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nicht_vom_forum

Registriert seit: 18.01.2009

Beiträge: 6,422

bullitt

nicht_vom_forum

bullitt Wenn öffentlich Bullshit erzählt wird, kann es dafür anschließend öffentlich Kritik geben. Nur so kann es laufen,

Das funktioniert doch in großem Maßstab nicht. Sei es, weil sich keiner die Mühe macht, sich x Stunden Podcast anzuhören und dann detailliert zu widerlegen (und das jedes Mal) oder weil sich diese detaillierten Widerlegungen dann nur ein kleiner Bruchteil der ursprünglichen Hörer anhört. Zweitens wird diese öffentliche Kritik seitens der Kritisierten dann doch allzu oft als Zensur, Shitstorm oder ähnliches bezeichnet, anstatt dass sich mit der Kritik inhaltlich auseinandergesetzt wird. Dazu kommt dann noch, dass die primäre Aussage immer besser hängen bleibt als die anschließende Widerlegung. Zu diesem Thema gibt es stichhaltige psychologische Untersuchungen. Dann gibt es praktische Aspekte: Das Prinzip „Behauptung – Gegendarstellung“ funktioniert doch schon in der normalen Presse nicht wirklich.

Die Alternative ist, die „Informationssouveränität“ in die Hände einer wie auch immer gearteten Institution zu legen. „Funktioniert“ ja tatsächlich auch besser. China muss sich nicht mit Querdenkern, Klimaaktivisten, Identitätspolitikern oder der Antifa rumschlagen, keine Echokammern ertragen, keine Polarisierung und auch die Corona-Politik läuft geschmeidig durch. Ich bevorzuge es aber weiterhin unbequem.

Die wünschenswerte Alternative zur aktuellen (US-)Medienlandschaft sind doch nicht chinesische Verhältnisse. Die wünschenswerte Alternative ist eine Medienlandschaft, in der die verschiedenen Informationskanäle nicht so gestaltet sind, dass Teilnehmer nach dem Winner-takes all-Prinzip „to big to fail“ sind, in der Fox-News ernsthaft behaupten kann, kein Mainstream zu sein und in der die anschließende öffentliche Kritik standardmäßig ignoriert oder sogar bekämpft wird – mit einem Hinweis auf „Zensur“ , auf „Cancel-Culture“ oder darauf, dass die Kritiker ja nur humorlose Twitter-Snowflakes sind, die nicht erkennen, welcher Teil eines Programms ernst und welcher ironisch gemeint war oder was „Just asking questions“ war. Plakativ: Eine Medienlandschaft, in der die Eigenverantwortung der Medienmacher eben nicht damit aufhört, dass es Pech war und nicht vermeidbar ist, wenn jemand leider nicht genug Medienkompetenz hatte, um zu erkennen, dass Pizzagate Bullshit ist und deshalb mit einer halbautomatischen Waffe in einer Pizzeria den nicht vorhandenen Keller sucht.

Ich möchte eine Medienlandschaft, in der Information und Unterhaltung so weit getrennt oder zumindest unterscheidbar sind, dass eine inhaltliche Kritik an einzelnen Sendungen oder Kanälen überhaupt noch eine Chance hat, gehört zu werden und Konsequenzen zu haben. Meine grundsätzlichen Bedenken sind die gleichen, die schon Neil Postman in den 80ern thematisiert hat[1]. Es geht mir dabei nicht um die oberflächliche Präsentation. Frontal (gibt’s das noch?), extra3, Böhmermann, John Oliver und Co. schaffen es schließlich seit Jahren/Jahrzehnten, seriösen Journalismus zu machen und dabei trotzdem zu unterhalten. Ein Podcast ist natürlich nicht deshalb schlecht, weil die Macher keine ausgebildeten Journalisten sind und keinen Abschluss an in Publizistik haben. Aber umgekehrt ist ein Interview eben in jedem Medium ein Interview und sollte nicht nur deshalb anders bewertet werden, weil es bei Spotify oder Youtube veröffentlicht wird und nicht bei ARD oder FAZ. Was mir an Joe Rogans Herangehensweise missfällt, ist hier m. E. treffend analysiert: https://www.currentaffairs.org/2022/02/on-experiencing-joe-rogan

[1] https://en.wikipedia.org/wiki/Amusing_Ourselves_to_Death

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