Antwort auf: john lenwood "jackie" mclean

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Gerade noch eine späte Jackie McLean-Lücke geschlossen: „Rites of Passage“ mit der gleichen Band wie auf dem drei Jahre früher eingespielten „Dynasty“, also dem Quartett der späten 80er/frühen 90er plus Sohn René McLean (hier an ts/as/ss). Ein paar Monate später geht es dann ohne den Sohn weiter. Die Band hat jetzt auch einen Namen, ist aber personell unverändert: Hotep Idris Galeta (p), Nat Reeves (b), Carl Allen (d). Das ist schon recht geschliffene Musik, die drei Begleiter – der in Kapstadt geborene Galeta ist mit Jahrgang 1941 der Veteran, Reeves und Allen sind Jahrgang 1955 bzw. 1961 – sind mit ziemlich allen Wassern gewaschen, haben von entspannt bis druckvoll und manchmal total hip wirklich alles drauf.

So einiges gerät aber etwas glatt, finde ich – und das hat wohl beim ersten Album auch ein klein wenig was mit René McLean zu tun, der (wer tut das schon!) keine so eindringliche und persönliche Stimme hat wie sein Vater und sich trotz der Gigs mit Woody Shaw und Louis Hayes in den Siebzigern vor allem am Tenor gar nicht so anders anhört als die Junglöwen, die um diese Zeit herum so gross im Kommen waren. Auf seinem eigenen „Morning Prayer“ klingt René McLean dann allerdings sehr souverän und besonders in der Phrasierung schwingt da auch etwas mit, was die jüngeren Musiker nicht drauf hatten.

Eins der Highlights auf dem ersten Album ist für meine Ohren das Balladenfeature von Jackie McLean über sein eigenes „My Lady (Portrait of Doll)“ – ein bewegendes Meisterstück. Und hier ist die Rhythmusgruppe zur Stelle und liefet genau, was benötigt ist.

Das zweite Album ohne den Sohn präsentiert das Quartett in einem Club-Set aus dem Hnita Hoeve Jazz Club in Heist-op-den-Berg, Belgien. Die Aufnahme wurde zwar für den Rundfunk gemacht, klingt aber nur semi-professionell. Das Tut der Intensität der Musik aber keinerlei Abbruch. Schon im Opener, „Cyclical“, brennt McLean lichterloh, und die Band klingt super tight und geht mit ihm, treibt ihn an. Im Gegensatz zu „Rites“ mit 10 Stücken, von denen nur zwei länger als 4-5 Minuten sind, gibt es hier vier Stücke zwischen 9 und 12 Minuten und zwei etwas kürzere). Klar hinkt der Vergleich, aber das, woran ich hier als erstes denke, ist „Banned in New York“, das Live-Album von Greg Osby, dem eine Bootleg-Ästhetik verpasst wurde und das ebenfalls nicht so klingt, wie Jazzproduktionen in den Neunzigern sonst halt klangen.

In René McLeans „Dance Little Mandissa“ spielt übrigens Galeta ein Piano-Riff, das für einmal seine Wurzeln im Cape-Jazz offenbart. Die sind sind sonst nicht wirklich zu hören – fügen sich hier aber sehr schon zusammen mit McLeans Sax, das beim Einstieg direkt an die Höhenflüge der mittleren Sechziger anzusetzen scheint. Ich glaube dieser Band-Spirit ist es, der hier für mich einen Unterschied macht und das Live-Album über die schönen aber vielleicht etwas braven und etwas routinierten beiden Vorgänger-Alben hebt. Noch weiter zurück blickt „Minor March“, das direkt folgende Stück, das McLean zur Session des Miles Davis/Milt Jackson Quintet/Sextet für Prestige mitbrachte (es ist eins der zwei Sextett-Stücke mit McLean, auch das andere Sextett-Stück, „Dr. Jackle“, war seins).

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