Antwort auf: Pharoah Sanders

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vorgarten

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danke für deine gedanken, @wahr. bei mir läuft da sehr viel zusammen oder auch auseinander, ich habe sanders, der mich unendlich fasziniert, nie zu greifen bekommen, was ich aber auch nicht schlimm finde. letztlich gibt es ja wenige punkte, die man als jemand, der in den 70ern in westdeutschland geboren wurde, an erfahrungen und lebensweltlichen anschauungen mit jemandem wie sanders teilt. was für ihn wichtig war, was unwichtig, kann man ja im interview nachlesen, er stellt sich ja überhaupt nicht auf die gleiche stufe wie die coltranes, aber er kann sich auch nicht an seine mitmusiker in der anfangszeit erinnern. es gibt die suche nach dem sound (und ich finde ja, er hat einen der schönsten tenor-sax-sounds in der jazzgeschichte, aber er meint natürlich was anderes), dann gab es aber auch immer die suche nach den heißen, herausfordernden rhythm sections (was am besten ende der 70er und in den 80ern geklappt hat), und es gibt – und das ist glaube ich sehr wichtig – die „communal melodies“, sein spiel für eine ganz bestimmte community, die legendären auftritte im east-club, letztlich steckt in seiner musik auch immer die aufforderung, sie gemeinschaftlich zu teilen, mitzumachen.

wann und warum da jeweils die popkultur angedockt hat, zeugenschaft coltranes & jazz&hiphop-kooperationen (90er), spiritual jazz (ab den nullern), ist da fast äußerlich. und wie schreibt sich da das musikbusiness ein… sanders hatte seit 1974 keinen festen plattenvertrag mehr, ist aber bis kurz vor seinem tod unermüflich aufgetreten (es gab keine phase der pause, des rückzugs, soweit ich das sehe).

mein ding, das kristallisiert sich bei mir so in den letzten jahren heraus, ist eher das, was die free&spiritual-leute ab mitte der 70er gemacht haben, die tighten trios und quartette, die losen postbop-harmonien, die eigene handschrift & energie von leuten wie sanders, shepp, adams/pullen, aber auch der alice coltrane von TRANSFIGURATON und dem comeback-album. darin höre ich eine große eigenständigkeit, in der souveränität, wie man was baut und belastet, manchmal einreißt, wieder zusammensetzt usw. das ist aber eine spezifische kulturleistungen von afroamerikanischen jazzern, die die entwicklungen und communities ende der 60er, anfang der 70er miterlebt haben. und da verstummt gerade leider sehr vieles.

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