Antwort auf: Return of the GrievousAngel: Persönliche Schätze aus der weiten Welt der Kunst

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Als nachweislich größter Angel Olsen-Fan im Forum sehe ich es als meine Verpflichtung an, meiner Göttin auch hier in diesem Thread meine Wertschätzung darzubringen – gerade im Hinblick auf die in raschen Schritten herannahende Veröffentlichung ihrer neuen LP.

Bevor Angel 2014 mit Burn Your Fire For No Witness den Sprung in diverse Kritikerlisten (und auch in meine Welt) schaffte und zum ersten Mal so etwas wie internationale Aufmerksamkeit erhaschen konnte, hatte sie schon beim winzigen Independent-Label Bathetic ein beachtliches, wenn auch leider untergegangenes Meisterwerk aufgenommen. Mein liebstes unter ihren makellosen Werken ist nun genau dieses Debütalbum Half Way Home, das selbst nach Angels steigender Popularität noch immer nicht über den Status eines hidden gem hinauskommt und dem ich beizeiten unbedingt mal einen Artikel auf der englischen Wikipediaseite spendieren sollte.

Ich erinnere mich noch sehr gut an den ersten Abend mit dem Album, als ich es mir unter meiner Kuscheldecke gemütlich gemacht hatte und Angel in Dauerschleife für diese magischen Lieder singen musste, mit der einzigartigen und wundervollen Stimme, für die ich sie dank dem Nachfolger schnell lieben gelernt hatte.

Von den Grunge-Anleihen der zweiten LP noch keine Spur, bekommt man hier von der Protagonistin und ihrer Begleitband herrlich vorgetragene Folk-Tunes mit einer ganz besonderen Stimmung aufgedrückt. Ihr dezenter Country-Twang macht sich immer wieder bemerkbar und den Gesang damit noch unwiderstehlicher. Wie sie sich im einnehmenden The Waiting „I didn’t know what I was missing when I was alone“ eingesteht und schließlich wehmütig verkündet: „Forgive me for wanting / I’m only learning life“ – da empfindet das Herz bittersüßes Mitgefühl mit dieser jungen, naiven und zerbrechlichen Seele. Im siebenminütigen Lonely Universe lässt mein Soulmate zu schleppendem Drumbeat und sanften Country-Anleihen ihrem Kummer schließlich freien Lauf, lamentiert und brummt und zirpt und konstatiert schließlich:

„Time to give up that unforgiving act of altogetherness
And start living out your oldest childhood dreams
Well, losing your minds it ain’t half as bad as it seems
And if you would take the risk
Well, it might be worth your time
It’s only your life
It’s only going by“

Wo Schatten ist, findet sich aber auch immer Licht. Zuerst eröffnet die dicke Wolkenschicht der Sonne in The Sky Opened Up nur zaghaft Gelegenheit zum Scheinen, bittet mit bedrohlichem Bass und ordentlich Hall zum finsteren Tänzchen; danach löst sich der imaginäre Knoten der Beklemmung, wird mit dem beschwingten Free noch eine herrliche kleine Pop-Perle aus dem Hut gezaubert. Mehrstimmiger, fast schon euphorischer Gesang, der zum Ende hin endgültig Olsens stimmliche Brillanz zur Schau stellt, und helle Gitarrenlicks formen das Rezept, dem sich Angel im zugänglichsten Song der LP verschreibt und damit ausgezeichnet fährt.

Ansonsten herrscht weitgehend eine wohlig trübe Stimmung, als wäre man mit ihr zusammen Safe in the Womb. Getragen wird das alles aber ohnehin von ihrer emotionalen, beizeiten höchst fragil anmutenden, im nächsten Moment wieder Unzerstörbarkeit suggerierenden Stimme, die sich von jenen ihrer Konkurrentinnen abhebt, denen Angel schon beim einleitenden Acrobat in Bezug auf gesanglichen Facettenreichtum entwischt. Während sich ihr Organ zu sanftem Fingerpicking, nahezu psychedelischen Orgelklängen und geisterhafter Stimmung überschlägt, gelingt ihr das Kunststück, den Zuhörer bereits in diesen ersten Minuten der LP in ihre kleine Welt zu ziehen. Man erwischt sich bald – nicht das letzte Mal während dem großartigen Half Way Home – dabei, gebannt an ihren Lippen zu hängen, wenn sie auf ihre unnachahmliche Art Zeilen wie „Who cares? / I’m not a moralist / I’m just a lady with some time“ singt. Gott sei Dank teilt sie diese immer wieder mit uns.

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