Antwort auf: Konzertimpressionen und -rezensionen

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gypsy-tail-wind
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Ferrara, Ridotto del Teatro Comunale – 5.2.

Zhen Jie Ye Klavier

ROBERT SCHUMANN: Sonate Nr. 2 G-Dur Op. 22
FRÉDÉRIC CHOPIN: Ballade Nr. 1 g-Moll Op. 23
FRÉDÉRIC CHOPIN: Nocturne b-Moll Op. 9 Nr. 1
FRANZ LISZT: „La Campanella“ (S 161 Nr. 3, aus „Grandes études de Paganini“)
FRANZ LISZT: Ballade Nr. 2 -Moll (S 171)
Zugabe: MAURICE RAVEL: Toccata (aus „Le Tombeau de Couperin“)

Die Woche in Ferrara ging wahnsinnig schnell vorbei. Am Sonntag um 10:30 hörte ich im Foyer des Stadttheaters, das kurz nach seinem Tod nach Claudio Abbado benannt wurde, ein Klavierrezital. Die Reihe im „ridotto del teatro“ wird vom Konservatorium programmiert und vorgesehen war, dass die Professorin Muriel Chemin ein paar Sonaten aus ihrem Beethoven-Zyklus präsentiert. Sie musste aus familiären Gründen absagen und es sprang der 2003 in Teramo geborene Zhen Jie Ye ein. Er bot ein höchst virtuoses Programm mit romantischer Klaviermusik aus den 1830er- (Schumann und Chopin) und 1850er-Jahren (Liszt). Ich fand den Klang im halligen Raum etwas schwierig, Ye setzte wohl auch etwas mehr Pedal ein, als mir lieb war – aber das war eindrücklich zu hören, mit viel Schwung gestaltet, soweit ich das beurteilen kann auch richtig gut gespielt – blendend, brillant, aber vor allem die „Steigerung“ von Chopin zu Liszt machte mich ein wenig unruhig. In der Spielweise wurde das etwas zuviel Virtuosentum, zuviel Glanz … die Zugabe von Ravel war dann aber hervorragend gewählt: noch ein Virtuosenstück zwar, aber aus einer anderen Zeit (1910er), fast maschinenhaft und natürlich als Spiel mit Forme, wie Ravel es öfter pflegte, nicht ohne ein breites Grinsen zu verstehen. Ein toller Kontrapunkt und eine schöne Ergänzung des Programmes zum Ausklang. (Auf der Fahrt nach Chiogga am nächsten Tag hörte ich dann Witold Malcuzinsky mit Chopin (den Balladen zumindest), um quasi eine „gesetzte“ und in sich ruhende Version nachzulegen. Ich wünsche Zehn Jie Ye, dass er auch dahin kommt – er ist ja erst 19 Jahre alt und das war schon brillant!

Ferrara, Teatro Comunale – 7.2.

Orchestra del Teatro Comunale di Bologna
Oksana Lyniv
Leitung
Stefan Milenkovich Violine

VLADIMIR GENIN: Passacaglia in Yellow-Blue (Uraufführung)
PËTR ILÎČ ČAJKOVSKIJ: Concerto per violino e orchestra op. 35 in re maggiore
E: FRITZ KREISLER: Recitative und Scherzo-caprice op. 6 / JS BACH: Allemande (aus: Partita Nr. 2, BWV 1004)

