu Morgan und fragte „Where are we?“, worauf der Bassist ihm schön deutlich die Changes von Monks Stück ausspielte, damit Frisell wieder einsteigen konnte. Trotz des Unterbruchs war das richtig toll, und genau so ging es direkt danach mit „Lush Life“ weiter. Dann folgte noch ein Standard (glaub ich), für den Morgan etwas am Bass-Amp rumdrehte. Er hatte oben auf dem Verstärker, leider nicht sichtbar, auch noch irgendwelche kleinen Gerätschaften, mit denen er den Klang etwas verändern konnte. Sein Ton änderte sich aber nicht gross, er klang stets recht natürlich, nicht riesig, nicht so rund, aber in der Gestaltung der Linien erinnerte mich sein Spiel manchmal ein wenig an Charlie Haden. Für diesen Standard jedenfalls suchte er was ganz bestimmtes, und Frisell wartete darauf, denn das folgende Stück (das vierte im zweiten Set – ich denke es gab fünf Stücke pro Set, vielleicht waren einzelne wie gesagt auch Medleys) war in Sachen Interplay ein Höhepunkt, hier wurde klar, wie blind die beiden zusammen funktionierten, wie sie nahezu symbiotisch agieren können. Den Ausklang machte dann ein Stück, bei dem ich nochmal auf Bacharach (oder Legrand oder sowas, Mitt/Spät60er-Hochglanz-Pop) getippt hätte – aber ich kam auch da nicht drauf, was es war.

Der Applaus war gross, das gut gefüllte Moods begeistert – und ich auch. Stille, faszinierende Klänge, die doch immer wieder ordentlich Swing entwickelten und vor allem in Sachen Gitarrensound echt beeindruckend war. Frisells Klangspektrum war nicht sehr breit, aber unglaublich nuanciert und wahnsinnig schön. In der Begleitung, wenn Morgan den Lead übernahm, klang er manchmal fast ein wenig wie Wes Montgomery, andere Male war da ein Glanz zu hören, der mich an Pat Metheny – und natürlich an den grossen Jim Hall – denken liess. Das waren aber nur kurze Blitze, Augenblicke – denn da stand Bill Frisell und das war schon immer sehr klar. Was ich mich auch gefragt habe: das Mikrophon, das vor dem Gitarren-Verstärker hing (auf dem Foto unten gut zu sehen): ob das für allfällige Ansagen gedacht war oder ob das die Klänge aus dem Verstärker nochmal ins Mischpult fütterte? Im Raum klang das alles eher so, als wäre es nur mittels der beiden Amps auf der Bühne verstärkt, aber das ist von ganz vorn schwer zu sagen, weil der linke der beiden grossen Lautsprechertürme in etwa über meinem Kopf schwebte, ich von denen also eh nicht viel gehört hätte an diesem Abend.

Nach dem grossen Applaus folgte eine recht lange (10 Minuten?) Zugabe, wohl noch ein Medley, dessen zweiter Teil ziemlich sicher „On a Clear Day“ war (also noch so ein Mitt60er-Hochglanz-Popsong) – und das war dann auch noch ein letztes Highlight dieses verhaltenen, aber sehr, sehr schönen Abends. Dass ich danach ordentlich verregnet wurde auf meiner Fahrt heim ans andere Ende der Stadt war dann ein durchaus passender Abschluss.

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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 - 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba