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Hole mal meinen Post von heute Morgen über die neue CD mit Musik von Vicente Lusitano hier rüber:
Gestern erstmals eingelegt, inzwischen drei, vier Durchgänge … Vicente Lustitano (der zweite Name bedeutet bloss „der Portugiese“) ist vermutlich der erste publizierte schwarze Komponist. Nach allem, was man heute weiss, hatte er wohl eine afrikanische Mutter und einen weissen Portugiesen als Vater. Dieses Detail wurde in der Enzyklopädie des katholischen Priesters Diogo Barbosa Machado („Bibliotheca Lusitana“, 1752) unterschlagen, ist aus einer seiner Quellen aber überliefert, einem Manuskript von João Franco Barreto aus der Mitte des 17. Jahrhunderts. Das erklärt denn auch, warum es kaum Quellen über Vicente gibt: wie für Musiker damals üblich, trat er in den Dienst der Kirche, doch konnte er als Nicht-Weisser in Portugal damals kein Amt bekleiden. 1551 war er in Rom, wo im selben Jahr sein „Liber primus epigramatm“ herauskam – was eben das früheste gedruckte Werk eines schwarzen Komponisten ist – und das einzige mit Kompositionen von Vicente. Im selben Jahr war er in Rom, wo er in den Diensten des portugiesischen Botschafters Dom Afonso de Lencastre stand, teil einer Debatte mit Nicola Vicentino, die im Juni 1551 ausgetragen wurde und sich an Vicentes Motette „Regina coeli“ entspann, den Vorstellungen von Chromatizismus, die darin zum Ausdruck kamen und der Anwendung der griechischen „genera“ auf die damals gegenwärtige Komponierweise (was damit genau gemeint ist, verstehe ich leider nicht, ich bediene mich bei den Liner Notes). Lusitano wurde zwar zum Sieger der Debatte erklärt, aber weil Vicentino den Gang der Dinge beeinflusste und seine revisionistische Erzählung den Siegeszug antrat, besonders mit der 1955 erschienenen Abhandlung „L’antica musica ridotta alla moderna prattica“, ging Vicente schnell vergessen. Komponisten wie Luzzaschi oder Gesualdo wurden von Vicentino beeinflusst – und Gesualdo war es dann, der selbst wieder zu einem Chromatizismus fand, wie ihn Vicente schon ankündigte. Dieser brachte 1553 in Rom die „Introduttione facillissima et novissima“ heraus, die mehrere Nachdrucke erlebte, und in der BNF in Paris istt sein Manuskript „Tratado de canto de organo“ erhalten. Beide Schriften befassen sich hauptsächlich mit improvisiertem Kontrapunkt, und Vicentes Ausführungen erläutern diesen wenig beleuchteten Aspekt der musikalischen Praxis des 16. Jahrhunderts, sowohl was Komposition wie auch die Aufführung angeht. Es gibt danach noch einen Hinweis: 1561 war Vicente am Hof in Stuttgart, verheiratet und zum Protestantismus konvertiert, bewarb er sich erfolglos um einen Posten. Weitere Quelle sind nicht bekannt (daher in Sachen Lebensdaten auch bloss „died after 1561“).
Sehr faszinierend, das alles, aber auch die Musik für sich. Das Marian Consort hat eine Auswahl zusammengestellt, die nicht abschliessend sein soll, sondern möglichst die Breite der Texturen und die Klangvielfalt von Vicentes überliefertem Werk abbilden soll. Die Erläuterungen zu einzelnen Motetten in den Liner Notes sind zwar knapp gehalten und einfach zu lesen – aber die Übertragung auf die Musik kann ich leider dennoch nicht nachvollziehen. Am Gesang der Gruppe mag ich nicht kritteln, aber das sparsame Vibrato hier und da ist mir manchmal fast schon zuviel. Mir ist der Name Vicente Lusitano allerdings noch nie zuvor begegnet und es würde mich wundern, wenn es zahlreiche Alternativen auf demselben Niveau gäbe … auf jeden Fall eine wunderbare CD, die ich sehr empfehle.
Mehr zu Lusitano und der kleinen gegenwärtigen Renaissance seiner Musik hier:
https://www.bbc.com/culture/article/20220615-the-lost-16th-century-black-composer-vicente-lusitano
Und hier:
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