FELIX MENDELSSOHN: Sinfonia n. 4 in la maggiore Op. 90 „Italiana“

Das Konzert in Ferrara, auf das ich mich wirklich freute, fand dann am Dienstagabend im grossen Saal des Theaters statt, das als Mehrspartenhaus (Oper und Ballet, Sprechtheater, Konzert) geführt wird. Die Programmierung zumindest der Konzerte läuft über Ferrara Musica, gegründet von Abbado und bietet 2022/23 u.a. Konzerte mit dem Mahler Chamber Orchestra, dem Orchestra Mozart unter Daniele Gatti (höre ich voraussichtlich im April in Lugano zum ersten Mal), dem Rai Orchester unter Fabio Luisi, dem Chamber Orchestra of Europe unter Pappano mit Janine Jansen, dazu Rezitale von Bavouzet und Pletnev usw. – ein überaus ansprechendes Programm für so eine Kleinstadt, das wohl mit dem von grösseren Orten in der Emilia Romanga (inkl. Bologna) gut mithalten kann. Das Orchester aus Bologna war es dann, dass ich hören konnte, geleitet von der 1978 in Brody in der heutigen Ukraine. Sie dirigierte 2021 zum ersten Mal in Bologna und ist seit Januar 2022 die Chefdirigentin des Orchesters, das in der Oper zu Einsatz kommt, aber auch eine eigene Konzertsaison bestreitet (beides hörte ich je einmal, im Konzert im Juni 2019 mit dem Vorgänger Hirofumi Yoshida am Pult und Louis Lortié am Klavier, und letzten Juni in einer begeisternden Aufführung von Verdis Otello). Lyniv ist die erste Frau, die einen solchen Posten in Italien inne hat – und sie wusste absolut zu überzeugen.

Das Konzert in Ferrara öffnete mit der Uraufführung (ich glaube, das Orchester tourte ein paar Tage damit, genau genommen war’s wohl nicht mehr ganz die Uraufführung – in Bologna selbst war das Programm jedenfalls am 8. Februar zu hören) einer Passacaglia des 1958 in Moskau geborenen Vladimir Genin, der in Deutschland lebt. Zum Stück zitiert ihn das Programmheft: „il mood di quest’opera è profondamente connesso all’orrore e alla tristezza che hanno fatto da sfondo costante alla mia vita e al mio lavoro dall’inizio dell’aggressione russa in Ucraina“. Er hatte nach Kriegsbeginn 2014/15 schon eine „Trenodia per le vittime in Ucraina“ komponiert – aber mir war der Name bisher noch nicht begegnet. Das Stück spielte mit leisen jazzigen Anklängen (dass er von „mood“ spricht, passt dazu), „yellow-blue“ sind nicht nur die Farben der Flagge der Ukraine, „blue“ ist eben auch ein Adjektiv, das im Jazz schon lange eine Bedeutung hat (natürlich nah an „Blues“). Die Strenge der Form hörte ich nur teils heraus, aber das Stück gefiel.

Danach folgte Stefan Milenkovichs Auftritt mit dem Violinkonzert von Tschaikowski (ich hab oben mal die italienische Schreibweise aus dem Programmheft übernommen). Er kam 1977 in Belgrad zur Welt und lebt inzwischen auch wieder in Serbien, wo er vor kurzem den höchsten Orden erhalten hat, den das Land zu vergeben hat. Da war also ein Gemisch auf der Bühne, das geopolitisch ordentlich Sprengstoff bot – wobei Tschaikowski canceln ja eh totaler Unsinn ist und Milenkovich sich vor seinen zwei Zugaben in fliessendem Italienisch ans Publikum wandte (er meinte u.a., er werde in der Pause mit uns den Affen machen für all die Insta-Fotos, die die Leute mit ihm machen wollen – er hat in Bologna gelehrt oder tut das immer noch). Die Musik stand über all diesen möglichen Brüchen und kittete, was da hätte aufbrechen können. Das Konzert Tschaikowskis ist keins meiner liebsten, aber in der zugleich zurückhaltenden, oft fast kammermusikalisch klingenden, andererseits aber auch die Rhythmen sehr betonenden, darin fast etwas hemdsärmlig wirkenden Sichtweise von Milenkovich/Lyniv fand ich das sehr hörenswert. Schmelz war drin, aber wohldosiert und nur da, wo es ihn wirklich leiden mochte, mit dem Glanz verhielt es sich ähnlich. Das überzeugte mich von beiden Seiten – Solist und Orchester – völlig. Der Applaus war riesig (es gab schon nach dem ersten Satz welchen) und Milenkovich spielte als erste Zugabe ein Stück von Fritz Kreisler, den er als Komponist für sträflich unterschätzt zu halten scheint (so weit ich seiner launigen Ansage folgen konnte), und dann als zweites noch die „Allemande“ aus Bachs zweiter Partita – letztere für meinen Geschmack wohl etwas zu romantisch geraten.

