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herr-rossi
jesseblueGerade Instrumenten nimmt dieser für mich die Charakteristika. Mir fällt es schwer, im Sound noch großartige Differenzierungen wahrzunehmen. Und es klingt, wie Möbelhäuser eingerichtet sind: Alles hat seinen Platz, aber die Lebendigkeit fehlt.
Krautathaus hatte es auch schon angesprochen (aber wieder zurückgezogen), die beiden Feststellungen scheinen sich zu widersprechen bzw. gegenseitig auszuschließen. Wenn man im Sound keine Differenzierungen wahrnehmen kann, wie kann dann „alles seinen Platz“ haben? Und gab es diese beiden Herangehensweisen nicht schon immer? Für mich haben auch beide ihre Berechtigung – der „Wall of Sound“, in dem die einzelnen Instrumente verschmelzen, und die Aufnahmen, auf denen man alle Details wahrnimmt. Wobei auch Soundwälle durchaus feine Texturen und instrumentale Finessen erkennen lassen können, Alvvays sind ein aktuelles Beispiel dafür, klingen für meine Ohren lebendig und dynamisch, aber was weiß ich schon – ich mag Dir irgendwie keine Beispiele nennen, werden ja eh alle abgewatscht.:)
In meiner Gedankenwelt müssen sich die beiden Sätze nicht gegenseitig ausschließen. Nehmen wir als Beispiele „Blonde On Blonde“, „Aftermath“ und „Revolver“. Alle drei Alben könnten grob unter der Kategorie Rock/Pop summiert werden. Alle drei Alben wurden im selben Jahr veröffentlicht und zählen zu den besten Alben ihres Jahrgangs. Jedoch haben alle drei Alben eine ganz andere und eigene Note. Die Art und Weise, wie die Tracks aufgebaut und instrumentiert sind, unterscheiden sich signifikant, wenngleich auf den Alben oftmals dieselben Instrumente (Gitarre, Bass, Schlagzeug, Tasteninstrument) zum Einsatz kommen. Jedes Instrument und jede Spur entwickelt auf diesen Alben eine eigene Persönlichkeit mit Wiedererkennungswert. Oder nehmen wir Alben von Sinatra und Ike & Tina Turner aus demselben Jahr hinzu. Ja, andere Musikrichtung, aber auch komplett anderes Klangbild. Heutige Produktionen nehmen diese Eigenheiten. Auf „Revolver“ klingt die E-Gitarre anders als auf „Aftermath“ und dort wieder anders als auf „Blonde On Blonde“. Dies hängt mit der Art des Gitarrenspiels zusammen, aber auch, wie die Alben abgemischt wurden. Und genau diese Unterschiede nehme ich bei aktuellen Produktionen in dieser Deutlichkeit einfach nicht mehr wahr. Sie klingen in meinen Ohren, als gäbe es nur noch zwei, drei Produzenten, die für alle erfolgreichen Alben verantwortlich sind. Und ebenso, als hätten dieselben zwei, drei Musiker alle Instrumente auf diesen Alben eingespielt. Mir fehlt die Handschrift. In der Musik, die momentan erfolgreich ist, fehlt mir vollkommen die Abwechslung. Der Sound der Gitarre auf Album X könnte genauso auf Album Y und Z passen. Die Varianz im Klang ist für mich derart marginal, dass gefühlt die augenblicklich 10 erfolgreichsten Tracks alle auf ein Album veröffentlicht werden könnten und es eine runde Sache wäre und es klingen würde, als wäre ein und derselbe Act zu hören. Als wäre über jeden Track und über jedes Album derselbe Filter gelegt worden. Mir sagt das eben einfach nicht zu. Und Möbelhäuser gleichen sich in ihrem Aufbau bzw. in der Art, wie die Möbel angeordnet sind respektive die Räumlichkeiten eingerichtet. Deswegen haben zwar alle Möbel ihren Platz, aber in jedem Möbelhaus denselben. Und deswegen muss sich dieses Beispiel nicht mit „wenig differenziert“ widersprechen. Aber ich möchte darüber eigentlich auch keine allzu große Debatte führen. Viele von euch hören und nehmen dies komplett anders wahr. Und ihr habt mit „eurem“ Sound genauso viel Freude wie ich mit „meinem“. Alles gut also.
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