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nicht_vom_forum
Hmmm… Im Prinzip ja, aber… Um mal das prominenteste Beispiel herauszugreifen: Der „Black Lives Matter“-Bewegung geht es um statistisch überproportionale und im Einzelfall überaggressive Gewalt der US-Polizei gegen Schwarze. Das mit „All lives matter“ zu kontern, ist zwar natürlich nicht falsch, ist aber absichtliches Missverstehen. Und rein logisch: As long as „black lives“ don’t matter, „all lives“ don’t matter either. Hinsichtlich der US-Diskussion ist die Sachlage, historisch betracht ja auch weniger eine Frage von „Alle Menschen sind gleich“, sondern dass „All men are created equal“ eine Fußnote braucht, die „women are men“, „gays are men“, „black men are men“ ergänzt.
Das ist für mich das falsche Beispiel, weil „All Lives Matter“ ja deutlich als rechte Trollantwort auf Black Lives Matter „eingeführt“ wurde. Meine Beispiele zum Thema Ergänzung von „Alle Menschen sind gleich“ bezog sich eher auf das Prinzip, nicht auf ein bestimmtest Beispiel.
Dass Englisch zumindest in dem Bereich „verwundbarer“ ist (sonst wird ja nicht gegendert, Schauspielerinnen bezeichnen sich ja zB als „actor“) als Deutsch, ist wohl eher die Ausnahme. Daran herumzudrehen, als würde erst ein Zusatz, „not just men are created equal but also women“ die Gleichberechtigung bringen, ist eben Glaube an Wortmagie. Das Grundgesetz ist von 1949, die Bill of Rights noch älter, von daher ist die Sprache altmodisch. Das wörtlich zu nehmen (auch auf der anderen Seite ist dieser Quatsch ja verbreitet, siehe Alito vom SCOTUS) ist für mich kindisch.
nicht_vom_forum
Das hat seinen Ursprung aber m. E. in den wesentlich polarisierteren Gesellschaften in de USA und UK. Und ich habe schon den Eindruck, dass die „Rechts-Identitären“ den Identitätsbegriff eingeführt und somit die Linien gezogen haben: Rassentrennung in den USA (siehe One-Drop-Rule) war ja keine Erfindung der Schwarzen oder der Iren. Die Linke hat ihn m. E. nur aufgegriffen und adaptiert. (Disclaimer: Das ist natürlich die twitteresque Kurzfassung eines komplexen Themas)
Als „identitär“ würde ich den „alten“ Rechtsextremismus nicht bezeichnen, da standen eben Gott und Nation als Taktgeber für die Unterdrückung der Schwarzen und anderer. Dass man jetzt Kultur/Ethnie etc sagt und nicht mehr race/Rasse, liegt eben daran, dass die Pseudowissenschaft Rassentheorie mittlerweile auch wissenschaftlich widerlegt wurde.
Dass sich die „Progressiven“ auf linksidentitäre Konzepte stürzen, beginnt in den 70ern und kommt über weite Verzweigungen aus den Emanzipationsbewegungen, deswegen sind auch nur Schwarze, Frauen und – ursprünglich – Schwule „in“, Juden nicht oder wie der von mir schmerzlich vermisste Dieter Zimmer mal schrieb, OS2-User auch nicht.
nicht_vom_forum
Die UK-Diskussion zum Thema Transgender ist ein unangenehmer Sumpf, den ich zwar beobachte, aber noch weniger als die US-Themen diskutieren möchte (und werde). Nur so viel: J. K. Rowling ist nicht nur irgendein „Abweichler“ mit privaten Meinungen. Sie ist eine der reichsten Frau im UK, ist weltweit vielleicht sogar die bekannteste Frau aus UK, und sie verhält sich aktiv trans-feindlich (Stichwort: Trans Exclusionary Radical Feminist). Das führt natürlich auch zu entsprechend großen Gegenreaktionen.
So einfach ist das nicht (und ja, ich habe den Beitrag von N. Wynn auch gesehen). Rowling hatte, soviel ich das mitbekommen hatte, einige eher unverfängliche Tweets (da haben wir’s wieder) von TERFs geliked (und ansonsten Transpersonen ja jegliche Unterstützung zugesprochen) hat, das ist für mich nicht aktives Eintreten gegen Trans-Personen. Das Problem ist eher, dass die Diskussionen um trans rights ja völlig aus dem Ruder gelaufen ist und sich nur noch hinter dem simplizistischen Slogan „Trans women are women“ versammelt wird (oder eben nicht). Entweder dafür oder dagegen – ein Machtkampf, dem es nicht mehr auf Diskussion oder gar Kompromisse ankommt, sondern nur ums Rechthaben.