Nach der Pause folgte dann die „Italienische“ von Mendelssohn – und auch die begeisterte mich sehr. Auf den Punkt, schlank und mit Zug, erneut mit einer starken Betonung der rhythmischen Ebene. Ich dachte an ein paar Konzerte von anderen „kleineren“ Orchestern, die mich in letztere Zeit sehr überzeugten (z.B. das Luzerner Sinfonieorchester mit der „Pathétique“ von Tschaikowski letzten Sommer) – und darin reiht sich dieses Konzert vermutlich auch ein: wenn alles passt, kann eben auch so ein Orchester, das nicht in der obersten Liga mitspielt, über sich hinauswachsen und vollkommen überzeugende Musik darbieten. Das tat das bologneser Orchester jetzt schon zum dritten Mal in meiner Anwesenheit, ich were also auch künftig, wenn es denn passt, gerne wieder vorbei schauen!

Zürich, Tonhalle – 10.2.

Tonhalle-Orchester Zürich
Franz Welser-Möst
Leitung

FRANZ SCHUBERT: Sinfonie Nr. 2 B-Dur D 125

RICHARD STRAUSS: „Sinfonia domestica“ für grosses Orchester op. 53

Nach einem langen Tag auf Zügen kam ich rechtzeitig (aber nicht mit der geplanten Verbindung) heim, damit es noch für eine Dusche und das Auspacken des Koffers reichte, bevor ich wieder los musste, ins Konzert des Tonhalle-Orchesters, für das ich bei einer Verlosung (nach einer Umfrage glaub ich) zwei Karten geschenkt erhielt. Das war insofern gut, als dass es sich dabei um ein Konzert handelte, das ich nicht in mein Wahlabo aufgenommen hatte – und es entpuppte sich dennoch als sehr hörenswert. Schubert hörte ich neulich bereits mit Blomstedt in der Tonhalle (Nr. 4) – jetzt also erneut eine frühe Symphonie mit Welser-Möst, den ich besonders von einer umwerfenden Bruckner 7 in der Tonhalle-Maag erinnerlich habe. Vermutlich ist das Autosuggestion, aber mir kam es am Freitagabend tatsächlich vor, als hätte er aus Cleveland etwas von der fabelhaften Präzision mitgebracht. Diese, gepaart mit der Klangschönheit des Saales und dem wunderbar farbenreichen Spiel des Orchesters – besonders bei Strauss – ergaben jedenfalls eine überzeugende Kombination. Das Stück von Strauss – im Programmheft ein wenig als Gegenpol zur „metaphysischen“ Orchestermusik des Zeitgenossen Mahler dargestellt – war für mich der eigentlich attraktive Programmpunkt (Schubert mag ich in schmaleren Besetzungen lieber, da ist das Kammerorchester Basel mit Holliger für mich momentan eine der attraktivsten Optionen). Ich habe das Stück bewusst oder aufmerksam noch gar nie gehört, und eine bessere Einführung als mit Welser-Möst kann ich mir kaum vorstellen. Dass Strauss einen Tag (und eine Nacht) im Leben seiner Familie darstellt – eine Personenvorstellung zum Einstieg, danach u.a. „kindliche Spiele“, ein „Wiegenlied“, eine „Liebesszene“, Babygeschrei, den Schlag der Uhr etc. – und dass dies doch ordentlich trivial ist, spielt keine so grosse Rolle, denn die Orchestrierung ist wie zu erwarten war äusserst gekonnt, der Reichtum an Klängen, die zahlreichen kürzeren solistischen Einwürfe (Violine, Cello, diverse Blasinstrumente) sorgen für viel Abwechslung.

Interessant jedenfalls, in so kurzen Abständen die „Metamorphosen“ (grossartig), „Tod und Verklärung“ (nun ja, eher zweifelhaft?) und jetzt auch noch die „Sinfonia domestica“ im Konzert hören zu können. Bisher zog es mich ja vor allem zu den Opern, und das wird wohl auch so bleiben … dennoch ist das alles hörenswerte Musik!

