Antwort auf: jazz in den 1990ern

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gypsy-tail-wind
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Ich hol mal wieder was aus dem Hörfaden hier rüber, weil es ums Fazit ging:

vorgartenso ein erstes fazit wäre: leute wie betty carter oder shirley horn hatten vielleicht nicht viele alben in den 80ern aufgenommen, aber sie hatten bands, feste engagements, waren es gewohnt, mit anderen musikern zu interagieren, als in den 90ern das neue interesse an ihnen aukam. lincoln und scott dagegn haben eher im stillen an ihrer unverwechselbarkeit gearbeitet, ohne feste basis – und trafen dann plötzlich auf passende musiker und settings und mussten erstmal neu lernen, wie man mit einer band kommuniziert.

redbeansandriceDas Fazit hatte ich neulich auch irgendwo im Zusammenhang mit den 80ern und 90ern… Alben auf großen Labels herauszubringen ging schon irgendwie Hand in Hand mit Erfolg… Aber überhaupt nicht so sehr wie man denken könnte, so viel Musik findet „regional“ statt, und die Leute die sie machen, leben auch nicht (viel) schlechter oder anders… Wahrscheinlich ist das jetzt noch viel wahrer als damals

Das leuchtet mir ein … es kann aber – zu pauschal befolgt, was bei uns ja eh nicht der Fall ist, denke ich – dazu führen, dass der Blick auf Kataloge der Label „dazwischen“ verstellt bleibt. In den kommerziell dunklen, angeblich so quellenarmen Jahren des Jazzmittelalters, oder wie die Puristen das sehen (so 1965 bis 1985 wohl?) gab es bei Steeplechase, Muse, Bee Hive oder in Europa bei den – teils deutlich breiter aufgestellten – Red, Black Saint/Soul Note, Enja und anderswo viele exzellente Alben, die teils selbst ähnlich retro waren wie das, was ab 1985 abgefeiert wurde (Marsalis, nicht Blythe – dass Columbia dem so lange ein Forum bot, ist da aber auch eine grosse Ausnahme), aber Leute wie Sonny Stitt oder Barry Harris waren halt selbst schon dabei „damals“ – und jemand wie Woody Shaw ja auch noch knapp, von Joe Henderson ganz zu schwiegen. Also: das Fazit ist halt – vermutlich mit ein paar wenigen Ausnahmen? – nur für die wenigen relevant, die dann tatsächlich bei einem der grossen Label unterkamen.

Wer waren diese Label denn, und wer landete dort alles (so richtig mit mehreren Alben – ab drei gezählt):

Verve/Gitanes/PolyGram/Antilles/EmArcy/Birdology/Impulse/MCA/GRP: Randy Weston, Teddy Edwards, Stan Getz, J.J. Johnson, Johnny Griffin, Lou Levy, Shirley Horn, Betty Carter, Abbey Lincoln, Hank Jones, Joe Williams, McCoy Tyner, Charlie Haden, Ornette Coleman, Ron Carter, Wayne Shorter, Jack DeJohnette, Kenny Barron, Chick Corea, George Benson, Tom Scott, Frank Morgan, Joe Henderson, Herbie Hancock, John McLaughlin, Helen Merrill, Al Jarreau, Howard Johnson, Bheki Mseleku, Graham Haynes, Diana Krall, Rodney Kendrick, Christian McBride, Roy Hargrove, Javon Jackson, Stephen Scott, Danilo Perez, John Scofield (nach langer Zeit bei Blue Note, inzwischen scheint er ja bei ECM zu sein), Vienna Art Orchestra (ich lass sonst die lokalen Ableger von Blue Note usw. raus, aber das ist doch eine bemerkenswert stabile Zusammenarbeit mit grosser Ausstrahlung), Yosuke Yamashita (Jam Rice)

Warner: Miles Davis, James Moody, Jimmy Scott, George Benson, David Sanborn, Brad Mehldau, Mark Turner, Kurt Rosenwinkel, Joshua Redman, Kenny Garrett, Kevin Mahogany + Nonesuch: Bill Frisell, Fred Hersch

Columbia: Herbie Hancock, Wynton & Branford Marsalis, Henry Threadgill, Arthur Blythe, Paquito d’Rivera, Harry Connick Jr., Bobby McFerrin (Sony Classical), Marcus Roberts, James Carter, Joey DeFrancesco, Marlon Jordan, Dirty Dozen Brass Band, The Bad Plus + David Murray (DIW), David S. Ware (DIW)

EMI/Capitol/Blue Note: Jimmy Smith, Stanley Turrentine, Kenny Burrell, Andrew Hill, Tony Williams, Bob Dorough, Mose Allison, McCoy Tyner, Ron Carter, Pat Martino, Chucho Valdés, Joe Lovano, Sonny Fortune, Don Pullen, John Scofield, Bobby McFerrin, Renee Rosnes, Geri Allen, James Newton, Kevin Eubanks, Cassandra Wilson, Greg Osby, Jason Moran, Ralph Peterson Jr., Bill Charlap (auch Alben für RCA und Impulse), Rick Margitza, Holly Cole, Bob Belden, Eliane Elias, Benny Green, Jacky Terrasson + und, falls „Somethin‘ Else“ mitgerechnet werden darf: Jackie McLean, Junko Onishi

RCA/Novus/BMG/Bluebird:
James Moody, Henry Threadgill, Steve Lacy, Tom Harrell, Dave Douglas, Steve Coleman

Muss man Fantasy/Milestone noch dazu zählen? Kann man, denke ich, ist aber nicht so super ergiebig: Jimmy Scott, Freddy Cole, Sonny Rollins (für den Lauf dort nie aufhörte), Jimmy Smith, Hank Crawford

Ravi Coltrane ist der erste, der mir hier einfällt, der nirgendwo ganz reinpasst: 2 x BMG/RCA, 1 x Blue Note (und 1 x fürs kurzzeitig ebenfalls wiederbelebte Savoy). Von den Veteranen waren z.B. Lee Konitz bei Verve, Blue Note und BMG oder John Lewis bei Verve und Warner/Atlantic. Sam Rivers hat zwei Big Band-Alben für RCA produzieren können, aber ich nahm oben drei Alben als Mindestanforderung (drum fehlt auch Mark Shim bei Blue Note, obwohl es mit dem All-Stars-Album drei wären).

Mögt ihr die Listen ergänzen? Fehlt sicher noch ordentlich was (v.a. bei Columbia und Warner, vermutlich). Was schon in den 80ern zu Ende war wird fehlen, weil ich meine 90er-Liste als Basis nahm, und was erst in den 00ern anfing gehört nicht dazu (auch wenn Impulse erst in den 10ern wieder kam, aber Kenny Barron oder Charlie Haden waren halt z.B. auch davor schon bei Universal-Labeln und das ist ja schon eien Fortsetzung – und als reines Etikett gab’s Impulse ja auch bis in die frühen 90er als Teil von GRP/MCA).

Die Bunky Green aus der Liste von @lotterlotta hätte wohl in meine Longlist gedürft, aber die ist schon 1989 aufgenommen worden (Jahresende), erschien dann wohl 1990 – ich hatte sie daher nicht auf dem Schirm (meine Liste, die nur Bestandesaufnahme ist und kein Rating/Ranking/Hörtagebuch oder Abspieldaten umfasst, ist nach Aufnahmejahr geführt, weil da halt auch ganz viel Compilations mit altem Jazz drin sind, und wann die Chronological Classics-CD herauskam ist für mich von relativ wenig Interesse).

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