Aber gut, lassen wir diese UK-Diskussion mal draußen.
nicht_vom_forum Das ist allerdings immer noch meine tatsächliche Wahrnehmung. Es gab jetzt 2 deutsche/schweizer Fälle, bei denen Dreadlocks irgendwie thematisiert wurden und das gesamte Feuilleton bekommt Schnappatmung.
Das rechte Feuilleton, sonst finde ich da eher nichts zu.
nicht_vom_forum
Irgendwie sind es meiner Wahrnehmung halt doch zwei (oder sagen wir „kleiner 10 in mehreren Jahren“) Vorfälle, an denen tatsächlich inhaltlich was dran ist. Bei den meisten anderen Fällen sehe ich Form und Ausmaß der „linksidentitären“ Proteste als Problem, inhaltlich gibt es dann doch meistens einen Punkt, der zumindest vertretbar ist. Die vermeintlichen Opfer sind ja oft auch nicht so naiv, wie sie sich darstellen (Ich habe doch nur „All lives matter“ gesagt und jetzt werden ich vom Wokeness-Mob gecancelt.). Dazu kommen dann noch diverse Fälle, bei denen sich Leute als Wokeness-Opfer darstellen, aber der eigentliche Auslöser der Konsequenzen ein anderer Grund ist, beispielsweise ein arbeitsrechtlicher.
Dass die Rechte sich dem Thema als wirklich einfachen Wahlkampfhelfer angenommen hat, kann ja nicht überraschen, war ja früher auch mit Angriffen auf die „loony left“ so. Dass sie sich absichtlich dumm stellt (Jordan Peterson, der zumindest etwas Hintergrund hat, nennt „wokeness“ wahrheitswidrig ständig „socialism“), dass man die Vorlagen dankend annimmt und dass bei solchen Spiegelfechtereien erst recht keine sozialen Probleme gelöst werden – geschenkt.
Aber es sind ja nicht Dreadlocks allein, das Thema begegnet einem doch auf Schritt und Tritt, sei es bei dem Thema Gendern in Universitäten und Ämtern, bei mehr oder weniger aktiven Canceln in Publikationen (also „Verdammung“ und danach aktives Totschweigen von Veröffentlichungen etc), deutlich wird es bei einer Umfrage, dass in den USA (!) 62% der Befragten Angst haben, sich politisch zu äußern (und zwar beide Parteien, ich vermute, das betrifft vor allem die Zentristen).
nicht_vom_forum
Das kommt halt aus der Computer-Terminologie. Auch hier wieder: Gegen den „Master“-Begriff als solches gibt es m. E. eigentlich nichts einzuwenden. Ich finde es aber eine nachvollziehbare Kritik, dass man aber nicht unbedingt von Master- und Slave-Festplatten (-Servern, -Datenbanken) etc. sprechen muss – und dieses Begriffspaar war eben über Jahrzehnte üblich. Dass das diese Diskussion dann auf „Blacklist/Whitelist“ ausgedehnt wird, finde ich auch zwar idiotisch, mir ist aber meine Zeit zu schade, mich darüber wirklich aufzuregen.
Aufregen tut mich das auch nicht, in unserem Betrieb wurde das damals auch nicht durchgeführt, aber als Beispiel ist es schon aussagekräftig.
Blacklist etc: Ich hatte mir neulich mal überlegt, welche Hautfarben Sklaven wohl am häufigsten gehabt haben müssen (auf die komplette Geschichte gesehen) und es dürften wohl weiß gewesen sein.
nicht_vom_forum
In die öffentliche Debatte eingeführt hat den Begriff „Critical Race Theory“ aber die US-amerikanische Rechte, die mit dem Popanz CRT alle nötigen und berechtigten Diskussionen über die rassistische (in jeder Bedeutung des Begriffs) Vergangenheit der USA und über das Thema Sklaverei abwürgt – genau wie sie mit den Begriffen „Comunism/Socialism“ jede Art von Diskussion zu sozialen und wirtschaftlichen Themen einfach beendet.
Wie man es nennt, ist mir erstmal egal und nein, über die Argumente oder Diskussionsfähigkeit auf der (US-)rechten Seite müssen wir nicht sprechen, die ist ja nicht nur absolut ungebildet sondern auch noch stolz drauf.
Aber existieren tut so etwas wie CRT (wie man es denn nennen will), es gibt genügend Proteste von Eltervereinigungen, weil an Schulen irgendwelche überzogenen Maßnahmen zur „racial sensitivity“ durchgezogen werden.
nicht_vom_forum
Nein, Zufall ist es mit Sicherheit nicht.
Ich meinte damit auch nicht durch die Rechte, sondern durch – vernünftige – Linke.
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If you talk bad about country music, it's like saying bad things about my momma. Them's fightin' words.