Zürich, Opernhaus – 12.2. – Rachmaninow-Zyklus (I)

Philharmonia Zürich
Chor der Oper Zürich
(Einstudierung: Janko Kastelic)
Gianandrea Noseda Leitung
Yefim Bronfman Klavier
Elena Stikhina Sopran
Sergey Skorokhodov Tenor
Alexey Markov Bariton

SERGEI RACHMANINOW:
Klavierkonzert Nr. 3 d-Moll op. 30

Die Glocken op. 35 – Sinfonisches Poem nach einem Gedicht von Edgar Allan Poe

Heute Morgen dann im Opernhaus der Auftakt zum Rachmaninow-Zyklus (was jetzt, „v“, Doppel-„f“ und jetzt auch noch „w“?), den die beiden grossen Orchester und ihre Chefdirigenten, das Tonhalle-Orchester mit Paavo Järvi und die Philharmonia Zürich, das Orchester der Oper mit Gianandrea Noseda dieses Jahr gemeinsam durchführen. Vier Konzerte sind geplant, aufgeführt werden dabei die drei Symphonien, die Vokalsymphonie „Die Glocken“, die Klavierkonzerte 2-4 sowie die „Rhapsodie über ein Thema von Paganini“ (mit Yefim Bronfman, Yuja Wang und zweimal Francesco Piemontesi).

Für das zweite Konzert (PC 2 und Nr. 3) habe ich wegen Terminkollisionen (am ersten Abend bin ich in Basel beim Abokonzert, am zweiten bei Joyce DiDonato in Winterthur) keine Karte – überlege aber nach dem heute Gehörten, am Tag des Winterthurer-Konzerts über Mittag im Lunchkonzert in der Tonhalle wenigstens die dritte Symphonie hören zu gehen (und mir den Tag oder mindestens den Nachmittag gleich frei zu nehmen, sonst schaffe ich das nicht bzw. sonst bringt es mir nicht viel – das zweite Klavierkonzert mit Yang verpasse ich so oder so). Im Herbst folgen dann die zwei letzten Konzerte, beide mit Piemontesi: PC 4 und Nr. 1 in der Tonhalle mit Noseda bzw. „Paganini“ und Nr. 2 mit Järvi im Opernhaus – die tauschen da also auch mal noch die Orchester, das möchte ich dann schon gerne hören!

Heute Morgen also im praktisch ausverkauften Opernhaus Yefim Bronfman am Flügel mit „Rach 3“, dem berüchtigten Virtuosenstück, das eben doch viel mehr ist als nur das. Eine grossartige Aufführung, für die es (wie schon für Welser-Möst in der Tonhalle) eine halbe Standing Ovation gab. Das war wirklich umwerfend, wirkte nie massig und auch selten gar zu tastenlöwig. Der setzte sich einfach hin und spielte das, als gäbe es nichts leichteres – bloss kein Aufheben, bloss keine Aufregung. Und falls es eine Rolle spielt: Bronfman kam in Taschkent zur Welt, seine wichtigen Ausbildungs-Stationen sind Tel Aviv und danach in den USA die Juilliard School, die Marlboro Music School und das Curtis Institute – mit Lehrern wie Firkusný, Fleisher und Serkin. Seine internationale Karriere begann 1978 mit dem Debut bei der New York Philharmonic unter Zubin Mehta. Bei Rachmaninov wird 2023 das 150. Geburts- und das 80. Todesjahr begangen – es mag unpopulär sein, derzeit Russen zu spielen … aber eigentlich sollte man eher den Grossgrundbesitzer als den russischen Exilanten und Lebemann canceln, nicht?

