Antwort auf: Stuckrad-Barre

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https://www.freitag.de/autoren/erika-thomalla/noch-wach-von-benjamin-von-stuckrad-barre-ist-reine-selbstrechtfertigung

Man könnte diese hundertfach prominent unterstützte Geste der Enthüllung angesichts der langjährigen engen Verbindung, die zwischen Stuckrad-Barre und dem Springer-Konzern sowie Mathias Döpfner bestand, für unlauter oder selbstwidersprüchlich halten. Man könnte sich auch fragen, ob es nicht etwas ironisch ist, dass ausgerechnet Stuckrad-Barre, der in der Vergangenheit vorwiegend als Mitglied diverser Boys-Clubs in Erscheinung getreten war und in dessen Texten die Frauenfiguren den männlichen Protagonisten intellektuell und rhetorisch selten ebenbürtig sind, nun ausgerechnet einen Me-Too-Roman schreibt. Umso interessanter ist die Frage, wie Stuckrad-Barre sein Vorhaben literarisch umsetzt. Man hat nämlich mitunter den Eindruck, dass Noch wach? genau zu diesen Fragen Stellung beziehen möchte. Es ist nicht bloß ein Enthüllungs- sondern auch ein Selbstrechtfertigungsbuch.

(…)

Man kann nicht umhin, den Eindruck zu gewinnen, dass es hier nicht nur um Literatur, sondern auch um eine strategische Maßnahme im Schlachtfeld der öffentlichen Meinung geht. Stuckrad-Barre war für den Springer-Konzern, wie Rainald Goetz es 2009 in Loslabern formuliert hat, jahrelang ein lukratives „Investment“. Offensichtlich geht es dem Autor jetzt auch darum, zu beweisen, dass er schon lange distanziert und befremdet auf das Umfeld geblickt habe, dessen Teil er war. Selbst wenn es in der Realität so war – für die Romanform wäre eine risikoreiche Variante interessanter gewesen. Man hätte sich eine Erzählerfigur gewünscht, die die Leserschaft mehr Einblicke in ihre eigenen Verstrickungen in die beschriebenen Mechanismen gibt. Damit hätte der Roman möglicherweise auch etwas zur Klärung der Frage beigetragen, warum die Strukturen, die einen Chefredakteur wie Julian Reichelt bei Bild ermöglicht haben, lange Zeit von so vielen mitgetragen und erhalten wurden.

 

aus der rezension im freitag „Noch wach?“ ist reine Selbstrechtfertigung

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