Antwort auf: Konzertimpressionen und -rezensionen

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yaiza

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Konzerthaus Berlin
Festival „Aus den Fugen“ 14.-27. November 2022

Ich habe mir herausgesucht:
Johann Sebastian Bach: „Die Kunst der Fuge“ BWV 1080 m. Cuarteto Casals
sowie 3 Konzeptkonzerte –
limited approximations; Liszt & Gesulado: Cédric Pescia (p.) & Chor; Goldberg-Percussion: Jean Rondeau (p.) und Tancréde Kummer

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Do, 17.11.2022, 20h Kleiner Saal
Johann Sebastian Bach: „Die Kunst der Fuge“ BWV 1080
Cuarteto Casals
(Abel Tomàs, Vera Martínez, Jonathan Brown, Arnau Tomàs)

Ich nehme es vorweg: es war ein wunderbarer Vortrag und ein Privileg, ein solch hervorragend spielendes Quartett zu hören.*
Die „Kunst der Fuge“ hörte und sah ich zum ersten Mal live, auf das Arr. für Streichquartett freute ich mich sehr. Nach einem anfänglichen Umlauf (jeweils abwechselnder Beginn für jede Stimme) folgen im Werk/Arr. Kombinationen mit zwei und später drei Stimmen. Zwischendrin wurde immer wieder zu viert musiziert. Die Mitglieder des Cuarteto Casals, die gerade aussetzten, traten jeweils ab. (Auf der Bühne gibt es beidseitig aufgefächerte Panele, so dass dies ohne große Umstände geschehen kann.) Ich hätte nicht gedacht, dass dies so spannend werden kann. Im Saal war es sehr still und konzentriert bzw. nahm ich es so war. Mir half diese Umsetzung, auch gedanklich dabei zu bleiben. Vorher hatte ich überlegt, ob die Kunst der Fuge mit Streichquartett ermüden könnte; aber das tat es nicht… Nach dem Ausklang/Abbruch noch Stille, bis ein zartes „Bravo“ zu hören war und die lange Applausphase einleitete.
Kurzum: bin immer noch begeistert.

*Dank Subventionen im preislich niedrigschwelligen Bereich. Im Konzerthaus werden die Streichquartettabende für 2 Preisgruppen (15 u. 20 €) angeboten.

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Fr, 18.11.2022, 20h Großer Saal
limited approximations – Konzeptkonzert im dunklen Saal
Idee & Konzept: Dorothee Kalbhenn

Johann Sebastian Bach: Chaconne aus der Partita für Violine solo d-Moll BWV 1004 (v. Sayako Kusaka, Konzertm. KHO)

Georg Friedrich Haas: „limited approximations“ – Konzert für sechs mikrotonal verstimmte Klaviere und Orchester
Konzerthausorchester, Ltg. Jonathan Stockhammer
Soojin Anjou, Pi-Hsien Chen, Anton Gerzenberg, Andreas Grau, Matan Porat, Götz Schumacher

Thomas Tallis: „Spem in alium“ – Motette für 40-stimmigen Chor
Neuer Kammerchor Berlin, Chor des Collegium Musicum Berlin; Ltg. Adrian Emans, Einstudierung: Donka Miteva

Bei Betreten des Saals stachen schon die einen Halbkreis bildenden sechs Flügel zuerst ins Auge. Ich hatte etwas später das Ticket gebucht, weil ich hoffte, der 2. Rang wird noch freigeschaltet, aber ich fand später noch einen Platz im hinteren Bereich des 1. Rangs, so dass ich eine „Weitwinkel“-Perspektive hatte. 

Ein Foto kann man in diesem Artikel/Berliner Morgenpost, 19.11.22 sehen.

Es passiert selten, dass die Deckenbeleuchtung im Saal ausgeschaltet wird. Bei einem angekündigen Dunkelkonzert ist dies natürlich auch der Fall. ich hätte es sogar noch dunkler erwartet, aber ich korrigierte mich dann gedanklich – es war kein „Dusterkonzert“. Das auf dem Foto im o.g. Artikel zu sehende violette und grüne Licht kam erst später in Einsatz. Das violette Licht nahm ich z.B. von meinem Sitzplatz oberhalb und „im Schatten“ gar nicht so wahr.
Anfangs wurde tatsächlich abgedunkelt und ein Lichtkegel fiel Richtung Orgelempore, von wo aus Sayako Kusaka, 1. Konzertmeisterin, die Chaconne aus BWV 1004 spielte. Im Verlauf Ihres Spiels wurden die Flügel zunehmend angestrahlt, auch die Lichter an den Pulten wurden angemacht. Nach Verklingen der Chaconne übernahmen das Orchester sowie die Pianisten unter Leitung von Jonathan Stockhammer. Nun habe ich zu Spektralmusik gar keine Vorstellung und ließ „limited approximations“ auf mich wirken. Auch hier war es unglaublich still… Durch die mikrotonal verstimmten Flügel entwickelte sich ein Eindruck von Elektronik im Raum, wenn ich das mal so stümperhaft beschreiben darf. Ich konnte bei mir beobachten, dass ich tatsächlich von den Interpreten loslasse und diese dann für den Moment hinter die Musik treten. Ich sah nachher nur noch die grün angestrahlten Flügel als „Polarlichter“ und die einzelnen „Glühwürmchen“-Lichter an den Pulten.
Die Mitglieder der beteiligten Chöre saßen auf der Orgelempore und im vorderen Bereich des ersten Rangs. Sie standen kurz vor Ende des Konzerts von Georg Friedrich Haas und übernahmen mit Tallis‘ „Spem in alium“ (Hoffnung auf einen anderen) den letzten Teil des Konzerts. 
Als der Chor verstummte, ging eine wirklich interessante Stunde zu Ende… Das Licht blieb erst noch aus, wurde dann aber angeschaltet, damit auch die Solisten des Abends und Dirigenten, die nacheinander zusammen mit dem Orchester den Applaus entgegennahmen, zu sehen waren. Bei Schwerpunkten beobachte ich schon seit einiger Zeit, dass das Publikum nicht schnell zur Garderobe rennt, sondern noch im Saal bleibt und in der Nähe Sitzende zum Erlebten ins Gespräch kommen. So auch hier… Treppen herunterrennen – das sah ich wirklich nicht. Ist doch schön, wenn sich die Schnelligkeit mal verliert. 

PS: Zur Einbettung der Alltagsthemen ins Festival schreibe ich noch etwas nach dem Besuch der zwei anderen Konzerte. Die ein oder andere Überraschung lauert da bestimmt noch.

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