„Die Glocken“ fand ich nach der Pause (und einer Zugabe, die ich leider nicht erkannt habe) enorm faszinierend. Vier Sätze, drei davon mit einem Gesangssolisten bzw. im zweiten Satz einer Solistin (im dritten kommt nur der Chor zum Einsatz). Als er das Stück komponierte, scheint er es als seine dritte Symphonie betrachtet zu haben, so gesehen ist die Aufnahme in den Konzertzyklus sicher sinnvoll (warum das erste Klavierkonzert fehlt, weiss ich nicht – bzw. es bräuchte dafür halt ein fünftes Konzert, aber das geht dann mit Philharmonia/Noseda, TOZ/Järvi, Philharmonia/Järvi und TOZ/Noseda nicht mehr auf – trotzdem schade). Und den Chor der Oper mal im Konzert zu hören, ist auch toll. In der Tonhalle kommt sonst in der Regel die Züricher Sing-Akademie zum Einsatz, die ich ebenfalls sehr schätze, der Opernchor hat nicht oft die Gelegenheit zu solchen Auftritten. Ich kann über dieses seltsame, fremde Werk eigentlich nur Äusserlichkeiten erzählen: nach einer freien Übersetzung eines Poe-Gedichts, das Rachmaninov zugesandt wurde (die Absenderin konnte gemäss Wiki erst nach seinem Tod eruiert werden, eine Cello-Studentin am Moskauer Konservatorium. Im Werk taucht immer wie das gregorianische „Dies irae“ auf – überhaupt wirkt das Stück oft recht streng, gar nicht weit von geistlicher Chormusik entfernt, dünkte mich. Auch hier ist die Orchestrierung (auf dem Foto oben sind noch um die 15 Plätze leer, die Holzbläser sind bei den Glocken vierfach besetzt, sechs Hörner, je drei Trompeten und Posaunen, eine Tuba, zwei Harfen, Klavier und Celesta, dazu sechs Leute, um das ganze Schlagwerk zu bedienen, das zum Einsatz kommt).

Das einzige, was mich ein wenig überraschte, war die Akustik: mich dünkte, die Mischung aus Chor, Solist*innen und Orchester gelang nicht immer perfekt – bzw. das Haus ist für solche Musik, die auch heftige Impulse beinhaltet, Rhythmus-Attacken, Fortissimo-Passagen des Chores usw., vielleicht dann doch eine Spur zu klein. In der Tonhalle hätte das weit hinten im Saal oder auf der Galerie vermutlich ausgewogener klingen können. Beim Konzert mit Stenz neulich gab es dieses Problem nicht, Solist war da ja ein Bratschist, Stimmen gab es keine und die Musik von Strauss und Mahler, so intensiv sie auch wird, schlägt gewissermassen nicht so unvermittelt aus wie „The Bells“ immer wieder.

Interessant fand ich es gerade auch, die Dirigierstile von drei operngeschulten Dirigenten zu vergleichen. Welser-Möst wie Stenz im klassischen Pinguin-Outfit (ich verstehe das nicht mehr … die Philharmonia trägt Anzug, die Tonhalle immer noch Frack, mir ist Anzug viel sympathischer, noch lieber eine simple „all black“-Regelung auch für Männer unter Erlass des Krawatten- bwz. Fliegenobligatoriums, bei allen Geigern und Bratschisten werden die Fliegen eh unansehnlich am Hals rumgedrückt beim Spielen, die Bläser lockern eh alle den Knopf, um nicht in Atemnot zu geraten – und dann ständig dieses Gefrickel mit den Frackzipfeln beim Absitzen … einfach weg damit bitte!) und teils mit ähnlich ausladender Gestik (ich hatte ein paar Male etwas Angst um den Stimmführer der Cellist*innen, da bestand erhebliche Aufspiessgefahr). Noseda hingegen verzichtete heute auf die grossen Gesten, dirigierte schlanker, weniger theatralisch (eher so in Richtung von Rattle vielleicht?). Am Ende geht es ja nicht darum, wie das aussieht oder wirkt, sondern um das Resultat – und das gab ihnen allen recht, auch der nochmal ganz anders agierenden Lyniv, die stellenweise recht ruppig Tempo und Einsätze zu geben schien, dann aber wieder fast auf dem Podium tänzelte (was wiederum eher Järvis Richtung ist, dünkt mich, also kleine Gestik – wie bei Noseda – und tänzeln, nicht die Ruppigkeit), darin viel dynamischer wirkte als die drei Herren. Leider habe ich die letzte Aufführung mit Noseda aus dem Parkett hören müssen (der zweite Teil des „Rings“), ich bin jedenfalls gespannt auf „Siegfried“ in einem guten Monat, wenn ich wieder weit oben sitze und so halb in den Graben werde blicken können – mal schauen, ob Noseda dann zu grösserer Gestik greift, damit auch alle auf der Bühne mitkriegen, was läuft, oder ob er auch im Graben so einen „kleinen“ unaufgeregten Dirigierstil pflegt.

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