Antwort auf: Musik-Streaming-Dienste: Spotify, Deezer, Qobuz, Tidal, etc.

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#11715005  | PERMALINK

herr-rossi
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bullittWer wegen Soundqualität und schlechter Bezahlung kein Abo abschließt, kann mit meinem vollen Verständnis rechnen. Nur sind diese Aspekte seit Jahren bekannt. Wen das wirklich stört hat Spotify nie benutzt oder schon vor Jahren gewechselt. Kann mir neimand erzählen, dass das jetzt eine neue Erkenntnis ist.

Erst einmal Disclaimer: Ich hatte nie ein Spotify-Abo, ich habe mich seinerzeit für Deezer entschieden. In der Diskussion hier sind mir ein paar Argumente dafür untergekommen, vielleicht zu Quboz zu wechseln. Ein Streaming-Abo ist kein Ehevertrag, die Entscheidung kann man jederzeit überdenken. Und für eine richtige Erkenntnis, etwa dass andere Anbieter Musikern deutlich mehr zahlen, ist immer Zeit.

Den Rückschluss, dass Spotify die armen Musiker schlecht bezahlt, und dafür Joe Rogan das Geld in den Rachen wirft, halte ich für eine sehr steile These.

Auch hier Disclaimer: Ich wollte keinen Gegensatz Musiker/Podcaster/Hörbücher usw. aufmachen, das gehört natürlich alles zu einem Audio-Streamingdienst dazu, und die Wortangebote sind ein Riesenwachstumsmarkt. Und klar, wenn der größte Podcaster der Welt exklusiv bei Spotify ist, dann zieht das Kunden an, die dann auch andere Angebote nutzen.

Aber davon ab: Ich rede hier von schlichten Fakten und Business-Entscheidungen. Spotify entscheidet sich dafür, seinen Content Creatorn deutlich weniger zu zahlen, als es einige der Konkurrenten tun. Spotify entscheidet sich auch dafür, 100 Mio. in einen einzelnen Podcast zu investieren. Ein Unternehmen, zwei Entscheidungen, die zeigen, welche Prioritäten man setzt. Der Gründer und CEO von Spotify entscheidet sich zudem dafür, einen gleichgroßen Betrag in eine AI-Firma für Militärzwecke zu investieren. Warum sollte ich als Kunde nicht sagen – mir gefällt jede einzelne dieser Entscheidungen nicht und in der Summe erst recht, also gehe ich weiter zum nächsten Anbieter. Das ist meine Business-Entscheidung als Kunde …

Und zum „Krawall-Podcaster“: Mal wieder viel Hysterie um nichts, wie mir scheint. Habe mir jetzt u.a. die Folgen mit Tarantino, Snoop, Jakob Dylan und Oliver Stone angeschaut/-hört und was soll ich sagen, ein unterhaltsamer Podcast. Krawall Fehlanzeige.

Rogan ist nicht durch Zufall so groß geworden, er bedient verschiedene Sparten. Was Du Dir angeschaut hast, waren die seriösen Gespräche mit Stars. Klar kann er das. Aber selbstverständlich gehört zu Rogans Marke auch das Krawallige und das performativ „Unkorrekte“ (was ja die beste Marketingstrategie überhaupt ist).

Es kommt halt auf die Gesprächspartner an. Hier ist z.B. ein bezeichnender Ausschnitt – in einer Folge sprach er, warum auch immer, von angeblich neuentdeckten Riesenaffen, die auch Löwen angreifen, eine Geschichte, die 2003 durch die Medien ging, aber kurz darauf „debunkt“ wurde, es waren normale Schimpansen. Eine Anruferin, promovierte Primatenexpertin, sagte, das sei Unfug, was Rogan da behaupte, und er brüllt sie minutenlang nieder und beleidigt sie ununterbrochen. Und nachdem sie aufgelegt hat, witzelt er noch eine Weile mit dem Co-Host und sagt schließlich in affektierter Stimme: „I have a vagina“, wie man das halt so sagt …

(Der verlinkte Ausschnitt ist Teil eines Kommentars einer Wissenschafts-Vloggerin auf Youtube, in der sie dem Comedian und Moderator Jon Stewart widerspricht, man könne mit Rogan ernsthafte Diskussionen über wissenschaftliche Themen führen, das wird durch seine Art der Diskussionsführung von vornherein konterkariert. Solange es um Affen geht, ist es ja noch harmlos, aber wenn man als Podcaster mit der größten Reichweite überhaupt immer wieder entweder selbst Unsinn zur Pandemie verbreitet oder Leute ins Studio lässt, die Unsinn verbreiten, dann ist das gefährlich, denn ein Teil der Hörerschaft nimmt es eben doch für bare Münze, und das nimmt Rogan bewusst in Kauf.)

Dass es bei solchen Leuten weniger problematisch bzw. sogar von Vorteil sein kann, dass Rogan kein Journalist ist und unreflektiert über Stunden einfach plaudert, als etwa bei Robert Malone, leuchtet mir zwar ein, aber auch bei solchen Folgen braucht man eigentlich nur einen Hauch an Medienkompetenz, um sie richtig einzuordnen. Ich bin jedenfalls als dreifachgeimpfter Impfbefürworter anschließend nicht vom Glauben abgefallen. Dass man anschließend kritisch drüber spricht, ist doch allemal besser, als so etwas zu canceln.

Und da haben wir es endlich, dass C-Wort … Was die Medienkompetenz weiter Teile mindestens der US-Bevölkerung angeht, habe ich mit nvf erhebliche Bedenken, die sich ja aggressiv gegen die angeblichen Mainstream Medien abschirmt und jeder Verschwörungstheorie und jedem „Skeptizismus“ gegenüber den Wissenschaften anhängt. Dass derzeit alle einschlägigen Leuchten der Meinungsfreiheit wie Jordan Peterson, Ben Shapiro und Donald Trump Rogan gegen die böse Linke beispringen, versteht sich von selbst. Von letzterem distanziert er sich ja gerade, im Moment ist er erkennbar darum bemüht, Seriösität zu vermitteln.

Und nein, Neil Young hat eben nicht dazu aufgerufen, ihn zu „canceln“. Copy & Paste funktionieren nicht, daher bitte die gefettete Passage seines Statements auf seiner eigenen Seite lesen:

https://neilyoungarchives.com/news/1/article?id=Spotify-More-Songs-Less-Sound

Ein Multimillionär und Meinungsmacher ersten Ranges muss nicht mit Samthandschuhen angefasst werden, der kann kritisiert werden wie jede andere Person des öffentlichen Lebens auch. Leute seiner Größenordnung kann man zudem überhaupt nicht „canceln“, selbst wenn ihn Spotify fallen ließe, würde er eine andere Plattform finden oder selbst aufbauen.

Und was mich angeht: Es müssen keine Inhalte von Plattformen verschwinden, wenn sie mir missfallen. Aber wäre ich Spotify-Kunde, würden mir deren Unternehmensentscheidungen missfallen und ich meine Konsequenzen als Kunde daraus ziehen.

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