Antwort auf: Ich höre gerade … Jazz!

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Kenny Burrell – Monday Stroll | Feine Musik mit Frank Wess (fl/ts) und Burrell als eigentlichen Co-Leadern, möchte ich sagen. Freddie Green an der Rhythmusgitarre, Eddie Jones und Kenny Clarke als Rhythmusgruppe (fünf Stücke, 17. Dezember 1956 steht auf meiner CD, Diskographien sagen aber: 20. Juni 1956), und Gus Johnson an Clarkes Stelle bei zwei Tracks, die etwas später (5. Januar 1957) aufgenommen wurden. Und da liegt hier der Hund begraben – ein kleines Beispiel dafür, wie man Reissues nicht machen sollte:

Opus in Swing von Frank Wess (Savoy MG12085, 1956) enthielt die ganze Session vom Juni 1956 (so steht das Datum auch auf dem Denon-CD-Reissue).
Monday Stroll (Savoy SJL 1120, 1978) von Kenny Burrell ist ein erweitertes Reissue von „Opus in Swing“ – mit den zusätzlichen Tracks „Monday Stroll“ und „Woolafunt’s Lament“ (beides Wess-Originals übrigens, die Umsignierung auf Burrell hatte bestimmt primär kommerzielle Gründe, denn Wess war 1978 nicht sehr präsent)
Jazz for Playboys (Savoy MG 12095, 1957) ist der Ort, an dem die drei anderen Stücke vom 5. Januar 1957 erschienen sind, hier werden Wess, Burrell, Joe Newman und Green vorn auf in dieser Reihenfolge aufgeführt; die andere Hälfte der LP stammt vom Dezember 1956 (aber vom 26., am 17. gab’s wohl keine Session, die zu diesen Aufnahmen gehört) und läuft unter Newmans Namen (mit Wess, Burrell, Green, Jones und Ed Thigpen – und hier gab’s nur die drei Stücke – immerhin kein Anlass für weiteres Durcheinander).

Statt (ein Reissue von) „Opus in Swing“ zu kaufen ist es also sinnvoll, „Monday Stroll“ zu suchen – egal ob auf LP oder CD. Savoy-LPs aus den Siebzigern sind zwar keine schönen Artefakte, aber die Extra-Musik ist halt super und die LP auch durch die 11:30 Minuten nur 43 Minuten lang.

Wo es dann völlig absurd wird: als es um 2000 kurze Zeit US-Reissues von Savoy gab, auf denen auch das Atlantic-Logo zu sehen ist (in die Zeit fallen z.B. auf die „Summer of ’55“-Doppel-CD von den Adderleys oder die mit den vollständigen Coltrane/Harden-Sessions für Savoy), erschien ein Reissue von „Jazz for Playboys“ (Sessions vom 26. Dezember 1956 und 5. Januar 1957), auf denen nicht etwa die Session vom 5. Januar vervollständigt wurde (mit den beiden Extra-Tracks, die erstmals auf „Monday Stroll“ erschienen sind), sondern da wurde ein „langer“ alternate take von „Southern Exposure“ beigefügt, von der Session vom 20. Juni 1956, mit der „Jazz for Playboys“ bis dahin nichts zu tun hatte … ich von dem Album eine andere Ausgabe ohne den Extra-Track (der ist eine knappe Minute länger, 7:42 vs. 6:49, was ich jetzt für die Beschriftung „alt long take“ nicht so … nun ja, in diesem Fall übrigens Bob Porter, nicht Orrin Keepnews, der in diese Reissues auch involviert war). Heisst: ich hab das alles, bis auf diesen Alternate Take. Und ich mag die Sachen auch sehr, Wess konnte damals kaum was falsch machen, bloss hätte ich manchmal gern etwas mehr Tenor im Mix – allerdings harmonieren Burrells Gitarre und Wess‘ Flöte vorzüglich.

Mit dem Kauf von „Monday Stroll“ vergibt man sich übrigens keine besonders schöne Originalausgabe – hier das 1956er-Cover:

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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #151: Neuheiten aus dem Archiv – 09.04., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba